(74) Der Entschluss

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Zuhause angekommen, ist die komplette Bude leer. "Sind alle beim Arbeiten?", normalerweise ist es wirklich sehr selten, dass alle auf einmal unterwegs sind. "Ja, anscheinend schon. Dann haben wir wenigstens unsere Ruhe! Ab aufs Sofa mit dir, ich komm gleich nach." Alex geht nach oben in sein Zimmer, um sich bequeme Sachen anzuziehen. Meine Wenigkeit legt sich gehorsam aufs Sofa und betet, dass in nächster Zeit noch irgendjemand auftaucht.

"Wo hast du deine Tabletten hingesteckt oder hast du die vergessen?" Alex brüllt von der oberen Etage runter und ich hoffe sehr, dass er nicht in meiner Tasche herumgekramt hat. "Scheiße, die hab ich tatsächlich vergessen!", meine Dummheit ist manchmal wirklich grenzenlos, denn im gleichen Zug fällt mir damit auch ein, dass ich den Saft gegen die Übelkeit auch nicht mitgenommen habe. "Deine heutige Ration hast du bestimmt schon bekommen, oder? Dann ist es halb so schlimm, die können wir dann noch holen!" Alex kommt ins Wohnzimmer herein gelaufen und setzt sich neben mich aufs Sofa.

Das muss ich unbedingt selbst abholen! Wenn Alex, Phil, Franco oder Flo das abholen, wissen die doch sofort, wo der Hase langläuft.

"Über was denkst du schon wieder nach?", er zieht mich in seine Arme und reißt mich mit sich in die Waagerechte. Sein zufriedenes Brummen ist wie eine Einladung, mich fest an ihn zu kuscheln und seine Nähe zu genießen. "Ich denke daran, dass ich langsam aufpassen muss, dass ich keine Thrombose bekomme!"
"Keine Sorge. Dein Privatarzt kontrolliert das natürlich engmaschig”,  sein verschmitztes Grinsen bringt mich zum Lachen. "Ich hab dich vermisst!", meine Lippen treffen auf seine und mein Kuss wird sofort erwidert. "Frag mich mal! Ich bin total auf Entzug. Aber ich muss erst eine Runde schlafen, ich bin so fertig", seine Augen schließen sich schon während er redet. Da ich ausnahmsweise mal nicht müde bin, streiche ich ihm durch die Haare.

Wenn alles gut läuft, wirst du morgen erfahren, dass du Vater wirst. Was wirst du wohl sagen? Wie wirst du reagieren? Ich habe solche Angst es dir zu gestehen...

Nach ungefähr fünfzehn Minuten, in denen ich mich mit unserer gemeinsamen Zukunft beschäftigt habe, fällt die Haustüre ins Schloss. Da Alex mich total fest umklammert hat, habe ich echt zu kämpfen, seine Arme und Füße von mir zu entfernen, ohne dass er davon aufwacht. Als ich immer noch mitten im Kampf stecke, höre ich nur ein Gekicher, das aus der Richtung des Flurs kommt. Ich stoppe meinen Befreiungskampf und hebe meinen Kopf an, um zu sehen, wer da so doof lacht. Franco! "Kann man dir irgendwie behilflich sein?", er kommt ums Sofa gelaufen und schüttelt amüsiert den Kopf. "Ich bitte dich darum. Ohne Hilfe schaffe ich es nicht, mich aus diesen Fangarmen zu befreien!"

Franco lockert Alex' Griff und verhilft mir zur Flucht. "Ich danke dir! Ohne dich müsste ich so lange dort liegen, bis der Herr irgendwann wieder aufwacht..", ich umarme ihn kurz und grinse ihn darauf breit an. "Was ist los? Warum grinst du so?", er wittert sofort, dass etwas im Busch ist. "Ich weiß, dass du erst von der Arbeit gekommen bist, aber ich wollte dich fragen, ob du mit mir kurz zur Klinik fahren würdest, ich hab meine Medikamente vergessen und ich sollte noch in einem Laden etwas abholen. Alleine wollte ich jetzt nicht los, mein Zustand ist ja nicht immer konstant stabil!" Francos große Augen verwirren mich kurzzeitig: "Du musst nicht, ich kann auch…”, er unterbricht mich in meinem Satz: "Nein, stopp! Mich wundert es nur, dass du nicht schon längst alleine losgefahren bist! Alles gut, ich fahr dich!" "Super, du bist ein Schatz. Ich schreib Alex noch kurz einen Zettel damit er weiß, dass wir kurz unterwegs sind", meine Füße tragen mich in die Küche, wo ich mir einen Notizzettel schnappe und die Info "Bin kurz mit Franco unterwegs!" drauf kritzle. Zurück im Wohnzimmer, lege ich den Fetzen Papier auf das Sofa, direkt vor Alex' Nase. "So, jetzt können wir!", ich ziehe Franco an der Hand durch den Flur, stülpe mir kurz meine Schuhe über und steige kurz darauf mit ihm in sein Auto.

"Alles okay bei dir? Du wirkst irgendwie so geschockt!", ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich irgendetwas falsch gemacht habe oder was der Grund für sein seltsames Stillschweigen ist. "Was haben die dir im Krankenhaus gespritzt?," mit zusammengezogenen Augenbrauen mustert er mich ganz genau, bevor er endlich seinen Wagen startet und losfährt. "Eigentlich nur Vomex, gegen die Übelkeit und das Erbrechen. Wieso?", ich muss wirklich dumm aus der Wäsche schauen, denn Franco lacht lauthals auf: "Kann es etwa sein, dass Josi Mayer langsam vernünftig wird?"

Achso, daher weht der Wind. Na, wenn die zufrieden sind, dass sie mich in der Gegend rumkutschieren dürfen und die Zettelchen ebenfalls die Stimmung aufhellen, dann soll es mir recht sein.

Nachdem ich in der KaS schnell meine Medikamente abgeholt habe, fährt mich Franco noch schnell zu dem kleinen Geschenkeladen, der viele individuelle Geschenke herstellt und vertreibt. "Da, in den "Lilly Käfer" muss ich schnell rein. Willst du mit?", ich hoffe stark auf eine Verneinung, bin aber natürlich freundlich genug, um nachzufragen. "Ne, das ist nicht so meins. Ich gehe kurz in den Schuhladen da drüben, dann kannst du dir ruhig Zeit lassen." Franco's Vorhaben kommt mir natürlich mehr als entgegen und wir trennen unsere Wege für unsere unterschiedlichen Vorhaben.

Der Geschenkeladen ist wirklich süß eingerichtet. Überall stehen Regale, die aus Weinkisten zusammengebaut und bunt lackiert sind. In jeder Ecke findet sich eine andere Kategorie: Geschenke für Kinder, für Schulanfänger, für Geburtstage, Dekoartikel, Süßkram und am allerwichtigsten: Die Babyabteilung. Eine ältere Dame, mit grauen gelockten Haaren, einem leichten - in hellblau gehaltenen Strickjäckchen und einer zierlichen Brille auf der Nase, kommt auf mich zugelaufen:
"Hallo! Kann ich Ihnen behilflich sein, oder möchten Sie sich erst umschauen?" "Hallo. Umschauen werde ich mich sicherlich auch noch, aber ich suche tatsächlich etwas Besonderes. Und zwar möchte ich meinem Freund mitteilen, dass er Vater wird, aber eben nicht nur mit einfachen Worten... Es darf ruhig etwas überraschendes oder ausgefallenes sein", ich bin jetzt schon ziemlich nervös, doch das freudige Grinsen der Dame vor mir, nimmt mir doch ein Stück meiner Unsicherheit. "Kommen Sie mit! Sie haben Glück. Gestern erst kam eine Lieferung rein und da war eine kleine Auswahl ihrer gesuchten Artikel dabei.” Sie führt mich quer durch den Laden und hält an einem großen Wühltisch: "Schauen Sie, hier sind die Artikel. Ich hoffe, dass für Ihren Geschmack etwas dabei ist!" "Vielen Dank, das sieht sehr vielversprechend aus!" Nach diesen Worten betritt ein neuer Kunde den Laden, der sofort die volle Aufmerksamkeit bekommt.

Ich atme erleichtert auf, als ich das entdecke, was ich gesucht habe. Zu meiner Überraschung gibt es auch noch die Onkel-Kategorie und somit finde ich auch sofort noch etwas für Tom.

Dann ist es beschlossene Sache. Morgen kommt die Wahrheit ans Licht!

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt