(41) Auch das noch

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"Kann ich wenigstens alleine in die Klinik reinlaufen?" "Ich weiß nicht, ob du das kannst!", grinsend streicht Alex mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und legt einen sanften Gesichtsausdruck auf.

Voller Motivation steige ich aus dem Auto und bin guter Dinge, dass ich den kompletten Weg schaffe. Naja, bis zum Eingang schaffe ich es tatsächlich und dann werden meine Knie auch schon ganz weich und ich muss mich in die Arme der zwei Männer krallen. Alex fackelt nicht lange und trägt mich den restlichen Weg zu Oli.

Mein Zustand verschlechtert sich wieder merklich, aber ich versuche es tapfer wegzulächeln. "Guten Tag, die Dame und die Herren!" Oli grinst mich breit an. Nach einer kurzen Musterung vergeht ihm anscheinend sein grinsen: "Du siehst nicht gut aus!" "Es freut mich auch dich zu sehen!", begrüße ich ihn und lass mich erschöpft auf der Liege zurückfallen, als Alex mich dort abgesetzt hat. Ich könnte schon wieder schlafen, was auch Tom bemerkt und deswegen versucht, mich mit einem Gespräch wach zu halten. Alex erzählt Oli nebenher die Entwicklung der letzten Tage und dieser nickt zwischendurch immer wieder. "Okay, Josi, wie fühlst du dich gerade?" Oli zieht ein paar Dinge aus den Schubladen, behält mich nebenher aber stets im Auge. "Ich fühle mich wie das blühende Leben!" Nach einem Schlag von Tom auf meine Schulter, korrigiere ich meine Antwort: "Es wird gerade wieder schlechter!" Oli streift sich schnell ein paar Handschuhe über und bittet mich, den Mund zu öffnen. "Hast du Halsschmerzen oder Schluckbeschwerden?" "Bisschen", gebe ich kleinlaut zu. Alex zieht schon eine Augenbraue nach oben. "Deine Mandeln sind auch gerötet und leicht geschwollen! Jetzt taste ich dir kurz ein paar Lymphknoten ab."

Die Lymphknoten des Halses, des Kiefers und unter den Achseln sind geschwollen. "Ziehst du kurz mal deinen Pullover nach oben bitte!" Ich komme seiner Aufforderung nach und er begutachtet zuerst den Ausschlag.
Danach tastet er meinen Bauch ab und bei der Region der Milz wird es echt unangenehm. "Bei der Milz spüre ich die Vergrößerung schon durchs abtasten!", verkündet der Organquetscher und beschert Alex damit nicht gerade große Freude. Mir auch nicht.

Na super, das ist nicht so gut.

Zum Schluss misst er noch Blutdruck, Blutzucker, Puls und hört mich ab. "Dein Blutzucker gefällt mir nicht und dein Blutdruck ist auch zu niedrig!" "Sie isst ja auch kaum was!", gibt Alex zu bedenken. Mich überzieht wieder eine bleierne Müdigkeit und ich muss kämpfen, damit meine Augen offen bleiben. Oli steckt mir noch das Fieberthermometer ins Ohr und misst "Neununddreißig Grad. Wir machen jetzt einen Rachenabstrich und nehmen dir Blut ab!" Mit letzter Kraft nicke ich und öffne meinen Mund. "Ich lege dir am besten einen Zugang, dann können wir dir Blut abzapfen und ich gebe dir was gegen das Fieber", er lächelt mir wohlwissend zu. Nachdem sich Oli von mir abwendet, schließe ich die Augen und ergebe mich meinem Schlaf.

~~~~~~~~~~~~~~~~~

Als ich meine Augen wieder öffne, bin ich alleine. Ich fühle mich relativ gut und meine Körpertemperatur scheint sich normalisiert zu haben. Über meinen Füßen liegt eine Decke und an meinem Zugang hängt eine Infusion, die aber fast durch ist.

Mein Rücken schmerzt unwahrscheinlich, von dem ganzen Liegen und ich setze mich auf. Meine Füße schiebe ich seitlich an der Liege herunter und lasse sie baumeln. Ganz kurz muss ich eine kleine Karussellrunde wegatmen, aber dann scheint sich mein Kopf neu sortiert zu haben. Als die Türe plötzlich auf schnellt, zucke ich kurz zusammen. "Du bist wieder wach! Geht's dir jetzt besser?", fragt Oli und entfernt nebenher die Infusion. "Ja, fühlt sich zumindest so an!" "Gut! Also, Josi. Wir haben jetzt herausgefunden, was da bei dir nicht stimmt... Es handelt sich um Pfeiffersches Drüsenfieber!" Herr Dreier sieht mich mitleidig an.

Das hat mir gerade noch gefehlt!

Keiner kann genau sagen, wie lange es dauert, bis die Symptome abklingen. Das kann sich manchmal sogar über Wochen ziehen.

Genervt stöhne ich auf: "Nicht dein Ernst?" Es klopft an der Türe und Alex und Tom schieben sich rein. "Doch leider. Ist es okay, wenn ich vor den beiden weiterrede?" "Ja, sind ja schließlich mein Bruder und mein Freund!", zucke ich mit den Schultern. Als ich das Wort "Freund" sage, zieht Oli seine Augenbrauen nach oben und bekommt ein breites Grinsen. "Also, dann die Knutscherei bitte unterbinden. Kann man nur hoffen, dass sich Alex nicht schon angesteckt hat!" Ich rolle mit den Augen. Nicht nur, dass wir uns körperlich einfach nicht näher kommen können, weil ich sonst eventuell an Herzversagen sterbe, nein, jetzt kann ich ihn nicht mal mehr küssen. "Das wirst du schon überleben!", stößt mir Tom den Ellenbogen in die Seite. "Die Krankheit ganz sicher...", grinsend schaue ich Alex an, der ebenso genervt von dem Kussverbot zu sein scheint. "Du weißt, wie gefährlich es werden kann! Der Hals kann zuschwillen, die Milz kann weiter anschwellen und einen Riss bekommen, etc.." Olis Gesichtsausdruck ist jetzt wieder Ernst.

"Ja... Weiß ich!" "Also Alex, ihr beobachtet bitte weiterhin! Wenn das Fieber wieder unentwegt steigt oder innerhalb der nächsten Tage nicht abklingt, dann kommt ihr bitte nochmal. Ausserdem solltet du oder Phil die Milz im Auge behalten. Aber das muss ich dir ja eigentlich nicht erzählen und SIE, junge Dame, halten auf jeden Fall weiterhin Bettruhe und essen auch bitte regelmäßig! Außerdem sagst du Alex bitte Bescheid, wenn du merkst, dass es dir schlechter geht oder irgendetwas dazukommt. Haben wir uns da verstanden?", er sieht mir eindringlich in die Augen und drückt mir seinen mahnenden Blick rein. Tom und Alex stehen mit verschränkten Armen hinter ihm und als sich ihre ebenfalls mahnenden Blicke über mich legen, mustere ich den Boden und presse ein leicht genervtes "Ja!" zwischen den Lippen durch.

"Und sei nicht so übermütig, die Abgeschlagenheit und dein schwerfälliger Kreislauf können dir überraschend und spontan den Boden unter den Füßen wegziehen!" "Ich weiß, ich bin ja nicht blöd!", stichel ich ihm entgegen. "Blöd nicht, aber unendlich stur", wirft Tom ein, worauf Oli und Alex nur wissend nicken.
"Danke auch!"

Na super, jetzt kann ich die nächsten Tage auch noch vor mich hinvegetieren... unter ständiger Beobachtung....darf diesen Mann nicht mal küssen.... Kann ewig nicht arbeiten...

Meine Laune hängt irgendwo unten in der Pathologie. "Also, dann packen wir es mal wieder!" Tom will mich gerade am Arm greifen, da schlage ich ihn gekonnt weg und laufe Richtung Türe.
Ich schieb mich an Alex vorbei und versuche hochkonzentriert das Krankenhaus zu verlassen, ohne zu schwächeln. An und für sich klappt das auch recht gut, ich könnte unterwegs nur im hohen Strahl kotzen, da mir so übel wird.

Zusammenreißen Josi!

Alex erreicht mich kurz vor der Autotür:
"Mach doch mal langsam! Warum rennst du denn so?"

Weil ich sauer bin und meine Ruhe will!

"Weil ich es kann!" Mürrisch steige ich ins Auto und schnalle mich an. Als Tom und Alex auch sitzen, klingelt Alex' Handy.

"Hetkamp!.... Ja, hi.... ähm, warte mal kurz!" Der Herr Notarzt nimmt das Handy vom Ohr und beugt sich zu Tom nach vorne: "Tom, weißt du, ob heute Abend jemand zuhause ist?" "Franco und Florian müssten eigentlich da sein, die sind heute morgen zum Dienst!", nuschel ich ihm zu, während ich aus dem Fenster schaue. "Danke, Tom!", antwortet er lachend und widmet sich wieder seinem Handy: "Ja, geht klar. Brauchst du was?.....Okay... Ne, aber Josi hat Pfeiffersches Drüsenfieber und wir hatten die letzten Nächte ordentlich zu tun, deshalb.... jaja...bis dann. Gern geschehen!"

"Musst du einspringen?", erkundigt sich Tom bei Alex. "Ja, Markus hängt seit einer Stunde nur über der Kloschüssel. Oli hat auf Station und Phil auf dem Nef Dienst", im Augenwinkel sehe ich, wie Alex mich ansieht. "Ich werde schon nicht sterben. Franco und Florian haben ja auch Ahnung!", presse ich zwischen den Zähnen durch und beobachte weiter die Gegend. Tom und Alex seufzen beide nur genervt auf und geben keinen weiteren Kommentar von sich.

Zuhause angekommen, begebe ich mich auf Anweisung des behandelnden Arztes, auf das Sofa und sterbe in den ersten fünf Minuten schon an Langeweile.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt