(5) Klingeling

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Als wir schon einige Minuten unterwegs sind, klingelt mein Handy. Ich krame es aus meiner Hosentasche heraus und sehe auf dem Display, das mir eine Unbekannte Nummer anruft:

Ich: "Hallo?"
Stille am anderen Ende der Leitung.
Ich: "Hallo?"

Da sich niemand meldet, lege ich einfach auf. Kurz darauf klingelt es aber wieder:

Ich: "Hallo?"
Diesmal höre ich Jemand atmen, bekomme aber sonst keine Antwort. Ich drehe mich nach hinten, um Susi anzuschauen. Sie wirft mir einen besorgten Blick zu.

"Wer ist denn da?", frage ich nochmal nach und bekomme dann ein leises Lachen geschenkt. Ein Gänsehautschauer zieht sich über meinen Körper und so schnell wie möglich lege ich auf.

"Wer ist das?", fragt Tom. "Keine Ahnung, vielleicht ein Spaßvogel. Meldet sich niemand!" Ich versuche nicht allzu gequält zu klingen. Nachdem ich aufgelegt habe, klingelt es sofort wieder. "Jetzt auch noch das?", flüstere ich vor mich hin. Tom muss es natürlich hören: "Was meinst du mit 'auch noch das'?" "Hmmm? Ach nichts Wichtiges!", winke ich ab und drücke den Anrufer weg.

Susi läuft ein paar Schritte schneller, fasst mich um die Hüfte und schiebt mich ein Stück voraus. "Meinst du, das ist Lukas?", flüstert sie mir zu. "Weis nicht! Ich dreh durch, woher hat der meine Nummer?" Kaum habe ich ausgeredet, klingelt das Handy wieder. Ich nehm ab und schreie hinein:

Ich: "MANN VERDAMMT, WAS WILLST DU?"

Die restliche Gruppe bleibt erschrocken stehen, aber ich laufe unbeirrt weiter.

"Was willst du in Köln? Einen Neuanfang mit mir?", raunt mir Lukas durchs Handy zu.

Als mich eine Hand an der Schulter berührt, zucke ich erbärmlich zusammen und lande nach einer schnellen Drehung auf dem Hosenboden. "Josi, wer ist da dran? Was ist los?" Tom kniet sich vor mich und mustert mich besorgt. "Was? Nichts. Niemand!", ich lass das Handy fallen und reibe mir mit meinen Händen durch das Gesicht. Alle Blicke haften auf mir und ich schiebe die Krise: "Könnt ihr nicht woanders hin glotzen?" Tom reicht mir seine Hand, aber ich schlage sie auf die Seite und steh alleine auf.

Mir laufen Tränen das Gesicht runter, darum drehe ich mich schnell um und laufe geradeaus zu. Hinter mir diskutiert der Haufen Männer und Susi legt einen Zahn zu, um wieder bei mir zu sein. "Du weißt, dass das jetzt nicht gerade unauffällig war, oder?" "Danke für den Hinweis, hätte ich jetzt nie damit gerechnet!", schnauze ich sie an, obwohl sie überhaupt nichts dafür kann.

Als mein Handy schon wieder klingelt, schmeiß ich es im hohen Bogen auf die Straße. Mich schüttelt es durch und die Panik steigt in mir auf.

Verfolgt er mich schon wieder? Ist er in meiner Nähe?

Panisch schaue ich mich um, sehe aber außer den entgeisterten sieben Gesichter hinter mir nichts Verdächtiges. Erst jetzt merke ich, wie mein Handgelenk schmerzt. Muss wohl bei meinem Sturz vorhin draufgefallen sein. Neben mir taucht Franco auf: "Bleib doch mal stehen!" Als er mein Handgelenk festhält, zische ich laut auf und ziehe meine Hand hastig zurück. "Hast du dich verletzt?" "Nein. Was ist denn? Können wir nicht weiter?", maule ich ihn an. "Was ist hier los? Belästigt dich jemand oder wirst du bedroht?", fragt mich Franco besorgt. "Ich habe keine Lust darüber zu reden und das geht nur mich alleine etwas an!" Mein Zittern wird langsam unkontrolliert und ich muss mich beherrschen, nicht zu heulen. "Also Tom, die ist noch viel sturer als du!", höre ich Paul sagen.

Weiter vorne kommt mir Geschrei entgegen, worauf ich erschrocken und hektisch in die entgegengesetzte Richtung laufe. Zwei Arme halten mich auf und ziehen mich in eine Umarmung. Ich versuche mich dagegen zu wehren, aber ich habe keine Chance. Jetzt kann ich mich nicht mehr halten und schluchze ohne Halt einfach los. Je stärker ich zittere, desto stärker wird die Umarmung. Die Person streicht mir über den Kopf und ich drücke meine Stirn gegen sein Schlüsselbein. Nachdem ich von meiner "Welle der Schwäche" wieder einigermaßen runtergekommen bin, frage ich mich, in welchen Armen ich mich befinde.

Der Typ riecht genauso gut wie der Pulli vorhin und ich fang jetzt schon an, mich in Grund und Boden zu schämen, da ich vermute, dass ich in Alex' Armen hänge. Ich drück mich leicht weg und schaue ihm direkt in seine schönen Augen. Er wischt mir mit beiden Händen die Tränen aus dem Gesicht. "Sorry, weiß gar nicht was in mich Gefahren ist", ich will mich gerade wieder wegdrehen, da schnappt er mich wieder und umarmt mich nochmal: "Alles okay, ich mach das gerne. Ist anscheinend auch bitter nötig!", flüstert er in mein Ohr und mein Körper entspannt sich leicht.
"Wir sind gleich in der WG und dann erzählst du uns in aller Ruhe was los ist okay?", versucht er sein Glück, aber ich blocke wieder ab: "Nein, es ist nichts los und es gibt nichts zu wissen!"

"Alex, jetzt lass sie los, sonst kippt sie uns nachher noch um vor lauter Puls!", scherzt Florian und bekommt von Phil sofort einen Seitenhieb. Susi kommt zu mir, entreißt mich Alex und zieht mich an der Hand nach vorne, um etwas Abstand zu gewinnen: "Sag denen doch was los ist! Die helfen dir sicherlich!" "Ne, ich kann das bei Tom schon nicht ertragen und dann brauch ich nicht noch sechs weitere Typen, die mich mitleidig anstarren!" "Ich hasse dich!", flüstert Susi in einem ironischen Ton. "Ich dich auch!", flüstere ich ihr ebenfalls entgegen und muss lachen.

"Ladys, hier lang, ihr lauft in die falsche Richtung!", kommandiert uns Paul zurück. Schweigend folgen wir dem Haufen, bis wir an einem riesigen Haus ankommen. Stephan geht voran und erklimmt als erstes die paar Treppenstufen zur Haustüre und Tom schiebt uns beide hinterher.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt