(76) Verkündung die Zweite

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Wir liegen schon seit einer Stunde Arm in Arm in unserem Bett. Alex hat seine Hand keinen Millimeter von meinem Bauch bewegt und überhäuft mich stattdessen mit Unmengen von Küssen. "Josi, du musst jetzt nicht nur auf dich aufpassen, sondern auch auf unsere Kleinen! Wenn irgendetwas nicht stimmt, musst du mir das sofort sagen, okay?" Alex spricht das Gesagte mit einem ernsten Unterton aus. "Ich weiß. Ich verspreche dir, dass ich mir die größte Mühe gebe und nicht mehr unvernünftig sein werde. Was meinst du, warum ich keinen Kaffee getrunken habe?! Keine Ahnung, ob das Koffein gut für die beiden ist", mein fragender Blick trifft auf ein sanftes Lächeln. "Solange es dir gut tut, kannst du eine Tasse am Tag trinken. Allerhöchstens zwei. Aber nicht mehr!", er drückt mir einen Kuss auf die Wange auf und stützt sich mit dem Ellenbogen auf der Matratze ab: "Wann möchtest du es Tom sagen?" "So schnell wie möglich. Wir sollten es allen so schnell wie möglich erzählen. Meine morgendlichen Kotzattacken kann ich schlecht verheimlichen!", meine Aussage trifft auf vollste Zustimmung: "Vor allem ist es wegen deinen häufigen Zusammenbrüchen wirklich ratsam. Wenn dir Phil mal unwissentlich etwas spritzt, dass sich mit einer Schwangerschaft nicht vereinbaren lässt, würde er sich enorme Vorwürfe machen. Hast du für deinen Bruder schon was geplant?" Mein fettes Grinsen scheint ihm Antwort zu sein. "Warte, ich hole kurz das T Shirt!", ich richte mich langsam auf und mache mich auf den Weg in mein Zimmer. Dort krame ich das Kleidungsstück aus dem Schrank und als mir die angebrochene Tüte Flips in die Hände fällt, nehme ich die auch noch mit zu Alex ins Zimmer.

"Hier schau mal, das hab ich gesehen und musste es unbedingt kaufen!", ich reiche ihm das T-Shirt und setze mich Flips essend neben ihn. Ein leicht verstörter Blick trifft auf die Tüte, danach auf meinen Bauch und kurz darauf schleicht ein belustigtes Grinsen über seine Lippen.

Herr Hetkamp faltet das Shirt auseinander und liest die Aufschrift: "’Onkel. Der Mann. Der Mythos. Der schlechte Einfluss’. Das ist gut! Geh doch mal schauen, ob er schon wach ist, dann kannst du es ihm gleich unterjubeln!"

Mit großer Euphorie und ein bisschen Unsicherheit stehe ich vor Tom's Türe und klopfe vorsichtig an. "Ja?" Ich öffne die Tür und sehe, wie sich Tom gerade eine kurze Hose anzieht. "Hey, wollte nur schauen, ob du schon wach bist, wegen Frühstück!" "Bin gleich soweit, brauch nur noch ein T-Shirt!" "Hier, nimm das. Wir sind schon unten", ich werfe ihm seine Überraschung zu und verlasse fluchtartig sein Zimmer.

Im gleichen Moment wie ich, tritt Alex auf den Flur. "Hat er's?" Ich nicke ihm aufgeregt zu, worauf wir gemeinsam in die Küche laufen und den Frühstückstisch decken. "Morgen!" Phil kommt aus dem Badezimmer gedüst und stoppt direkt vor der Kaffeemaschine. "Morgen!" Auch Tom kommt in die Küche gelaufen und schnappt sich schnell eine Tasse. Phil hebt kurz seinen Blick und scheint den Aufdruck auf dem Shirt zu lesen. Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen und er sucht nach einer Antwort in Tom's Gesicht. "Alles klar bei dir, Phil?", der Angesprochene lehnt sich leicht auf die Seite, um Alex und mich anzuschauen, worauf wir beide ein fettes Lächeln auflegen. Er bekommt kurz große Augen, lächelt aber darauf wie ein bescheuerter Idiot vor sich hin und setzt sich mit seinem Kaffee an den Esstisch.

Ich verstehe nicht, wie man ein Oberteil anziehen kann, ohne zu wissen, was für ein Motiv vorne drauf ist oder wie in diesem Fall, was da vorne überhaupt drauf steht.

"Stephan! Frühstück!" Nach dem kurzen Schrei bahnt sich wieder eine kleine Menge Magensäure ihren Weg nach oben. Ich halte mir die Hand vor dem Mund und schließe kurz meine Augen. Alex Umarmt mich von hinten und flüstert leise in mein Ohr: "Geht's?" Ich nicke nur kurz, da ich mir nicht sicher bin, ob ich in der Lage bin, ohne einen "Unfall" zu reden. "Bin da! Kann los gehen." Stephan kommt in die Küche gelaufen und setzt sich an den Tisch. Nachdem ich mich gefangen habe, gesellen wir uns zu den drei Männern dazu. Herrn Sindera fällt das Shirt jetzt auch auf und grinst Tom ebenfalls dämlich an. "Was habt ihr euch heute eigentlich eingeschmissen?" Tom schaut einem nach dem anderen ins Gesicht und schüttelt mit dem Kopf. "Ich finde dein T-Shirt wirklich interessant, Tom! Von wem hast du das denn?" Phil muss sich sichtlich zusammenreißen nicht zu platzen. "Josi hat mir das gegeben. Wieso?", er wirft mir einen fragenden Blick zu und versucht danach, die Aufschrift zu lesen. "Warte, ich mach dir ein Foto!" Stephan zückt sein Handy, fotografiert die Aufschrift und reicht Tom sein Handy. Dieser nimmt das Bild genau unter die Lupe. Auch Tom zieht erst die Augenbrauen zusammen und scheint die Worte ein paar Mal durchzulesen. "Warum gibst du mir ein Shirt mit der Aufschrift Onkel? Ich bin gar kein... Warte...", seine Augen werden riesengroß, "werde ich etwa Onkel?" "Ja, Tom. Du wirst Onkel!" Alex grinst Tom entgegen, da mir die Stimme vor lauter Aufregung fehlt. Ich starre meinen Bruder einfach nur an, weil ich mir nicht im Geringsten vorstellen kann, wie seine Reaktion ausfällt.

Tom's Blick fällt auf meinen Bauch und danach in mein Gesicht: "Ihr verarscht mich jetzt nicht, oder?" Die Träne, die sich vor lauter Anspannung aus meinem Augenwinkel löst, scheint ihm Antwort genug zu sein. Einen kurzen Moment lang herrscht unweigerlich Durchzug in seinem Kopf. Mit einem Mal rückt er mit dem Stuhl etwas zurück, zieht mich von meinem Stuhl herunter und platziert mich auf seinem Schoß. Seine Arme schlingen sich um mich: "Das ist das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe! Herzlichen Glückwunsch Schwesterchen!", auf seine Worte hin, erwidere ich die Umarmung.

Die Aufregung setzt mir einfach zu sehr zu, sodass die Welle der Übelkeit mir böse mitspielt und ich merke, wie mein Körper zu gerne einen Würge-Marathon starten möchte. "Tom, lass mich los, sorry!" Zum Glück reagiert er schnell und ich kann mich sofort auf den Weg zu meinem Porzellan-Freund begeben. Glücklicherweise habe ich nur eine kleine Hand voll Flips vernichtet, von daher kommt nicht viel bei dieser Aktion rüber. Als ich wieder in die Küche zurückkomme, schauen mich alle Männer sofort besorgt an. "Alles Gut. Daran müsst ihr euch für eine Zeit lang gewöhnen!", ich setze mich wieder an den Tisch und kontrolliere Tom's Gesichtsausdruck. "Ab wann darf mein Arm sich auf Babyschaukeln einstellen?" "Ist bei Zwillingen immer schwer zu sagen, Tom!" Alex bringt es fast so rüber, als wenn die Tatsache von Zwillingen die normalste Sache der Welt wäre. Zeitgleich mit dem Wort Zwillinge, fegt eine Ladung Kaffee durch die Luft, die sich kurz darauf über dem Tisch verteilt. Phil wischt sich verschämt den Mund ab: "Sorry, aber hab ich das richtig gehört? Zwillinge?" Ich drehe meinen Kopf zu Tom und schließe ihm seinen offenstehenden Mund mit meinem Zeigefinger: "Ja, wir müssen doch dafür sorgen, dass der Onkel seine Arme beidseitig gleich stark belastet." Tom sucht Alex' Blick: "Du wolltest es wohl echt wissen, was? Ist doch perfekt, dann müssen wir uns nicht so viel drum streiten, wenn es gleich zwei sind! Seit wann wisst ihr es denn?"

Eine neue Welle der Übelkeit erfasst mich: "Alex, erzähl du. Ich muss mich mit jemand anderem unterhalten!", ich stürme wieder hektisch zu meinem neuen Aufenthaltsort.

Wie überlebe ich das nur die nächsten paar Wochen?

Außer ständiger Würgerei kommt bei diesem Besuch nichts zustande. Da ich keine Lust habe die ganze Zeit hin und her zu rennen, bleibe ich gleich im Badezimmer sitzen.

"Josi? Hast du da drin deine Zelte aufgeschlagen?" Tom steckt seinen Kopf durch die Türe und mustert mich mitleidig. "Ja, das wird mein neues Zimmer. Muss nur noch meine Matratze runter holen", ich schließe meine Augen und lehne meinen Kopf gegen die Wand. Kurz darauf setzt sich Tom neben mich und nimmt mich in den Arm: "Ich kann es noch gar nicht fassen, dass ich Onkel werde....hoffentlich werden die Kleinen nicht so temperamentvoll wie die Mama". Für einen kleinen bösen Blick reicht meine Kraft dann schon noch aus. "Ach Schwesterchen, das war doch nur Spaß. Wir schaukeln das schon!", ein kleiner Kuss trifft mich an der Schläfe. "Hmmmm, falls ich vorher nicht an der Kotzerei sterbe. Mir ist echt mehr als übel!", ich kuschel mich an die Brust meines Bruders und nehme mir einfach vor, bis zur Geburt der Kleinen zu schlafen. Vielleicht auch bis nach der Geburt, denn darauf bin ich auch nicht wirklich so scharf!

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt