(30) Brief

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Der Kaffee ist wirklich kalt und mich schüttelt es, als ich daran nippe. Ich ziehe meine Klamotten aus, schmeiß mir ein schlabber T-Shirt drüber und kuschel mich in mein Bett. Auf meinem Handy ziehe ich mir noch ein bisschen Netflix rein und schlafe bald darauf ein.

"JOSI!" Ich schrecke wie ein Pfeil nach oben und blicke voll verwirrt in das Gesicht meines Bruders. "Spinnst du eigentlich? Wie kommst du auf die Idee, dich selbst zu entlassen? Kannst du nicht mal ein ganz normaler Mensch sein und tun, was man dir sagt?"

Da ist aber jemand mächtig sauer.

Meine Wenigkeit ist noch recht verballert und ich bekomme kein Wort raus. "TOM beruhige dich!", schreit Franco von unten. Tom atmet einmal tief durch und fährt dann leicht runter: "Sorry, aber was treibst du denn schon wieder? Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen! Ich versteh dich nicht! Phil ist auch stinkig, das kann ich dir sagen!" "Auf einen mehr oder weniger kommts auch nicht drauf an!", zucke ich mit meinen Schultern und gähne pausenlos vor mich hin. Kopfschüttelnd fordert er mich auf, nach unten zu kommen, da es Essen gibt. "Ich hab keinen Hunger!" Ich vergrabe mich in meiner Bettdecke und ignoriere jedes weitere Wort von Tom. Irgendwann verlässt er mein Zimmer und ich genieße die Ruhe, die sich leider nur Sekundenlang hält.

Alex kommt zur Türe hereinspaziert: "Komm essen!" "Ich hab keinen Hunger!", winke ich ab und hoffe, dass er sich wieder verzieht. "Ärztlichen Anweisungen hat man sich nicht zu widersetzen!", grinst er ganz böse. "Und was willst du jetzt dagegen unternehmen?", grinse ich ihn frech an.

Hätte ich nur nicht gefragt.

Er schnappt meine Füße und zieht mich quer durchs Bett. "Alex, lass das!" Kurz bin ich echt erschrocken. Er packt meine Hände und zieht mich schwungvoll nach oben, um mich dann hochzuheben. "AAAAALEX, LASS MICH RUNTER!", zicke ich ihn an, aber es hat keinerlei Wirkung. Er läuft mit mir nach unten und hat mich fest im Griff. "Hallo, ich hab nur ein schlabber Shirt und eine Unterhose an, du Freak!" "Stört mich nicht!" Am Esszimmertisch angekommen, lässt er mich auf einen Stuhl ab und die übrigen Herren können sich ihr Grinsen wieder mal nicht verkneifen. "Schön, dass du doch noch den Weg gefunden hast!", lacht Franco und bekommt von mir einen Mittelfinger als Antwort.

Gezwungenermaßen esse ich ein paar Gabeln Nudelauflauf und werde nonstop von Tom, Franco, Stephan und Alex beobachtet. "Wenn ihr darauf wartet, dass ich vom Stuhl kippe oder so, dann muss ich euch enttäuschen. Den Gefallen tue ich euch nicht! Wobei es gar keine schlechte Idee wäre, mir wurde heute ja schon offenbart, dass ich nicht reanimiert werde, wenn etwas passiert!", ich werfe Alex einen herausfordernden Blick zu. Dieser lacht nur in sein Essen rein und schüttelt den Kopf.

Als wir alle fertig sind, will ich mich in mein Bett verkrümeln, aber Franco schiebt mich auf das Sofa und wirft mir eine Decke über den Kopf: "Hiergeblieben! Wenn du dich schon selbst entlässt, dann musst du auch unsere Gesellschaft ertragen!" "Darf ich wenigstens noch mein Handy holen?" Ich bin echt genervt und lass ihn das auch spüren. "Nein, du Zicke. Ich hole es dir, sonst kommst du bestimmt nicht mehr runter..."

Ich bin viel zu leicht zu durchschauen.

Die Männer kommen ebenfalls alle ins Wohnzimmer und schmeißen sich aufs Sofa. Alex hebt wieder meine Füße an und setzt sich darunter. Ist ja nicht so, dass es hier genug Platz hätte. Mir solls recht sein. Seine Hand legt sich auf meinen Fuß und sein Gesichtsausdruck spricht Bände: "Das sind ja die reinsten Eisklötze!" "Ich durfte mir ja nichts mehr anziehen, also beschwer dich nicht!" Ich schieb noch meine rausgestreckte Zunge hinterher und widme mich dann meinem Handy.

Ach schau an, mein "Herzensmensch" hat sich auch gemeldet.

Lukas: >> Hallo mein Engel. Es freut mich, dass du es geschafft hast, aus dem Krankenhaus zu entkommen! Das zeigt mir, dass du dich auf morgen abend vorbereitest und ich dir doch nicht so egal bin! Ich freue mich auf dich! <<

"Fick dich Mann...das kannst du dir in den Arsch schieben!" Irgendwie fühl ich mich beobachtet und als ich von meinem Handy aufschaue, sehe ich lauter schockierte Gesichter. "Ich nehme an, das hab ich zu laut gesagt, oder?", ich grinse entschuldigend, leg das Handy auf die Seite und schließe meine Augen.

Ich laufe zu der Bar, an der Lukas sitzt und er drückt mir einen Kuss auf. "Hier mein Schatz, ein Drink für dich!" "Danke Lukas!" "Schön, dass du endlich zur Besinnung gekommen bist!" Er fährt mit der Hand mein Bein entlang. "Lass das!" "Wieso zierst du dich denn immer so?" "Lass deine Finger von mir, ich will das nicht!" Wutentbrannt steht er auf und schreit mich an: "Dann wird dein Bruder jetzt sterben!"

"TOM!", erschrocken wache ich auf und suche den ganzen Raum ab, bis ich Tom neben mir kniend vorfinde. "Ich bin hier, alles gut! Du hast nur geträumt!", redet er beruhigend auf mich ein. Ich fahre mir mit beiden Händen durchs Gesicht: "Scheiße!"
Meine Hände sind ganz zittrig und ich merke, wie alle Blicke auf mir liegen. "Ich muss duschen!" Tom macht mir Platz und ich gehe ins Bad und stelle mich unter die Dusche.

Dieser Psycho macht mich echt fertig! Was morgen wohl passiert? Ich hab echt schiss.

Das Wasser ist auf "Burn Like Fire" eingestellt und brennt förmlich auf meiner Haut, aber ein eiskalter Schauer nach dem anderen läuft mir den Rücken runter, wenn ich an Lukas denke. Als ich fertig bin, werfe ich mir ein Handtuch drum und gehe in mein Zimmer, um mich anzuziehen. Ich überlege mir, ob ich für den Notfall einen Brief schreiben soll, falls morgen etwas schief geht. Mein Bauchgefühl ist da ziemlich eindeutig. Somit mache ich mich ans Werk.

Hey Tom.

Ich hoffe einfach mal, dass nichts Schlimmes passiert ist, wenn du diesen Brief in die Finger bekommst.
Morgen muss ich mich mit Lukas treffen und ich weiß jetzt schon, dass ich einen Heidenärger von euch bekommen werde.
ABER: Ich muss das tun! Er hat mir angedroht, dir etwas anzutun.
Als nächstes würde er sich mit Sicherheit Alex schnappen.....
Das kann ich nicht zulassen!
Weder Dir, noch Alex oder Susi soll etwas zustoßen! Deshalb werde ich tun, was er will. Er will schließlich nur MICH und bevor drei von mir geliebte Menschen etwas zustößt, weil ich quer schieße, ergebe ich mich meinem Schicksal.
Mein Stalker heißt Lukas Grommer, falls das jetzt noch etwas bringt.
Ich habe ihn über so eine beschissene Datingplattform kennengelernt. Glaub mir, ich würde das nie wieder tun!
Anfangs war er ganz nett, wurde mit der Zeit aber immer besitzergreifender und wollte nach dem fünften Date mit mir zusammenziehen. Ich habe ihm erklärt, dass das nicht so läuft und ihm den Laufpass gegeben. Naja, fand er nicht so lustig.
Er hat angefangen, mich zu stalken, meinen Ruf bei meinen Freunden und auf der Wache zu ruinieren. Er hat mir alles versaut und mir fast alles genommen. Mit meiner Flucht nach Köln, wollte ich endlich wieder frei sein.
Aber er hat mich auch hierher verfolgt und will mir nun den Rest meiner Familie nehmen. Das lasse ich nicht zu! Mein Leben ist eh am Arsch, er wird mich nie in Ruhe lassen. Ich Liebe dich und es tut mir Leid, das ich in den letzten Jahre so scheiße war! Ich hoffe du kannst mir verzeihen und vergiss mich nicht!
In Liebe
Josi

Meine Tränen laufen ungehindert über meine Wangen und Tropfen auf das Papier. Den Brief packe ich in die Schublade meines Schreibtisch und hoffe, dass er nicht gebraucht wird.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt