(113) Beobachtungsobjekte: Melissa und Alex

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Ich entschließe mich ein ganzes Stück weiter weg von Alex' Auto zu parken, damit er nicht unbedingt bemerkt, dass wir in unmittelbarer Nähe sind.

"Und jetzt? Wie gehen wir vor? Wir können uns ja nicht einfach da rein setzen. Der erkennt uns doch gleich", plötzlich kommt mir die Idee echt bekloppt vor und ich frage mich, was wir hier überhaupt machen. "Schau mal, da drüben ist eine Eisdiele. Da setzen wir uns hin und können in Ruhe beobachten. Dementsprechend haben wir nicht einmal Phil angelogen. Siehst du. Wir sind anständige Freundinnen!", mit einem Augenzwinkern zieht sie mich hinter sich her.

Wir sind sehr bedacht darauf, das Tony's weitläufig zu umrunden.

Zur Sicherheit setzen wir uns nach drinnen, da man uns durch die Spiegelung im Glas kaum erkennen kann. "Schau mal, da drüben steht er. Der wartet wohl noch auf die Ärztin." Ich folge Susi's Blick und sehe, wie Alex auf seine Armbanduhr starrt. Nebenher geben wir bei dem Kellner unsere Eisbestellung auf und unterhalten uns, immer mit einem Auge auf Alex gerichtet. Melissa kommt mit ganzen fünfunddreißig Minuten Verspätung an.

Alex ist nicht sonderlich erfreut, das sieht man ihm sehr gut an. Die aufgetakelte Tussi hat sich eher für ein Drei-Sterne-Restaurant zurecht gemacht, als für das kleine gemütliche Italienische Restaurant: Sie trägt ein schwarzes, seeeeehr enges und sehr kurzes Kleid, mit einem Ausschnitt bis gefühlt zum Bauchnabel. Alex hingegen hat eine stinknormale dunkelblaue Shorts und ein schwarzes Poloshirt an. Da die gute Frau eh schon größer als Alex ist und sie mit diesen High Heels fast mit der Höhe eines Baumes mithalten kann, drückt sie meinem Freund bei der begrüßenden Umarmung schon fast die Brüste ins Gesicht.

Dass Alex sein Gesicht mit zusammengezogenen Augenbrauen wegdreht, gefällt mir sehr gut.

Der Kellner bringt uns zwischenzeitlich unsere Eisbecher vorbei, die wir fast schon sabbernd entgegennehmen.

Gerade scheinen die beiden zu diskutieren, ob sie drin oder draußen sitzen sollen. "Ich wäre ja für draußen, dann haben wir die zwei voll im Blick!" Susi stimmt mir zu und starrt weiterhin gebannt auf Melissa und Alex. "Das ist besser als Kino!" Susi verteilt ungewollt das halbe Eis über den Tisch, da sie nicht auf ihren Löffel achtet und einfach nur das Metallding volllädt und sich in den Mund schiebt.
Nachdem unsere beiden zu Beobachtenden die Speisekarte in der Hand haben, scheint Melissa Alex zuzutexten und dieser schüttelt vehement mit dem Kopf. "Was will die denn? Alex bekommt ja bald ein Schleudertrauma, wenn der so weiter macht!" Eigentlich rede ich mehr mit mir selbst, aber Susi gibt von sich, dass sie das auch nicht so genau weiß.

Als wir unsere Matschepampe, Eis kann man das ja nicht mehr nennen, fertig gegessen haben, bekommen die Beiden ihre Getränke. Alex eine Cola, die Tussi ein Wasser und mittig vom Tisch wird noch eine Weinflasche mit zwei Gläsern abgestellt. Der Kellner öffnet die Flasche und schenkt zuerst der Frau das Glas voll, als er bei Alex ansetzen will, macht er eine eindeutig ablehnende Geste, doch die blöde Tussi zieht seine Hand weg und nickt dem Kellner zu. Kurze Zeit später hat auch Alex ein volles Glas Wein vor der Nase. Die zwei stoßen zusammen an, wobei Alex einen Gesichtsausdruck aufgelegt hat, der mir verdeutlicht, dass er jetzt schon die Schnauze voll hat. "Oh, der ist geladen!" Susi interpretiert völlig richtig.

Um das überbrückende Gespräch bis zum Essen zu beschreiben, braucht es nicht viele Worte. Melissa quatscht ununterbrochen und Alex lacht ab und zu, spricht aber kaum ein Wort.

Während ich meine dritte Cola in mich rein leere und vor lauter Coffein schon fast im Dreieck springe, wird die Lage bei Tony's schon etwas ernster. Mein Hassobjekt war mittlerweile auf der Toilette und setzt sich anschließend direkt neben Alex, anstatt wie bisher gegenüber. Mein Blut kocht und am liebsten würde ich dorthin rennen und ihr meine Handtasche ins Gesicht klatschen. Susi tauscht während meines Genörgel meine Cola mit ihrem Fanta aus. Auf meinen fragenden Blick hin sagt sie nur, dass es so besser sei.

Alex' Pizza und "zu tötendes Objekt's" Nudeln werden gebracht, als ich kurz auf die Toilette springe, um meine Blase zu erleichtern. Bei meiner Rückkehr hält Susi meinen Arm fest:
"Flipp jetzt nicht aus, aber Melissa stochert schon die ganze Zeit in der Pizza rum und wirft Alex nonstop ein Lächeln zu. Sie hat aber auch schon das zweite Glas Wein intus!" "Oh, das kann er gar nicht leiden, wenn man ungefragt von seiner Pizza klaut. Aber schau mal, er hat den Wein nicht mehr angerührt!" Ich bin wirklich stolz auf den zukünftigen Papa. Er trinkt eigentlich auch kaum was und wenn, dann trinkt er gerne ein kaltes Bier und keinen Bock warmen Rotwein. Kann Sie ja nicht wissen, ist aber auch gut so!

Als Melissa abermals ihre Gabel in Alex' Pizza steckt, legt er sein Besteck auf den Tisch und scheint satt zu sein.
Besagte verzieht das Gesicht und scheint seine Reaktion nicht zu verstehen. "Wie gerne würde ich jetzt wissen, was die reden!", ich seufze vor mich hin, jedoch habe ich keinerlei Bedenken mehr, dass mein Freund immer noch der Meinung ist, dass das Essen rein freundschaftlich ist. Spätestens als sie ihre Hand auf seine legt und ihm fast die Augen aus dem Kopf fallen, muss er es kapiert haben.

"Ach, das ist wirklich wunderbar, wie die sich dort zum Affen macht! Wie gut, dass ihr euch davor noch versöhnt habt!" Susi stößt mich mit ihrer Schulter an und grinst schelmisch.
"Ich glaube fast, dass es auch ohne Versöhnung so abgelaufen wäre. Meinst du nicht? Ich fühle mich jetzt fast schon scheiße, das wir ihm nachspioniert haben... Aber ansonsten wäre ich vermutlich zuhause tausend Tode gestorben!" "Die Ärzte haben gesagt, du sollst dich nicht aufregen, also... Deshalb sitzen wir doch hier... damit du dich zuhause nicht verrückt machst und aufregst!" Susi findet auch fast immer eine passende Erklärung für unsere bescheuerten Verhaltensmuster.

"Wie läuft es eigentlich bei dir und Phil?" Da Gegenüber gerade nichts spannendes passiert, lenke ich zwischendurch auf ein anderes Thema. "Sehr gut. Der ist einfach so heiß, ich kann mich keine fünf Minuten mit ihm alleine im selben Raum aufhalten, ohne ihn in irgendeiner Weise anzufassen! Zum Glück muss er nicht oben ohne arbeiten, den würden sie auf Arbeit glatt als Notfall einstufen! Hahahaha" Susi fällt fast vom Stuhl vor Lachen, während ich nur mit dem Kopf schüttle:."Was geht denn bei dir? So rattig warst du doch noch nie. Mach ihn ja nicht kaputt, okay?", es gibt anscheinend doch noch Momente, in denen mich Susi überrascht. "Keine Ahnung. Bei ihm schaltet mein Gehirn irgendwie aus. Phil ist aber auch nicht ganz so unschuldig, wie er immer tut! Er hat gestern....", ich unterbreche sie schnell: "Bitte nichts Verstörendes erzählen! Ich muss dem Mensch noch täglich ins Gesicht gucken können."
"Hmmm, du hast recht. Okay gut, ich lass es. Aaaaber, so wie Phil, war bisher noch keiner. Ich bin froh, dass wir es gewagt haben!" Susi ist wirklich glücklich, das erkennt man an ihren extrem funkelnden Augen und dem breiten Lächeln..Hätte sie keine Ohren, würden sich die Mundwinkel am Hinterkopf berühren.

"Oh, guck mal!" Susi zeigt rüber zum Tony's..Alex bezahlt gerade und scheint etwas angeregter mit Melissa zu diskutieren. Diese zieht eine Fresse bis zum Boden und scheint mehr als angepisst zu sein. "Verdammt, jetzt haben wir nicht aufgepasst", ich verfolge gespannt wie Alex aufsteht, den Stuhl an den Tisch schiebt und kopfschüttelnd den Tisch verlässt.

"Uh. Er lässt sie einfach sitzen, hahahaha. Wie geil ist das denn? Ich glaube, er hat ihr seinen Standpunkt klar gemacht!" Susi holt so dermaßen mit der Hand aus, dass die komplette Fanta in meinen Schoß fällt und sie beim Rettungsversuch das Cola hinterher schickt. "Oh sorry. Das... ist jetzt blöd", sie kommt dann jetzt noch auf die blöde Idee, mir ungefähr eintausend Servietten zwischen die Beine zu drücken, um die Flüssigkeit irgendwie aufzuhalten. Allerdings ist es dafür schon zu spät.

Neben uns steht plötzlich der Kellner, der uns etwas entsetzt anstarrt. Naja, eine Frau drückt der anderen Servietten in den Schritt und der ganze Boden ist nass. Wie mag das wohl aussehen?

Mit etwas geröteten Wangen bitten wir um die Rechnung und lassen auch extra Trinkgeld springen. Gegenüber verlässt eine stinksaure Melissa ihren Tisch. Momentan möchte ich ihr nicht über den Weg laufen, womöglich würde sie alles und jeden platt machen, der ihr in den Weg kommt.

Susi und ich verlassen das Eiscafé und laufen zu meinem Auto. "Sollen wir echt schon zurück?", anscheinend hat Madame noch keine Lust auf eine Rückkehr, aber ich würde liebend gerne wenigstens das klebrige Zeug zwischen meinen Beinen loswerden.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt