(140) Die größte Ehre wird angenommen

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Auf Los geht's los....
LOS 😁💙💚💙💚💙
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“Musst du gerade auf Toilette? Wir brauchen Urin!" Finn hält schon einen Becher bereit, den Schwester 'keine Ahnung' gerade in den Behandlungsraum gebracht hat. Ich zucke mit den Schultern, schnappe mir den Becher und mache mich auf den Weg, um es herauszufinden. Wenn ich mich meinem Bedürfnis hingeben würde, würde ich mich jetzt auf dem Klo einschließen, heulen und niemanden mehr an mich ranlassen. Da es jetzt aber nicht nur um mich geht, heule ich einfach nur und führe aus, was von mir erwartet wird.

Mit brennenden Augen kehre ich in das Behandlungszimmer zurück und lege mich sofort auf die Liege. "Hat es geklappt?" Alex kommt sofort zu mir neben die Liege und klammert sich an meiner linken Hand fest. Ein Nicken meinerseits beantwortet seine Frage.
Finn taucht jetzt zu meiner Rechten auf und nimmt mich skeptisch in Augenschein: "Kannst du mir sagen, wie die Bauchschmerzen sind? Hast du sonst noch irgendwelche Schmerzen oder andere Symptome?"
"Die Bauchschmerzen sind gleichbleibend konstant. Kopfschmerzen. Mir ist schlecht…", meine Antwort schießt wie automatisiert aus meinem Mund. Finn legt seine Hand auf meinen Bauch und murmelt schwer seufzend ein "bretthart" vor sich hin. "Okay, zuerst Blutabnahme. Nur so können wir unser HELLP-Syndrom bestätigen oder ausschließen. Danach Ultraschall. Wenn dein Blutdruck immer noch so hoch ist, dann legen wir ein CTG an und senken deinen Blutdruck. Außerdem können wir dann durch das CTG nicht nur die Herztöne kontrollieren, sondern auch eventuelle Wehentätigkeiten feststellen!" Der werte Herr sucht schon alles zusammen, um mich mit irgendeiner Nadel wieder an den Rand der Ohnmächtigkeit zu treiben. Ich schließe meine Augen und hoffe, dass ich jetzt in einen tiefen Dornröschenschlaf verfalle und alles wieder gut ist, wenn ich aufwache. "Schatz, lass die Augen auf. Wir bekommen sonst nicht mit, wenn du ohnmächtig wirst!", zur Unterstützung seiner Worte, klopft mir Alex zusätzlich auf die Wange, was mich genervt die Augen öffnen lässt.

"Magst du mir nicht ein bisschen was erzählen?" Finn setzt sich auf einen kleinen drehbaren Hocker neben mich und versucht mir aufmunternd zuzulächeln. Nachdem ich meinen Kopf geschüttelt habe, lenke ich meinen Blick an die Decke und versuche zu ignorieren, dass mir gerade der Stauschlauch angelegt wird. Alex ist so geistesgegenwärtig und versucht den Akupressurpunkt an meiner Hand zu stimulieren, um mich vor einem Nervenzusammenbruch oder einer nicht so selten vorkommenden Ohnmacht zu bewahren. Während der Arzt zu meiner Rechten meine Armbeuge desinfiziert, fängt mein Herzschlag an, im kompletten Körper machtvoll zu hämmern. Ungewollt spannt sich mein ganzer Körper an. "Josi, versuch dich zu entspannen!" Finn macht eine Pause und legt seine warme große Handfläche auf meinem Arm ab.
"Ha ha ha!", viel mehr bringe ich nicht über meine Lippen, da sich in meiner Speiseröhre schon ein verräterischer Schwall Magensäure anbahnt.

Ganz ruhig! Das ist nur der Stress!
Lenk dich ab, schließe die Augen und... Nein, lass die Augen auf...
Aaaah.. Broooooooot! Broooooooooooooot!
Brooooooooooooooooooot!
Himmel Herrgott, aber auch nochmal, dieses scheiß Brot ist auch nicht mehr das, was es einmal war.

Ich schüttel energisch Alex' Finger von mir ab, setze mich schnell auf und schiebe Finn, auf seinem Stuhl, etwas von mir weg. Sobald die Bahn frei ist, renne ich so schnell wie möglich auf die Toilette und gehe meinem Porzellanfreund zuhause leider das erste Mal so richtig fremd. Natürlich hätte ich von den Herren Doktoren auch eine Nierenschale bekommen, aber ganz ehrlich? Für dieses Volumenzeugnis braucht es dann schon mehr als so eine kleine Pissschüssel.

Nach dem Akt der bitteren Erleichterung, spüle ich meinen Mund aus und werfe mir eine große Ladung Wasser ins Gesicht. Nach einem Blick in den Spiegel muss ich feststellen, dass ich der Dame von "The Ring" ordentlich Konkurrenz machen könnte, nur in der Beweglichkeit könnte es ein wenig hapern. Alex kommt mir, bei meinem Rückweg, entgegen gesprungen und atmet schwer auf:
"Musstest du dich übergeben?" "Nein, ich habe eine Teeparty geschmissen!" Meine pampige Stimme ist eigentlich gar nicht beabsichtigt und sorgt auch sofort für ein schlechtes Gewissen. "Sorry...Ich.." "Nein, alles okay. Ist in Ordnung. Wir müssen jetzt leider schleunigst Blut abnehmen und dich ans CTG hängen!" Alex' mitleidiger Blick hilft auch nicht viel bei der Tatsache, dass ich jetzt alles schnell über mich ergehen lassen muss. Als auch die letzten Meter zum Behandlungsraum überwunden sind, finde ich mich gähnend auf der Liege wieder. Die Müdigkeit klatscht mir mit ein paar Fausthieben ins Gesicht, worauf ich ordentlich mit der Offenhaltung meiner Augen zu kämpfen habe. Finn arbeitet jetzt leider ohne Rücksicht auf Verluste und desinfiziert erneut meine Armbeuge, was wieder die Panik in mir aufkommen lässt. "Alex! Mir...", ich brauch gar nicht weiterreden, denn mein Freund schnappt sich sofort meine Füße und versucht somit der Ohnmacht entgegenzuwirken. Die Nadel bohrt sich währenddessen gnadenlos in meine Vene und zapft mir gefühlt zehn Liter Blut ab.

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt