Die Verkehrslage ist heute schlichtweg zum kotzen. Vielleicht liegt auch viel an meiner bereits vorhandenen schlechten Laune. Alex ist erstaunlich ruhig neben mir und lässt mich motzen und fluchen wie ich will.
"Schatz, bist du gerade aufnahmefähig?" "Ja, schieß los. Was gibt's denn?", ich versuche meine Tonlage wieder in freundlichere Bahnen zu lenken, damit mein Freund nachher nicht auch noch von meiner Muffeligkeit angesteckt wird. "Ich habe mir da so Gedanken gemacht und zwar, ist es bei uns in der Familie schon immer normal, von Anfang an die Paten der Kinder zu bestimmen. Selbst wenn die Kinder nicht getauft werden, gibt es für uns symbolisch die Patenschaft, da wir es als wichtig empfinden zu wissen, wer sich in Notfällen ohne zu zögern um die Kinder kümmern wird. Da bei uns im Haus nachher ganz ganz viele Onkel's herumlaufen werden und ich Tom schon einen besonderen Status gönnen würde, hätte ich gedacht, dass wir deinen Bruder fragen könnten, ob er sich dieser Aufgabe annehmen möchte. Damit hebt er sich mit unserem Kosewort "Gette" von allen anderen ab. Was hältst du davon?"
Im ersten Moment bekomme ich eine totale Reizüberflutung, da ich vor Freude und lauter Liebe zu Alex platzen könnte. Dass er auf solch eine Idee kommt, ist der absolute Wahnsinn.
"Wir müssen das nicht machen, wenn du das nicht möchtest! Das ist nur so ein Vorschlag. Da Ich schon so aufgewachsen bin, ist es für mich normal, einen bestimmten Menschen meine gesamte Kindheit hinweg "Gette" zu nennen. Vor allem hat es mich wahnsinnig stolz gemacht, als ich ab einem gewissen Alter verstanden habe, dass dieser Mensch sich ohne zu zögern bereiterklärt hat, sich um mich zu kümmern und mich bei sich aufzunehmen, wenn irgendetwas passieren sollte. Ich weiß nicht.... Meinen Kindern würde ich dieses Gefühl auch gerne vermitteln wollen und wenn Tom sich damit wohlfühlt, könnte ich mir keinen besseren Gette als ihn vorstellen!" Die Begeisterung, die mir Alex' Worte entgegenbringen, stecken mich förmlich an. Da meine Emotionen die größte Party in meinem Kopf und ebenfalls in meinem Herzen schmeißen, fahre ich bei der nächstmöglichen Gelegenheit in eine Parkbucht und stelle den Motor aus.
"Wir sind aber noch nicht am Ziel!" Alex ist sichtlich verwirrt und versucht meine Reaktion nachzuvollziehen. In meinen Augen sammeln sich jeweils kleine Pfützen, die ich nur schwer durchatmend in Zaum halten kann. "Das ist... Ich... Boah, Alex. Du kannst mir sowas doch nicht einfach während dem Autofahren unter die Nase reiben! Natürlich kann ich.. Ach.. Ich..", meine Überfordern geht mir so stark auf den Keks, dass ich meine Augen schließen muss, um mich irgendwie wieder zu sammeln.Tief einatmen! Beruhige dich… Denk an irgendetwas neutrales… Brot! Brot ist neutral, verwirrt einen nicht und lässt sich Buchstabenmäßig zu einem tollen Mantra auseinanderziehen.
Brooooooooooot.Meine Gedanken bringen mich wenigstens dazu, über meine eigene Blödheit zu lachen. "Sollen wir lieber wieder nach Hause? Willst du dich hinlegen?" Mein Freund scheint sich einfach nur die Frage zu verkneifen, ob er mich gleich in die Klapse bringen soll. "Hahaha. Nein, alles gut! Ja, mir gefällt dein Vorschlag sehr gut und ich würde dem gerne zustimmen!", meine Zustimmung lässt Alex breit grinsen.
"Echt jetzt? Das bedeutet mir wirklich viel... Umso schöner, dass du zustimmst!", seine Lippen treffen sanft auf meine. Er legt ganz viele Emotionen in den Kuss hinein, worauf ich mir für einen Moment wirklich überlege, wieder nach Hause zu fahren, um ganz anderen Dingen nachzugehen. "Wir könnten uns noch einen weiteren Paten aussuchen oder auch eine Patentante, wenn du willst.... Aber das besprechen wir vielleicht später. Wir sollten uns jetzt echt beeilen, sonst kommen wir zu spät!" "So machen wir es! Los geht's", ich reihe mich wieder in den fließenden Verkehr ein und bringe uns zum Glück unversehrt zu unserem Geburtsvorbereitungskurs.In meiner heutigen Verfassung war die Informationsflut über die verschiedenen Wege der Geburt sehr unpassend. Während ich gedanklich tausend Tode gestorben bin und sich mein Gehirn nach den ersten zwanzig Minuten ausgeklinkt hat, mutierte Alex zu einer aktiven ärztlichen Stütze und wurde von der Hebamme bei manch medizinischen Nachfragen zur tatkräftigen Unterstützung aufgefordert. Den letztendlichen Kopfschuss habe ich mir bei der Themen Vertiefung der Geburtsvorbereitenden Akupunktur gegeben.
Hand in Hand verlassen der werdende Vater und ich das Gebäude. "Hast du überhaupt zugehört? Mir hat es den Anschein gemacht, dass du voll abwesend warst!" Alex weiß ganz genau, dass ich mich gedanklich in ein anderes Universum gebeamt habe und will mir mit dieser Frage nur genauer auf den Zahn fühlen. "Ich? Nö! Ich war nur höchst konzentriert!", mich schüttelt es schon wieder, wenn ich an die PDA denke oder die genannte Saugglocke oder überhaupt an die Tatsache, dass meine Kinder aus diesem Bauch raus müssen. "Josi! Du kannst das Thema nicht ewig aufschieben! Spätestens nächste Woche solltest du Finn genau zuhören, wenn wir über die Alternativen sprechen. Ich weiß, dass du Angst davor hast, aber die ganze Geschichte lässt sich nur bis zu einem gewissen Punkt verdrängen. Dann fängt die Action an, ob du vorbereitet bist oder nicht!", um mir diese Worte näher zu bringen, bleibt Alex extra stehen und dreht meinen Kopf in seine Richtung. "Ich weiß doch. Aber ich breche schon beim alleinigen Gedanken an die Geburt in Panik aus. Mein Gehirn schaltet dann zum Selbstschutz einfach ab!" "Ich versuche mir was zu überlegen. Das müssen wir irgendwie in den Griff bekommen", er zieht mich weiter zum Auto, da wir noch schnell aus dem Baumarkt weiße Farbe und aus dem Supermarkt ein paar Nahrungsmittel besorgen müssen. Stephan und Franco haben die Wandbeschaffenheit falsch eingeschätzt und nicht damit gerechnet, dass die Wand solche Mengen an Farbe aufnimmt. Somit haben die beiden Alex mit einigen Nachrichten bombardiert und uns beauftragt, das zu besorgen.
Nachdem wir im Baumarkt fündig geworden sind und Alex die Farbe in den Kofferraum gestellt hat, wirft er mir einen besorgten Blick zu: "Du bleibst nachher sitzen! Deine Gesichtsfarbe gefällt mir nicht und eigentlich bist du auch wieder viel zu viel rumgelaufen! Ich besorge dir nachher noch ein bisschen Obst. Überleg schon mal, was du haben willst!" Mein Freund macht sich auf den Weg, um den Einkaufswagen zu verräumen, während ich mich in mein Auto setze und den Motor starte.
Melone wäre geil. Erdbeeren hatte ich auch schon lange nicht mehr...
Gedankenverloren haue ich den Rückwärtsgang rein und parke meinen kleinen Flitzer aus der Parklücke aus.
Nachdem ich im Schritttempo den Parkplatz verlassen habe, befindet sich meine persönliche Einkaufsliste fest verankert in meinem Kopf. Allerdings habe ich ein ungutes Gefühl, irgendetwas vergessen zu haben. Genau dann, als ich mein Auto auf dem Parkplatz vor dem Supermarkt abstelle, klingelt mein Handy.Ich: "Ja?"
Alex: "Sag mal, kann es sein, dass du etwas vergessen hast?"Ich gehe meine imaginäre To-do-Liste durch und bin mir fast sicher, dass ich alles genau auf dem Schirm habe.
Ich: "Ich glaube nicht"
Alex: "Wärst du so freundlich und würdest mir verraten, wo genau du dann steckst!"
Ich: "Vor dem Supermarkt, wieso?"Als Alex sich vor Lachen fast nicht mehr retten kann, fällt mir siedend heiß ein, was ich genau vergessen habe: Meinen Freund!
Ich: "Scheiße, Alex... Das... Oh mein Gott! Sorry, ich komm sofort und hol dich ab!"
Alex: "Schon gut! Mach bitte langsam, okay! Ich warte auf dich. Hahaha"
Ich: "Wie konnte ich nur ohne dich fahren? Ich bin so bescheuert!"
Alex: "Mach dir jetzt keinen Kopf! Vergiss mich einfach nicht, hier abzuholen, ja? Haha"Peinlich berührt drücke ich einfach das Telefonat weg.
Zum Glück ist er nicht sauer….Wie kannst du bitte deinen eigenen Freund auf dem Parkplatz vergessen? Geht's noch?
So schnell wie möglich fahre ich zurück auf den Parkplatz des Baumarktes und sammle meinen Freund, direkt an diesem Unterschlupf für Einkaufswagen, ein. Als mein rechter Platz somit wieder besetzt ist, steigt mir die Wärme direkt in den Kopf und färbt mit größter Sicherheit meine Wangen Rot. "Alles gut! Vergessen wir das. Jetzt holen wir die restlichen Lebensmittel und dann fahren wir auf direktem Weg nach Hause. Hast du dir schon überlegt, welches Obst du möchtest?", ein belustigtes Schmunzeln hat sich in Alex' Gesicht festgetackert und wird mich bestimmt auch den restlichen Tag über begleiten.
Während ich mein Auto wieder auf die Hauptstraße lenke, murmel ich ihm sehr leise zu, dass ich vergessen habe, was ich will und er einfach irgendetwas mitbringen soll. Alex nimmt meine Worte ohne jegliche Kommentare an. Zurück beim Supermarkt, finde ich erst nach fünf Minuten rumgekurve einen freien Parkplatz, den ich mir sofort unter den Nagel reiße. Herr Hetkamp nimmt zur eigenen Sicherheit den Autoschlüssel mit in den Laden und verschafft mir somit noch viel größere Gewissensbisse.
Herrgott, das musst du unbedingt wieder gut machen! Das geht gar nicht, Frau Mayer! Ich höre schon das Lachen der Männer, wenn Alex denen die Geschichte erzählt.
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Einzelkämpfer (ASDS)
FanficASDS - Fanfiction Josi hat ein ernstes Problem an der Backe und versucht davor zu flüchten. An ihrem Zielort, trifft sie unglücklicherweise auf ihren Bruder, zu dem sie schon lange keinen Kontakt mehr hatte und der seiner Schwester unbedingt helfen...