(118) Ignorieren ist angesagt

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“Josi, mach endlich die Türe auf! Ich muss pinkeln!" Tom quengelt vor der Türe rum, während ich mich langsam auf die Beine quäle. Das vielleicht irgendjemand mal aufs Klo sollte, habe ich gar nicht bedacht und darum bin ich dann auch bereit, Tom rein zu lassen.

Sobald er das Badezimmer betreten hat, verlasse ich es und spähe erst Mal die Gegend aus. Auf der Terrasse scheint irgendjemand zu sitzen und in der Küche klappert auch irgendeine Person herum.

Wohin jetzt? Ich will meine Ruhe....
Alex hängt bestimmt wieder oben im Bett ab und wenn ich in meinem Zimmer bin, werde ich schneller genervt als mir lieb ist. Zu Susi würde ich mich liebend gerne dazulegen, aber sie hat ja recht, anstecken sollte ich mich nicht unbedingt. Dann gehe ich halt in Tom's Zimmer, da habe ich bestimmt eine Weile meine Ruhe.

Nachdem ich Tom's Behausung betreten habe, schmeiße ich mich aufs Bett und hülle mich in seiner Bettdecke ein. Mir geht's tatsächlich richtig dreckig, aber das war es mir doch irgendwie wert! Während ich vor mich hin sterbe, öffnet sich deutlich zu früh die Zimmertüre. "Ach, hier bist du. Wir suchen dich schon wie verrückt!" Tom betritt zu meinem Leidwesen sein Zimmer und bringt der Stimme nach, auch Phil mit. "Wie geht es dir, Josi?" Phil setzt sich neben mich und begutachtet mein Gesicht. "Ehrlich? Beschissen! Ich habe solche Magenschmerzen... Aber ich weiß, ich bin selbst Schuld. Hätte vielleicht nicht beide an einem Tag zusammenscheißen sollen!" "Wie jetzt, beide?" Phil ist etwas verwirrt. "Na, ich war erst im Krankenhaus und habe mir Melissa vorgeknöpft und dann habe ich Alex eine Abreibung verpasst!" Wie auf Knopfdruck überkommt mich eine Schmerzwelle und ich stöhne leise auf.
"Du hast dir Melissa vorgeknöpft? Ernsthaft?" Herr Funke wirkt fast schon belustigt. "Ja klar. Was denkst du denn? Wenn ab morgen ein Gerücht rumgeht, das eine Irre im Wartebereich der Notaufnahme rumgeschrien hat, dann stimmt das. Das war ich!", mein ernster Gesichtsausdruck bringt Phil zum Glucksen, jedoch geht er nicht weiter auf dieses Thema ein. "Ich mach dir jetzt einen Kamillentee und du verzichtet vorerst auf Nahrung. Außerdem bleibst du hier liegen und ruhst dich aus!" Mit einem mahnenden Blick verlässt er das Zimmer, worauf Tom neben mir Platz nimmt.

Auf eine Art würde ich gerne wissen, wie es Alex geht, traue mich aber nicht, Tom zu fragen. "Es geht ihm wieder besser. Allerdings macht er sich lauter Vorwürfe und bereut es voll und ganz, dass er nichts gesagt hat!" Als könnte mein Bruder Gedanken lesen, gibt er mir die gewünschten Informationen. "Interessiert mich nicht! Sorge einfach dafür, dass er nicht in meine Nähe kommt. Heute habe ich wirklich keinen Nerv mehr für diesen Mensch! Darf ich in deinem Bett liegen bleiben?", meine gespielte Desinteresse nimmt Tom einfach so hin und fängt leicht an zu grinsen, als ich eine Schmolllippe ziehe: "Stephan hält ihn schon die ganze Zeit in Schach. Natürlich darfst du hier bleiben, wo du ja eh schon hier liegst, hahahaha. Ich bring dir nachher deinen Laptop, dann kannst du dir wenigstens deine Zeit vertreiben", nach einem kleinen Schmatzer auf meine Stirn, verlässt auch Tom das Zimmer.

Dreißig Minuten später habe ich eine Tasse Tee neben dem Bett und den Laptop auf meinen Beinen stehen. Ich ziehe mir erst den Film "Ziemlich beste Freunde" rein und anschließend folgt "Dieses bescheuerte Herz" und insgeheim wünsche ich mir, dass jetzt Susi mit mir zusammen diese Filme anschauen könnte und nicht drei Zimmer weiter, ebenso alleine, im Bett liegt.

Irgendwann muss auch ich mal aufs Klo und stolziere erhobenen Hauptes die Treppe runter. Natürlich muss mir auch sofort Herr Hetkamp über den Weg laufen. Er sieht nicht gut aus.
Anscheinend macht er sich wirklich Vorwürfe und bereut, dass er nichts gesagt hat.

Wir geben jetzt keinesfalls so schnell nach!

Seine Augen mustern mich traurig und sein ganzer Körper scheint nach mir zu schreien, jedoch bleibt er einfach wie angewurzelt stehen. Mir zerbricht es fast das Herz.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt