(109) Die, die mitschwanger sind

1.5K 66 25
                                    

“Daf ipf cho hegger!" Franco hat den Mund voller Paninis und stopft sich nebenher noch etwas von seinem Vorspeisensalat in den Mund. Von der Antipasti, der Bruschetta, der Melonen die mit Parmaschinken umwickelt sind und von den Käsepizzastangen kann er die Finger auch nicht lassen. Gut, wir haben mit den Vorspeisen vielleicht etwas übertrieben, aber Stephan meint: "Man lebt nur einmal und deshalb futtern wir jetzt, als gäbe es keinen Morgen mehr!"

Anscheinend funktioniert das mit dem "mitschwanger" bei zwei von sieben schonmal ausgezeichnet!

"Boah, keine Ahnung, ob da nachher auch noch ein Krümel meiner Nudeln reinpasst!", ich bin jetzt schon pappsatt und die Cannelloni, mit Spinatfüllung, werde ich bestimmt mit nach Hause nehmen müssen.

Vielleicht.

"Quatsch! Das war jetzt erst für die Kinder und der Hauptgang ist für dich!" Stephan lacht herzhaft auf und nippt an seinem Lambrusco.

Der Besitzer des kleinen italienischen Restaurants, den Franco natürlich kennt, tritt an unseren Tisch und strahlt über beide Ohren: "Franco, wo hast du bisher diese bezaubernde Frau versteckt?" "Antonio, die ist vergeben. Also versuche es erst gar nicht!" Unser kleiner Italiener schafft es doch tatsächlich, für zwanzig Sekunden kein Essen in seinen Mund zu schaufeln. "Ach Franco, man darf so hübsche Frauen nicht die kalte Schulter zeigen, sondern muss sie mit Komplimenten überhäufen! Ich hoffe, es schmeckt euch!" Antonio zwinkert mir zu und widmet sich Stephan. Anscheinend kennen die Beiden sich auch: "Du warst lange nicht hier! Ich wollte schon eine Vermisstenanzeige aufgeben, mein Freund". "Ich habe so die Befürchtung, dass wir uns in den nächsten paar Monaten sehr oft sehen werden hahahaha", auf diese Aussage hin, wirkt der Besitzer etwas irritiert:
"Nicht, dass es mich nicht freuen würde, aber was ist der Grund dafür?".
"Dieses bezaubernde Wesen in unserer Mitte ist schwanger und da wir sie in allem Tatkräftig unterstützen wollen, werden wir unsere Bäuche auch etwas wachsen lassen!" Stephan schiebt sich ein Stück Bruschetta in den Mund und verdreht genüsslich die Augen. "Oooooh, Herzlichen Glückwunsch. Da muss aber noch einiges passieren, junge Dame. Das Kind will gut versorgt werden!", gespielt mahnend erhebt er den Zeigefinger.

"Die Kinder, Antonio. Wir bekommen Zwillinge!" Franco korrigiert seinen italienischen Freund, während dem fast die Augen aus dem Kopf fallen:
"Ist das deine Freundin?" "Neeeeeein. Aber sie wohnt in unserer WG und deshalb werden das automatisch UNSERE Kinder sein!", er winkt ab und isst unbeirrt weiter. Antonio schlägt Franco auf die Schulter und lacht herzhaft auf: "Ich dachte schon, sie leidet an Geschmacksverirrung!"
Franco hört auf zu kauen und mustert Antonio gespielt ernst: "Ich kenne noch ein paar andere gute Italiener, die sich ebenfalls über Umsatz freuen würden!"
"Ach, sei nicht immer so ein Griesgram, du weißt dass das nur Spaß war! Jetzt lasst es euch weiterhin schmecken. Ich muss euren Hauptgang zubereiten!" "Nur keine Hektik! Sie können sich ruhig noch eine halbe Stunde Zeit lassen, wir müssen die ganzen Vorspeisen doch erst einmal verdauen", warum mich Stephan und Franco jetzt anschauen, wie eine Geistesgestörte, kann ich mir überhaupt nicht erklären. Antonio versichert mir, dass er sich etwas Zeit lassen wird und verschwindet wieder in der Küche.

Hier muss ich öfter herkommen! Leckeres Essen, gemütliche Atmosphäre und was zum Lachen, inklusive selbstbewusstseinspuschenden Worten.

"Schaut mal, das hab ich euch noch gar nicht gezeigt. Man sieht kaum was, aber zumindest haben es beide bisher geschafft!", ich krame in meiner Handtasche herum und ziehe meinen Mutterpass heraus, um ihm das Ultraschallbild zu entnehmen. Die Männer wischen sich ihre Hände an einer Serviette ab und nehmen das Bild entgegen. Stephan kann es ebenso wenig glauben, das daraus mal zwei Menschen werden sollen und Franco ist seltsamerweise überaus gerührt. Man könnte wirklich fast meinen, dass die Beiden die Väter sind. Allerdings macht mich die überaus unerwartete Anteilnahme wahnsinnig Glücklich, denn es hätte wirklich auch anders kommen können.
"Ab wann können wir denn mit dem Shopping anfangen?" Franco lehnt sich in seinem Stuhl zurück und hält die Hände auf seinen Bauch. "Hmmmm. Nicht allzu früh. Finn hat gesagt, dass in den ersten drei Monaten die Gefahr noch am größten ist, dass ein Zwilling es vielleicht doch nicht schaffen könnte. Vielleicht können wir so ab dem fünften Monat langsam anfangen. Weiß nicht so genau", mit dieser Frage bin ich wirklich etwas überfordert.

Stephan stupft mit dem Zeigefinger gegen meinen Bauch: "Die packen das Beide! Das sind Mayer/Hetkamp-Kinder... da ist eins sturer als das andere und darum kämpfen die sich da durch!" Stephan verblüfft mich immer mehr. Ich schätze meine Schwangerschaft schweißt uns alle nochmal ein Stück weiter zusammen. "Ich denke, es gibt eine Zicke und einen eingebildeten Sack. Hahaha" Franco's Worte bringen uns zum Lachen.."Weißt du, bei der Geburt geht es dann so ab: Die Zicke: Ich hab noch gar keinen Bock. Können wir das nicht später machen? Mimimimi. Und der eingebildete Sack: Macht Platz, jetzt komme ICH!” Franco verstellt seine Stimme dermaßen passend, worauf Stephan und ich bittere Tränen lachen. "Ach quatsch, ist nur Spaß. Die werden zuckersüß und durch unseren Einfluss, werden die Zwillis Charakterstark und facettenreich ohne Ende!"

Als der Hauptgang gebracht wird, haben wir noch nicht mal die ganzen Vorspeisen gegessen und stöhnen gequält vor uns hin. Wir beschließen, ein paar Bissen davon zu essen und den Rest einfach mit nach Hause zu nehmen.

Wir quatschen noch bis tief in die Nacht und auch Antonio gesellt sich zu später Stunde noch zu uns dazu. Letztendlich essen wir dann neben den Gesprächen doch noch unsere Speisen, da der Magen zwischenzeitlich Platz gemacht hat.

Gegen halb drei Uhr morgens lehne ich halb schlafend gegen Stephan, der einen Arm um mich gelegt hat. "Franco, ich glaube, wir sollten langsam gehen. Josi ist gleich total weggebeamt! Mich wundert es schon fast, das sie so lange durchgehalten hat". Nach Zustimmung des Genannten, werde ich zu den Halb Lebenden zurückgeholt und wir machen uns auf den Weg zum Auto. Die Autofahrt über muss ich wirklich kämpfen, dass ich nicht in ein Koma verfalle, aber ich schaffe es gerade noch so, in meinem Bett in MEINEM Zimmer anzukommen. "Sicher, dass du nicht zu Alex willst?" Stephan riecht wahrscheinlich schon den nächsten Streit, aber das ist mir egal. Alex' Reaktion war heute wirklich unter aller Sau und er hätte etwas verständnisvoller reagieren können.
"Ja, ganz sicher. Danke ihr zwei! Das war ein wunderschöner Abend und... *Gähnen* ....und das....müssen... *Gähnen* bald wieder...", ich schaffe es nicht mehr, den Satz zu beenden, denn die Müdigkeit überrollt mich mit einer gnadenlosen Wucht, gegen die ich nichts mehr ausrichten kann.

In kompletter Montur, mit Schuhen an den Füßen, Makeup im Gesicht und Handtasche in der Hand, schlafe ich in meinem Bett ein.

Die Nacht über quält mich ein Albtraum nach dem anderen und jedesmal kommt diese bescheuerte Melissa darin vor. Als ich wieder mal schweißgebadet aufwache, knipse ich mein Nachtlicht an und mustere das Zimmer. Wie ich feststelle, haben mir die Männer die Handtasche weggenommen und die Schuhe sowie den Pullover ausgezogen. Hätte ich den warmen Pulli noch angehabt, wäre ich vermutlich an Überhitzung gestorben.

Mein Wecker zeigt sechs Uhr dreizehn an. Ich laufe schnell nach unten in die Küche, um meinen verdorrten Mund etwas zu befeuchten und schaue gleich mal nach, wie der Herr Notarzt heute arbeiten muss: Tagschicht. Das heißt allerdings auch, dass er bald aufstehen wird, also muss ich schnell wieder hoch. In meinem Zimmer angekommen, entferne ich noch schnell die kurze Hose von meinem Körper und schlüpfe wieder unter die Decke. Glücklicherweise kann ich ohne Umwege direkt wieder einschlafen.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt