(46) Der liebe Kreislauf

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"Hey Josi.... wach mal auf!"

Mein Gesicht liegt vollkommen in die Kissen gedrückt und ich will mir gar nicht vorstellen, wie ich aussehe. "Mh? Was is denn?", das Kissen dämpft mein eh schon schwaches Stimmvolumen und eigentlich will ich einfach nur weiter schlafen. "Du schläfst schon seit zwei Stunden! Alex kommt bald heim und wenn der dich in voller Montur hier liegen sieht, bekommt er bestimmt wieder nen dicken Hals!" "Flo, das hier ist doch kein geschlossener Vollzug! Außerdem weiß er ja nicht, dass ich shoppen war. Eventuell... wenn Stephan, Tom und Moritz dicht halten. Ansonsten werde ich die drei umbringen!" "Was willst du machen? Sie zu Tode gähnen? Komm jetzt, ich hab Spaghetti gemacht!" Florian versucht mich doch tatsächlich mit Essen zu locken.

Das zieht nicht mein Freund!

"Spaghetti in einer Weißweinsoße mit Krabben..."

Okay, zieht doch!

"Warum sagst du das nicht gleich?", ich kämpfe mich mühevoll von den Kissen hoch und schiebe meine Füße über das Sofa. "Du bist kreidebleich! Hoffentlich hilft das bisschen essen was!", er streckt mir die Hände entgegen und zieht mich vom Sofa hoch. Auf dem Weg in die Küche versuche ich, meine Haare mit meinen Fingern etwas zu ordnen und treffe am Küchentisch auf Paul: "Oooh, du sahst vorher auf dem Revier aber besser aus!" "Ja, keine Ahnung. Wird schon wieder werden!" Herr Wehr und ich gesellen uns zu Paul dazu und verschlingen fast den ganzen Topf seiner hervorragend gelungenen Speise. "Wenn sich heute jemand beschwert, dass ich zu wenig gegessen habe... dann weiß ich auch nicht mehr!", mein Bauch platzt fast, da die letzten acht Gabeln voller Spaghetti eventuell hätten nicht mehr sein müssen. "Nein, da hat sich heute keiner zu beschweren, Hahaha", stimmt mir Paul zu. Während unser Lachen den Raum durchflutet, kommt Alex zur Haustüre herein und begrüßt uns. Sein Weg führt ihn zuerst zu mir, um mir einen Kuss aufzudrücken und kurz darauf eine Augenbraue in die Höhe zu ziehen: "Gehts dir gut? Du sieht ziemlich mitgenommen aus!"
Paul und Flo verlassen fluchtartig den Tisch und verkrümeln sich in den Garten.

Schweine! Soll ich es ihm gleich sagen oder darauf hoffen, dass Tom und Stephan nicht petzen? Naja, vielleicht eine Teilwahrheit.

"Hatte vorher nur ein bisschen Kreislaufprobleme, aber jetzt geht es wieder. Hab mich soeben erfolgreich vollgefressen!", mein breites Grinsen hilft mir leider nicht, den besorgten Notarztblicken zu entkommen. "Was war los?" Alex zieht einen Stuhl zu sich, um sich neben mir niederzulassen. "War nur etwas unterzuckert. Hab mir dann Traubenzucker eingeworfen und geschlafen. Alles wieder im grünen Bereich!" "Hattest du nochmal Fieber und was machen eigentlich deine Rippen?" Alex' Hand wandert automatisch an meine Stirn.

Selbst wenn ich Fieber gehabt hätte, hätte ich das durch die Hitze vom andauernden Klamotten anprobieren, gar nicht wahrgenommen. "Glaub nicht! Die Rippen ziehen nur ab und an. Ist aushaltbar! Willst du auch noch was essen?", ich steh auf, um den Tisch abzuräumen, während Alex mich genauestens beobachtet: "Nein. Ich war vorhin mit Nick was essen. Sag mal, warst du unterwegs?" "Nur ein klein wenig spazieren. Frische Luft, Bewegung und so..", zum Glück geht er nicht weiter auf diese Aussage ein.
Während ich weiter aufräume, gesellt er sich zu den Männern in den Garten.

Wenigstens habe ich nur einen kleinen Teil der Wahrheit verschwiegen!

Voller Euphorie stürme ich die Treppen hoch und verkrieche mich in meinem Zimmer, um meine Beute zu begutachten: Ein schwarzes Spitzen Crop Top, eine weiße leicht durchsichtige Bluse, zwei Shirts, einen schwarzen Rock und drei Jeanshosen.

Das nenne ich mal erfolgreich! Hoffentlich geht es mir bis morgen besser, sonst kann ich mir den Partyabend echt abschminken!

Nachdem ich die Tüte mit den neuen Klamotten fürs erste in die Tiefen meines Kleiderschrankes verbannt habe, mache ich mich auf den Weg in den Garten. Die drei Männer unterhalten sich über ein paar Einsätze, bei denen ich gar nicht zuhören will. Die Sehnsucht zu Arbeiten überrollt mich jedesmal, wenn ich irgendwo ein Einsatzgeschehen aufschnappe. So lege ich mich einfach mitten ins Gras und beobachte die vorbeiziehenden Wolken.

"Hey, wir sind wieder da!" Tom's Stimme erweckt keine große Freude in mir und als Zeichen der Kenntnisnahme, hebe ich nur eine Hand in die Luft. Während wohl auch Stephan eingetroffen ist, drücke ich mir einfach nur die Daumen, damit niemand irgendetwas falsches sagt.

Ich genieße die Sonnenstrahlen, die meinen Körper wärmen und mir vorgaukeln, dass die Welt vollkommen in Ordnung ist. Irgendjemand schiebt sich in die Sonne und durch meine zusammengekniffenen Augen kann ich sehen, dass Stephan über mir hängt. "Du stehst mir in der Sonne!" "Ich wollte nur kurz schauen, wie es dir geht. Wieder alles gut?" Stephan geht in die Hocke, um mich genauer anzuschauen. "Ja, schon." "Hast du Alex von deinem kleinen Ausflug erzählt?" Ein leichtes Grinsen schleicht sich auf mein Gesicht:."Halbwegs. Von meiner Shoppingtour weiß er nichts!"
"Ich erzähle nichts, allerdings lege ich für deinen Bruder nicht meine Hand ins Feuer!", er boxt mich leicht am Kinn, steht auf und setzt sich zu den restlichen Männern.

Ich sollte meinen Blutdruck mehr im Auge behalten und öfters kontrollieren. Irgendwie gefällt mir das nicht so wirklich.

Da mir die Sonne langsam etwas zu Kopf steigt, will ich mich in den Schatten setzen und stelle mich ruckartig auf die Füße. Nach ein paar Schritten merke ich schon den kalten Schweiß und das leicht verschwommene Blickfeld: "ALEX!" In meinem Bauch breitet sich ein Wärmegefühl aus und ich weiß ganz genau, dass ich gleich wieder auf dem Boden liegen werde. Genau mit dem Einsetzen der Übelkeit werden meine Füße schwach. "Ich bin da!" Alex greift mir unter die Arme und legt mich vorsichtig auf den Boden ab, während Stephan wieder mal meine Füße in die Höhe hebt. Mir entfährt ein Stöhnen, da der Schwindel rasant zunimmt. "Schön bei uns bleiben, okay? Rede mal mit mir!" Alex klopft mir auf der Wange rum und redet wie immer energisch auf mich ein. "Mir...ist so... schwindelig!", ich kann durch die Übelkeit kaum reden und beschränke mich auf das Nötigste. "Das ist doch nicht normal. Sie klappt heute jetzt schon das zweite Mal weg!" Stephans Stimme wird durch das Rauschen in meinem Ohr begleitet und dadurch verstehe ich Alex' Antwort kaum. Er erklärt irgendwas von zu schnell aufgestanden, Kontrolle und eh geschwächt. Ich spüre schon meine Augenlider flattern, da dringen von Alex die Worte "Mund auf" an mein Ohr. Da ich mir nicht sicher bin, ob ich das wirklich gehört oder ich mir das nur eingebildet habe, öffne ich nur zögerlich meinen Mund. Alex schiebt meinen Mund etwas weiter auf und tropft mir irgendwas auf die Zunge. Der bittere ekelerregende Geschmack verteilt sich rasant in meinem Mund und nachdem Alex einen sanften Druck auf mein Kinn ausübt, weiß ich, dass ich meinen Mund wieder schließen und schlucken kann. Ich rümpfe meine Nase, da der penetrante Geschmack sich ebenfalls durch die Nasengänge zieht. "Wird es besser?" "Ja" Alex tastet nonstop nach meinem Puls und eine gefühlte Ewigkeit später scheint es wieder bergauf zu gehen. "Du stehst jetzt bitte langsam auf. Zuerst hinsetzen!" Stephan lässt meine Füße ab und nimmt stattdessen meine Hände und zieht mich in eine aufrechte Sitzposition.

"Machst du nochmal deinen Mund auf? Fünfzehn Minuten sind vorbei, du bekommst nochmal ein paar Tropfen", er führt das Fläschchen schon zu meinem Mund, den ich widerwillig öffne. Nach der neuen Welle ekelerregenden Geschmacks, darf ich endlich aufstehen und mithilfe des festen Griffes von Alex auf dem Outdoorsofa Platz nehmen. Mein Bruder empfängt mich mit offenen Armen, in die ich mich sofort hinein werfe.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt