(59) Eskalation

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“Jetzt hätte ich schon mal gerne gewusst, warum meine Freundin total unterzuckert hier in diesem Auto sitzt und nicht zuhause liegt UND SICH AUSRUHT!", zum Ende hin wird er dezent lauter. "Das war ja nicht....." "Was war es nicht? Jetzt hörst du mir mal zu: Du isst absichtlich zu wenig, beziehungsweise gar nichts! Du hörst nicht darauf, wenn ein Arzt zu dir sagt, dass du dich ausruhen sollst, sondern gehst schwimmen und fährst in der Gegend umher. Dann fällst du fast in ein Zuckerkoma und denkst, dass alles okay ist. Was stimmt mit dir nicht?", so wütend habe ich Alex noch nie gesehen. Sein Gesicht hat sämtliche sanften Züge verloren und die Wut ist ihm direkt in seinen Augen abzulesen.

Ich muss schwer schlucken, da ich ihm gerne ins Gesicht schmettern möchte, dass er mein Freund und nicht mein Arzt ist. Allerdings muss ich mir auch eingestehen, dass er schon ein bisschen recht hat. Temperament siegt über Vernunft. "Dann können wir ja jetzt wieder heim fahren!", mit verschränkten Armen starre ich auf meine Füße und versuche meine Tränen zu unterdrücken. "Du fährst gar nirgends mehr hin! Jetzt bist du hier und bleibst auch hier!", der Herr meint auch, dass er Gott ist und jeder nach seiner Pfeife tanzt. "GANZ BESTIMMT BLEIB ICH NICHT HIER! DA STELLE ICH MICH LIEBER VOR EINEN SCHIEßWÜTIGEN PSYCHOPATHEN, DER FREUT SICH WENIGSTENS MICH ZU TREFFEN. IN JEGLICHER HINSICHT!", die Aufregung schlägt negativ auf mein Gemüt und raubt mir die restlichen Kräfte. Ich könnte direkt in den Fußraum kotzen und will einfach nur noch nach Hause.

Franco streicht über meinen Arm und versucht mich zu beruhigen: "Alex meint das nicht so! Er macht sich doch nur Sorgen und das ist berechtigt. Aber gerade weil du seine Freundin bist, reagiert er jetzt etwas über. Er will dich doch nur beschützen!" "Ich brauch keinen Aufpasser! Kann selber auf mich aufpassen!", ich begrüße mein altes Ich und stoße wieder alle von mir weg. Die Blicke von Alex und Franco brennen beidseitig auf mich ein.

"SUSI! WIR FAHREN JETZT HEIM! ZUMINDEST ICH SCHEINE HIER UNERWÜNSCHT ZU SEIN!", während meinem Gebrüll schaue ich Alex direkt in die Augen. Dieser hat jetzt wohl auch die Schnauze voll von mir, steht auf und läuft wütend zum Nef. "Josi! Hör auf! Sei doch jetzt nicht wieder so stur. Manchmal bist du echt furchtbar.." Franco steigt jetzt ebenfalls aus dem Auto aus und setzt sich zu Alex ins Nef. "Josi, was ist denn los?" Susi steckt ihren Kopf zu mir in den Innenraum und mustert mich skeptisch. "Wenn du hier bleiben willst, dann ist es okay. Ich fahre auf jeden Fall nach Hause. Am besten auch gleich direkt in meine alte Wohnung!", schmollend versuche ich mich aus dem Auto raus zu hieven und merke erst jetzt wie wackelig ich auf den Füßen bin. "Josi, das bringt doch jetzt nichts. Lass uns mit ins Quartier fahren. Ich bin echt durch und du kannst eh nicht mehr fahren!" "Wer sagt das?", ich taste mich Stück für Stück um das Auto herum und schaffe es gerade so auf den Fahrersitz. Phil lehnt sich gegen die B-Säule mit verschränkten Armen und mustert mich kritisch: "Wenn du jetzt gedenkst zu fahren, dann rufe ich wirklich die Polizei! Das ist unverantwortlich und saugefährlich!" "Ach, lasst mich doch in Ruhe!", ich ziehe die Türe langsam zu, damit Phil noch die Chance hat auszuweichen.

Da mich die Müdigkeit total überrollt, sich meine Gliedmaßen mehr tot als lebendig anfühlen und ich einfach die Schnauze voll habe, lege ich meinen Kopf auf dem Lenkrad ab und schließe meine Augen. Nach nicht allzu langer Zeit öffnet sich die Fahrertüre wieder:
"Du nimmst sie zu euch rüber und ich fahre dann hinterher!" Unter meinen Kniekehlen und an meinem Rücken spüre ich starke Arme, die mich vorsichtig aus dem Auto rausziehen. Mittlerweile ist es ziemlich kalt geworden und mein Körper überzieht eine dicke Gänsehaut, deshalb drücke ich mich in meinem Halbschlaf etwas näher an den Körper, der mich trägt. Eigentlich will ich mich gerne wehren und wirklich nach Hause fahren, jedoch fehlt mir die Kraft, überhaupt meine Augen zu öffnen.

Nachdem ich auf der Rückbank eines Autos abgesetzt werde, wird mir eine schwere Jacke über die Schultern gelegt. Ich ziehe die Jacke eng an meinen Körper, worauf mich sofort eine wohlige Wärme empfängt. "Josi, nicht erschrecken. Ich muss dich kurz anschnallen!" Alex' Stimme klingt schon wieder versöhnlicher, aber ich weiß, dass das morgen schon wieder ganz anders aussehen kann.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt