(63) Verabschiedung Andreas und Simon

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Josis Sicht:

Nachdem ich meinen Magen mit Essen und Süßigkeiten gefüllt habe und mein Zuckerwert zufriedenstellend ist, habe ich beschlossen, wieder zurück zu laufen.

Was soll ich denn hier auch alleine? Ich kann die ätzend gute Laune der Menschen nicht ertragen und möchte mir weitere Mordgedanken ersparen.
Was ich denen jetzt allen auf einmal angetan habe, weiß ich auch nicht so genau, aber es ist ja schön, wenn sich alle einig sind.... Sollen sie doch an ihrem gemeinsamen Glück ersticken.

Unterwegs komme ich von meinem ursprünglichen Weg ab, da mich ein paar Schaukeln auf einem Spielplatz anlächeln. Kurzerhand steuere ich auf eine der Schaukeln zu und lass mich für einen kurzen Moment in die Gefühlswelt der Kinder ein.

An nichts denken. Keine Sorgen. Einfach nur den Wind im Gesicht spüren und die einzige Angst darin bestehen zu lassen, den richtigen Zeitpunkt für den perfekten Schwung zu verpassen.

Wie schön wäre es… Hmmmm, nein... Meine Kindheit war nicht gerade prickelnd, genauso wenig wie mein jetziges Leben. Wird das mal noch irgendwann was?

Nachdem es mir von dem ganzen Geschaukel dermaßen übel wird, stoppe ich und versuche, die gefühlte Tonne gebrannte Mandeln in meinem Magen zu belassen. Ich schlage den Weg, nahe der Hauptstraße, wieder ein und sehe überhaupt gar keinen Grund mich zu beeilen. Im Quartier ist keine Sau, auf der Wache kenne ich niemanden und die, die ich kenne, amüsieren sich auf dem Schützenfest.
Läuft. Wenn auch Rückwärts den Berg runter. Aber es läuft!

Da ich kein Handy und keine Uhr besitze, weiß ich nicht einmal, wie viel Uhr wir es haben. Ich hasse es eigentlich so zeitlos in der Gegend umher zu irren, aber es lässt sich nicht ändern. Zumindest haben es meine Klamotten geschafft, nur noch dezente Feuchtigkeit auszustrahlen.

Vor dem Quartier scheint ein reges Treiben zu herrschen und ich frage mich, warum die alle so aufgescheucht in der Gegend herumrennen. Die Antwort, wird mir sogleich als Frage um die Ohren geschmettert: "Wo warst du denn bitteschön?" Phil steht ganz aufgeregt vor mir und scheint irgendwie sauer zu sein. "Ich bin hierher gelaufen! Wusste nicht, dass ich mich, im Gegensatz zu euch, abmelden muss!", ich zucke desinteressiert mit den Schultern.

Simon und Andreas, die ein Stück abseits stehen, fangen an zu Grinsen.

"Ja, aber du brauchst doch nie und nimmer anderthalb Stunden um hierher zu laufen!" Franco hat schon recht, aber er weiß ja nichts von meinem Spielplatzbesuch. "Ich war schaukeln!" "Du warst was?" Franco sieht mich an, als hätte ich gesagt, dass ich eine Bank überfallen hätte. "Schaukeln... auf einer Schaukel, die auf fast jedem Spielplatz zu finden ist. Dürft denn nur ihr euren Spaß haben?", meine ruhige Tonlage überrascht mich irgendwie selbst. Mir kommt kein weiterer Kommentar zu Ohren und deshalb laufe ich zum Eingang des Quartiers und begebe mich auf das Zimmer. Das viele Laufen hat mich doch irgendwie fertig gemacht und darum lege ich mich noch eine Weile auf das Bett, um mich auszuruhen.

Es dauert nicht lange, bis Andreas die Türe öffnet: "Hey, darf ich kurz reinkommen?" "Klar, wenns dich nicht stört, dass ich hier auf dem Bett rumliege, dann tu dir keinen Zwang an!" Er kommt auf mich zu und kniet sich direkt neben meinen Kopf: "Wie geht's dir?" "Gut! Mein Zuckerwert war heute auch wieder im Normalbereich. Nach dem Essen hatte ich einen Wert von hundertdreißig!" Andreas lächelt mich zufrieden an: "Das hört sich gut an. Ich wollte mich von dir verabschieden, ich fahr jetzt nach Hause. Pass auf dich auf und versprich mir, dass du dich durchchecken lässt, okay?" "Ja, versprochen. Ich habe selbst keine Lust dauernd so schlapp in einer Ecke zu hängen. Komm gut Heim. Hat mich gefreut dich kennenzulernen!", ich grinse ihm freundlich entgegen, was er sofort erwidert. "Wenn du fit genug bist, sehen wir uns nächstes Jahr vielleicht als Kollegen, mh?" "Vielleicht, schauen wir mal!", ich hoffe es sehr, aber falls sich der Verdacht auf Herzprobleme bestätigen sollte, dann habe ich keine Ahnung, wie es weitergehen soll. "Tu mir einen Gefallen. Lass dich nicht unterkriegen!", er streckt mir seine Faust entgegen, worauf ich mit meiner Faust kontere: "Niemals!" Mit einem Augenzwinkern verlässt er den Raum und hinterlässt eine bedrückende Stille.

Boah, zuhause wartet bestimmt mein griesgrämiger Bruder auf mich. Vielleicht biege ich auf der Autobahn auch aus Versehen falsch ab, hahaha. Für blöd genug halten die mich ja eh alle.

Kaum habe ich meine Gedanken beendet, platzt Alex in den Raum herein und teilt mir beiläufig mit, dass wir jetzt aufbrechen. Da ich eh nichts besitze, brauche ich auch nichts zu packen und verlasse noch vor Alex das Gebäude.

Die ganze Meute läuft noch geschlossen rüber in die Wache, um sich von allen zu verabschieden. Da ich ausser Simon und Andreas niemand kenne, spare ich mir diesen Weg und widme meine Aufmerksamkeit Simon, der gerade aus dem Gebäude kommt: "Sind die alle drüben?" "Jo. Ich warte hier, bis die wieder da sind!", ich seufze laut auf und tippe mit meinem Flip Flop auf dem Boden herum. Simon packt mich am Ellenbogen und zieht mich um die Ecke des Gebäudes. Verwirrt und leicht geschockt starre ich ihn an und frage mich, was er vor hat. "Hier, wir rauchen noch eine schnelle. So als Verabschiedung!", er hält mir seine Zigarettenschachtel hin, worauf ich mir schnell eine Zigarette nehme und sie mir anzünde. "Keine Sorge, ich habe die Wache im Blick. Ich sag dir Bescheid, wenn die wieder kommen!" "Das ist fast wie früher, wenn man Ausschau nach Mama und Papa halten musste".” Simon steigt in mein Lachen mit ein, worauf sich natürlich wieder mein Hustendrang meldet. Ich komme fast nicht mehr aus dem Hustenanfall raus, darum schlägt mir Simon ein paar mal auf den Rücken: "Na, wer wird denn da gleich sterben? Diese Art von Verabschiedung hatte ich nicht gemeint!", dieser lustige Idiot bringt mich wieder lauthals zum Lachen und ein kleines bisschen wünsche ich mir, dass er auf unserer Wache arbeiten würde, denn dann wäre eine Menge Spaß bei den Einsätzen garantiert.

"Ohje, Papa kommt. Schnell weg mit der Kippe!" Simons Augen werden so groß wie Tomaten und mit einer scheuchenden Handbewegung deutet er mir an, mich zu beeilen. Gerade rechtzeitig lehne ich mich locker und lässig gegen die Hauswand, als Alex seinen Kopf um die Ecke streckt und mir kurz und kühl mitteilt, dass wir aufbrechen. Simon überrascht mich mit einer schnellen Umarmung: "Hat mich gefreut und pass auf dich auf!"
Ganz perplex schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und erwidere somit die Umarmung: "Danke, für alles. Hat mich auch gefreut! Machs gut. Vielleicht sehen wir uns mal wieder!"
"Würde mich freuen!", auch er verlässt mich mit einem Augenzwinkern und winkt dem Rest zum Abschied einfach nur zu.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt