(111) Die reinste Katastrophe

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Was mache ich jetzt? Hmmmm... oh.. Wie viel Uhr? Zehn vor halb sechs, verdammt, ich muss zu Finn!

Mit quietschenden Reifen fahre ich vom Parkplatz direkt auf die Hauptstraße und gebe Vollgas, um pünktlich meinen Termin antreten zu können. Dort angekommen, renne ich schnell die Treppen hoch und stehe kurz darauf schwer hechelnd vor der Rezeption. "Hallo, haben Sie einen Termin?", die nette Arzthelferin lächelt mich freundlich an und tippt etwas auf der Tastatur ihres PCs herum. "Hallo. Josi Mayer. Dreizeh Uhr siebzig. Äh, siebzehn Uhr dreißig meine ich". Wenigstens hat die Tussi jetzt was zum lachen. Sie drückt mir einen Becher in die Hand und möchte, dass ich eine Urinprobe abgebe.

Na super, ich muss gar nicht!

Total unmotiviert trampel ich in Richtung Toiletten und sperre mich in der kleinen Kabine ein. Das Glück liegt heute nicht auf meiner Seite: Erst sitze ich fünf Minuten auf der Kloschüssel, bis überhaupt was kommt und danach muss ich feststellen, dass ich den Becher vergessen habe. "Himmel aber auch. Vielleicht klappt es nachher ja nochmal", seufzend ziehe ich mich an und laufe an die Rezeption, um der Arzthelferin mitzuteilen, dass ich nicht konnte und es später nochmal versuchen werde. "Kein Problem! Dann dürfen Sie mir kurz ins Labor folgen." Sie steht auf und läuft den langen Gang, bis zu einer blauen Tür entlang, auf der Dick und fett "Labor" steht.

"Zuerst messen wir den Blutdruck und danach nehmen wir ein bisschen Blut ab!" Sie kann es ja nicht wissen, aber meinen Blutdruck kann sie jetzt eigentlich schon vergessen. Nachdem das Gerät piepst, zieht die gute Frau die Augenbrauen weit nach oben und murmelt ein "hundertsiebenunddreißig zu siebenundachtzig" vor sich hin.

Über meinen Körper legt sich schon eine fette Gänsehaut und meine Handflächen werden schweißnass. Wenn ich an diese kleine fiese Nadel denke, dann wird mir echt kotzübel.
Ich starre zu der Türe und versuche mich irgendwie abzulenken. Als die Helferin den Stauschlauch um meinen Arm legt, rutsche ich schon automatisch tiefer in den Stuhl hinein.
Genau in diesem Moment läuft Finn an der Labortüre vorbei und ich bete insgeheim, dass er mich rettet. "Ääääähm", tatsächlich kommt mein Lebensretter ein paar Schritte zurückgelaufen, starrt erst mich und danach seine Arzthelferin, mit dem fiesen spitzen Ding in der Hand, an: "Sandrine, das würde ich gleich übernehmen. Bringst du Frau Mayer in Zimmer zwei, da wartet auch schon Herr Hetkamp".

Aha....

Als ich aufstehen will, muss ich mich direkt wieder hinsetzen, da meine gummiartigen Stelzen fast unter mir nachgeben. "Bleiben Sie einfach kurz sitzen. Ich hole kurz Ihren Mann". Sandrine düst ab und ich frage mich, wie sie bei zwei unterschiedlichen Nachnamen davon ausgehen kann, dass wir verheiratet sind.

Körper? Seit wann reagieren wir denn so übermäßig auf eine Nadel?

Als Alex den Raum betritt, möchte ich ihn eigentlich fressen, weil ich immer noch sauer bin. Sobald er aber neben mir steht und sein Duft durch meine Nase in das Gehirn vordringt, würde ich mich ihm einfach gerne in die Arme werfen. Mein Gehirn wechselt zwischen Tötungs- und Liebesmodus hin und her, was meine Nerven echt nicht witzig finden. Seine ausgestreckte Hand in meine Richtung veranlasst mich, zu ihm hoch zu schauen. Sobald sich unsere Blicke treffen, laufen mir unerlaubt ein paar Tränen über die Wangen. Herr Hetkamp scheint augenblicklich Mitleid mit dem Häufchen Elend zu bekommen, kniet sich deshalb vor mich nieder und zieht mich in seine Arme. Diese Umarmung lässt mich dahinschmelzen, worauf ich mein Gesicht in seine Halsbeuge vergrabe und alles überflute, was dicht darunter liegt.

Du bist so erbärmlich.... Keine zwei Minuten kannst du dem Mensch widerstehen, wenn er in direkter Nähe an deinem Körper klebt....

Er streicht mir wortlos über den Kopf und drückt mich etwas fester an sich. Am liebsten würde ich ihm jetzt entgegenschreien, dass ich ihn so sehr vermisst habe, aber anscheinend merkt er das auch so, denn ein kleiner Kuss trifft auf meiner Stirn ein. Seine Daumen wischen meine Tränen weg und danach trifft ein weiterer Kuss auf meine Lippen ein: "Nicht weinen! Ich liebe dich, meine kleine Zicke, egal was kommt, okay?" Außer einem nicken bringe ich nichts zustande und darum lasse ich mich von ihm kurz darauf auf die Beine ziehen. Mit einem Arm von Alex um meinen Rücken, laufen wir in das Behandlungszimmer und setzen uns auf die Stühle vor Finn's Schreibtisch.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt