(103) das erste "Bild" der Twins

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Als der Herr Doktor von meiner unteren Etage ablässt, ziehe ich mich wieder an und setze mich in den Rollstuhl. "Alex, du hast was von einer Folsäuremangel-Anemie gesagt?! Welches Präparat hat Josi bekommen?" Finn wirft einen Blick auf Alex, der die Schachtel aus seiner Hosentasche zieht.

Wow, der hat auch an alles gedacht!

Doktor Gröhlich nimmt die Packung entgegen und setzt sich an das Tablet, das auf einem kleinen Arbeitsbereich in der Ecke liegt. "Hmmm.. Das ist an sich schon gut, aber nicht unbedingt während der Schwangerschaft. Ich befürchte fast, dass die überdurchschnittliche Übelkeit auch daher kommen könnte. Ich verschreibe dir ein anderes Präparat. Im Prinzip das gleiche, nur eine kleine abweichende Zusammensetzung und daher etwas besser verträglich!" Er wirft einen Blick zu mir, worauf ich ihm zunicke. Nachdem Finn das Rezept ausgefüllt hat, kitzelt er irgendetwas in dem Mutterpass rum und murmelt vor sich hin.

Kurz darauf rollt er mit dem Hocker auf uns zu und grinst uns an: "Also. Der errechnete Geburtstermin wäre der elfte Juni, nächstes Jahr. Allerdings wird der sich sicherlich noch ein wenig ändern. Zwillinge sind gerne früher dran und außerdem müssen wir die Lage der Beiden abwarten. Eventuell könnte ein Kaiserschnitt anstehen. Aber das sehen wir dann mit der Zeit. Darüber machen wir uns Gedanken, wenn es so weit ist. Wichtig ist jetzt nur: Kein Streß, keine so schweren Gegenstände heben und ganz, ganz wichtig ist das Essen! Wenn es mit dem Erbrechen nicht besser wird, meldet ihr euch! Aber diesmal nicht so spät, sondern gleich wenn ihr merkt, das kein Tropfen Wasser drin bleibt!"
Wir nicken ihm beide zu. "Hier hätten wir dann auch gleich noch ein Bild des ersten Fotoshootings." Finn zieht aus dem Mutterpass, den er die ganze Zeit in der Hand gehalten hat, ein kleines Bild heraus und hält es uns entgegen.
Ich nehme den ersten Beweis für unser doppeltes Glück, lächelnd in die Hand.

"Den Termin am Freitag lassen wir bestehen! Bis dahin weiß ich, wie es mit dem Rötelnschutz aussieht und wir können uns über die Verträglichkeit der neuen Folsäuretabletten unterhalten. Habt ihr noch Fragen?" Wir schütteln beide mit dem Kopf. "Josi, Alex hat meine Nummer. Wenn irgendwas unklar ist oder dich irgendwas plagt oder beschäftigt, kannst du dich jederzeit melden. Bei einer Mehrlingsschwangerschaft kann alles etwas extremer ausfallen und daher habe ich da gerne ein besonderes Augenmaß darauf. Gut, in dem Fall bis Freitag!" Er reicht uns die Hand und drückt Alex den Mutterpass und das Rezept in die Hand.

Alex schiebt mich zurück auf mein Zimmer und legt sich zusammen mit mir ins Bett. Ich halte das Bild vor meine Augen und schaue es mir genauer an. Leider sind dort nicht mehr als zwei kleine schwarze Punkte zu sehen: "Wahnsinn, dass daraus mal Menschen werden sollen, oder?" Alex stimmt mir zu und gähnt herzhaft auf. Das Bild wandert auf den Nachttisch, damit ich meinen Freund in meine Arme ziehen kann: "Schlaf doch ein bisschen. Du siehst total fertig aus! Hast du heute wieder Spät?" Alex kuschelt sich in meinen Arm und drückt sein Gesicht an meins: "Ja. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ganz Köln gerade durchdreht. Wir kommen mit den Einsätzen fast nicht hinterher. Weck mich aber in einer Stunde, ich will auch noch was von dir haben!" "Mach ich!" Ich küsse ihn zärtlich und kraule mit meiner Hand an seinem Hinterkopf, worauf er sich total entspannt und vor sich hin brummt.
Leider macht mich die Wärme von Alex ebenfalls ganz schläfrig und als ich nur kurz meine Augen schließe, um diese zu entspannen, muss ich wohl auch eingeschlafen sein.

◇◇◇◇◇◇

"Hey Josi...", zärtlich streicht mir eine Hand über meine Wange und als ich meine Augen minimal geöffnet bekomme, sehe ich Tom neben dem Bett sitzen. "Hey...bist du schon lange da?", will ich wissen. Alex liegt fast auf meinem kompletten Oberkörper und schläft immer noch. "Nicht allzu lange. Endlich schläft Alex mal. Der ist zuhause die halbe Nacht rum gewandert, weil er sich solche Vorwürfe gemacht hat!" "Warum denn das?" Ich kann Tom's Aussage nicht wirklich nachvollziehen. "Weil er der Meinung ist, er hätte gestern als Arzt schneller reagieren und dich gleich ins Krankenhaus bringen müssen. Du weißt doch, wie er ist und jetzt mit den Kleinen sowieso! Wie geht's dir denn?" Tom streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und mustert mich ganz genau.
"Schau mal. Das haben wir heute bekommen. Bisher haben es beide geschafft!" Ich greife nach dem Ultraschallbild und gebe es Tom. "Die beiden werden es auch weiterhin schaffen! Im kämpfen kann Familie Mayer keiner was vormachen!" Nachdem er das Bild betrachtet hat, zwinkert er mir zu und legt es wieder auf den Nachttisch. "Der bisherige Geburtstermin ist der elfte Juni. Aber das ändert sich wahrscheinlich nochmal, da Zwillinge es meistens eiliger haben oder sie wegen falscher Lage geholt werden". "Dann gibt es also Mai oder Junikinder. Super! Da können wir die Kindergeburtstage immer draußen im Garten feiern!" Tom's Augen glitzern schon freudig.
"Hahahaha, die zwei sind noch nicht mal auf der Welt und du denkst schon an Kindergeburtstage... hahaha. Oh, Tom. Dafür haben wir noch ein bisschen Zeit!" Ich wuschel ihm durch die Haare und freue mich, dass er so voller Euphorie steckt.

Ich fahre Alex ein paar Mal durch die Haare und beiße mir auf die Lippen, bevor ich Tom von meinem Telefonat in Kenntnis setze: "Ich hab mit Hannes telefoniert!" Tom's Augen werden ganz groß, da er damit wohl nicht gerechnet hat: "Und?" Mein Gesicht verzieht sich zu einer Grimasse und ich schüttle leicht mit dem Kopf: "Ich hätte wohl auf dich hören sollen. Es war die Verbindung nicht wert!" "Wieso? Erzähl schon, was hat der Arsch gesagt?" "Hmmm. Weißt du, dass er zwei Kinder hat?" Ich schaue ihn fragend an. "Ja, uns!" "Augenscheinlich zählen wir nicht mehr dazu. Jasmin und Torben heißen die beiden. Sie sind vierzehn und keine Ahnung, siebzehn oder so. Die gleichen Anfangsbuchstaben wie wir. Naja, er hat sich nicht wirklich interessiert und als ich ihm eröffnet habe, dass er Opa wird und ich schwanger bin, ist er davon ausgegangen, dass ich alleinerziehend bin und nur Anrufe, weil ich Geld brauche. Seine Schlussfrage war, wie viel ich denn brauche!" Tom fällt anscheinend gerade vom Glauben ab: "Was hast du dann gesagt?" "Ich hab aufgelegt. Das wollte ich mir nicht mehr geben. Bei Mom werde ich nicht anrufen. Auf so eine gequirlte Kacke habe ich keine Lust! Christopher und Anne sind vollkommen ausreichend als Großeltern und wenn man die restliche Männerbande betrachtet, kann den Beiden doch gar nichts besseres passieren. Die brauchen keinen Hannes und keine Eva!" Tom nimmt mich so gut es geht in die Arme und flüstert mir zu, dass es ihm leid tut. "Halb so wild. Jetzt weiß ich, wo ich dran bin und muss mir keine unnötigen Gedanken mehr machen!" Ein kleiner Kuss trifft seine Stirn und er lässt sich wieder rückwärts auf seinen Stuhl fallen.

Nach einem Blick auf die Uhr, erschrickt Tom kurz und verabschiedet sich hektisch, da er zum Dienst muss:
"Weck mal Alex, der muss auch bald los!" Nach einem Kuss auf den Kopf rennt er auch schon aus der Türe raus.
Bevor ich Alex wecke, mache ich ein Foto von dem Ultraschallbild und schicke es, zusammen mit den neuen Info's, an Anne und Christopher.

Wenigstens diese Großeltern würde ich meinen Kindern gerne erhalten....

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt