(134) Schwere Zeit

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Alex' Sicht:

Die Informationsflut, die Finn uns direkt vor den Latz knallt, haut mich fast aus den Socken. Ich muss wirklich schwer schlucken, vor allem als mein alter Kamerad ein sofortiges Beschäftigungsverbot für Josi ausspricht. Natürlich weiß ich, dass diese Entscheidung unumgänglich und von Nöten ist, aber ich weiß auch, dass es Josi sehr zu schaffen machen wird. Ich werfe einen Blick zu Tom, der mir im selben Moment einen wissenden Blick zuwirft. Nach unserer stummen Verständigung widme ich mich wieder Finn's Worten, die das Thema Geburt beinhalten.

Oh Gott, wenn wir einen Kaiserschnitt machen lassen müssen, stirbt meine Freundin an der Spritze, noch bevor die Kinder auf der Welt sind.

Nach diesen Gedanken, widme ich meine Aufmerksamkeit Josi zu, da sie für meinen Geschmack viel zu leise ist.
Sie scheint in ihre Gedanken vertieft zu sein, was mehr als verständlich und nachvollziehbar ist. Allerdings kommt mir Ihre Haltung etwas suspekt vor.
Mir scheint es, als wenn Ihre Muskulatur matschig wird, wobei Ihre Gesichtsfarbe immer noch im neutralen Farbbereich liegt. "Finn?" Ohne meinen Blick von Josi abzuwenden, unterbreche ich meinen Kamerad in seinem Redefluss. "Ja?" Er starrt mich erst fragend an und dreht im selben Moment, in dem Josi's Kopf schlaff zur Seite fällt und sich ihre Augen schließen, sein Gesicht in die Richtung meiner Freundin. "Mist..." Finn klopft Josi gegen die Wange und spricht sie ununterbrochen mit ihrem Namen an, während ich Tom die Anweisung gebe, Josi's Füße anzuheben.

Finn läuft schnell zu seinem Schreibtisch und reißt sich das Blutdruckmessgerät unter den Nagel, worauf ich schnell manuell den Puls überprüfe: "Puls normal". Anschließend kontrolliere ich Stirn und Nacken, kann aber keine Schweißbildung feststellen.
Ich trete einen Schritt zurück, damit mein Kollege den Blutdruck messen kann, der sich allerdings ebenfalls im etwas erhöhten, jedoch vertretbaren Rahmen bewegt. Wir sind uns beide ziemlich schnell über die Diagnose einig und hauen synchron das Wort Pseudosynkope in den Raum. Tom ist sichtlich aufgewühlt und weiß natürlich nichts mit diesem Wort anzufangen, deswegen wende ich mich ihm zu und erkläre ihm die Situation, während Finn sich weiterhin um Josi kümmert:
"Das war jetzt alles zu viel an Informationen, deshalb hat ihr Körper schlapp gemacht. Bei so einem psychogenen Ohnmachtsanfall ist es typisch, dass die Muskeln erschlaffen, die Augen geschlossen sind, allerdings die normalen Symptome einer Ohnmacht fehlen. Das wären dann Schweißausbrüche, ein bleiches Gesicht, manchmal ein paar Zuckungen und eine anhaltende Dauer von nur ein paar Sekunden", meine Erklärung ist bei Tom angekommen, da er mir das mit einem Nicken bestätigt. "Sie kommt wieder!" Finn tauscht mit mir den Platz und überprüft nochmals die Vitalparameter, während ich meinem Mädchen über den Kopf streiche.

"Alles okay Schatz? Geht's wieder?"
Josi nickt mir erschöpft zu und versucht sich wieder etwas Orientierung zu verschaffen. "Werte sind so weit im grünen Bereich. Alex, vielleicht besprechen wir beide das kurz in Ruhe." Seinem Vorschlag kann ich nur zustimmen und ziehe Tom am Handgelenk neben Josi. "Wir besprechen kurz was. Du schaust so lange nach deiner Schwester. Wir stehen nur vor der Türe, wenn was ist, dann schrei einfach, okay?" Ich klopfe Tom noch kurz auf die Schulter und verlasse mit Finn dann den Raum. Ich schließe gerade die Türe hinter mir, als Finn sich gegen die Wand lehnt und seine Hand einmal quer durch sein Gesicht schiebt: "Damit hätte ich jetzt nicht gerechnet! Verdammt, wir müssen uns wirklich was überlegen, sonst müssen wir deine Freundin für die Geburt in Vollnarkose legen!" "Nein! Das kommt nicht in Frage, wenn es nicht gerade um Leben und Tod geht!", ich lehne mich neben Finn gegen die Wand und mustere den Boden. "War Josi schon immer so anfällig für Ohnmachtsanfälle?" "Nicht das ich wüsste. Vor dem Ausbruch des Drüsenfiebers, hätte Sie meiner Meinung nach nichts aus den Socken hauen können. Aber seitdem spielt ihr ganzer Körper verrückt. Die Schwangerschaft trägt jetzt auch noch ihren Teil dazu. Hmmm. Stellen wir uns schon mal auf eine Frühgeburt ein, oder?" Dieser Gedanke gefällt mir überhaupt nicht, aber wenn es so ist, will ich vorbereitet sein. "Das ist schwer zu sagen. Ich kontrolliere nachher noch den Muttermund. Wenn er fest ist und verschlossen bleibt, sieht es gar nicht so schlecht aus. Allerdings muss sie sich wirklich schonen und mehr liegen, als herumlaufen!" Finn atmet schwer auf, da er weiß, dass unsere kleine impulsive Frau schwer zu bändigen sein wird. "Meinst du, es ist irgendwie möglich, dass Du den Kaiserschnitt durchführen kannst, wenn es denn von Nöten ist? Sie kennt dich jetzt einigermaßen gut und ich habe das Gefühl, dass sie dir vertraut. Ich denke, das würde sie auch ein bisschen beruhigen!" Ich stoße mich von der Wand ab und mache mich schon bereit, zu Josi zurückzukehren.
"Ich kann das mal in der KaS besprechen. Normalerweise dürfte das kein Problem sein. Wenn halt nachher in meiner Praxis der Bär steppt, wird es eng. Wir hoffen einfach mal auf das Beste!" Auch Finn stößt sich jetzt von der Wand ab und klopft mir auf die Schulter, um mich anschließend in den Behandlungsraum zu schieben.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt