Am Nebentisch bekommt so ein schnöseliger Typ gerade ein richtig dickes Steak, das allem Anschein nach direkt aus dem Tier herausgeschnitten und danach auf den Teller geklatscht wurde.
Steak-Rare, wie ich es hasse!
Mir wird sowas von Kotzübel, das glaubt mir kein Mensch. Der Duft legt sich wie ein Schleier um meine Nase und scheint viele lange Nadeln bis in meinen Magen hinunter zu schieben.
Meinem Gefühl nach, bewegt sich das Farbspektrum in meinem Gesicht schon in allen möglichen Grüntönen.
An meinen Armen zieht ein Gänsehautschauer auf, der schon auf tausend Meter Entfernung sichtbar sein muss. "Josi, ist alles in Ordnung?" Christopher beobachtet mich schon die ganze Zeit und am liebsten würde ich jetzt kreischend davonrennen. Ich lächle es aber tapfer weg: "Na, klar. Alles prima."Du ruinierst jetzt nicht den schönen Abend, Fräulein Mayer!
Auf die Gespräche kann ich mich schon lange nicht mehr konzentrieren und je länger dieses Stück Fleisch am Nebentisch vor sich hin blutet, desto mehr Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn.
Kann man sich auch wegen einem Stück Fleisch so anstellen?
Als der Nebenmann dann noch mit vollem Mund anfängt zu sprechen und ihm ein Blutstropfen aus dem Mund tropft, ist es vorbei: "Alex, ich muss hier weg, ich sterbe sonst!" Meine Hand klammert sich panisch in Alex' Arm, worauf dieser bei meinem Anblick wohl total erschreckt: "Atme tief durch!" "Im Leben nicht!" Als ich versuchen will aufzustehen, merke ich kaum ein Gefühl in meinen Beinen, was wohl auf meine komplett angespannte Muskulatur zurückzuführen ist. Mein Kopf findet das allerdings nicht so witzig und schält auf Panikmodus um. Von da an geht dann auch alles ganz schnell: Mein Herz rast, meine Atmung stockt, das Flimmern vor meinen Augen setzt ein und zack, bin ich weg.
Als ich ein leises Stimmengewirr und ein Brennen auf meinem Brustbein wahrnehme, öffne ich langsam die Augen. Zu meiner Rechten hängen Christopher und Alex über mir, zu meiner Linken Phil und Florian. "Oh mein Gott. Sorry! Das ging alles so schnell und..." Phil legt mir einen Finger auf den Mund: "Du regst dich nicht auf, sondern atmest ganz ruhig weiter. Du bekommst jetzt mindestens zwei Infusionen mit Flüssigkeit, das wird dann auch regelmäßig durchgeführt. Dein Flüssigkeitsverlust ist morgens in letzter Zeit enorm und den restlichen Tag trinkst du nicht viel." "Der Typ am Nebentisch hat so ein ekelhaftes Fleisch gegessen, das hat mich echt fertig gemacht und als ich vorhin aufstehen wollte, habe ich meine Beine nicht mehr gespürt und Panik bekommen!" Meine Erklärung wird von Phil abgenickt: "Du hast dich verkrampft und bist vielleicht noch blöd gesessen. Als ich deine Beine vorhin von dem Stuhl runtergenommen habe, hast du sie weggezogen. Vielleicht sollte Alex dich mal massieren!" "Lieber nicht, sonst gibt's womöglich nachher noch Vierlinge hahahaha!" Zumindest habe ich meinen Humor nicht verloren, was Christopher ebenso zu gefallen scheint. Ich drehe mich zu ihm und verziehe das Gesicht:
"Es tut mir wirklich sowas von Leid, jetzt habe ich den kompletten Abend versaut!" "Diesen Tag kann man überhaupt nicht versauen, glaub mir! Du kannst nichts dafür! Anne sagt gerade unsere Termine für die nächsten zwei Tage ab und wir verlängern unseren Aufenthalt etwas".Ich nicke nur vor mich hin, da die Hetkamp-Sippe eh nichts von ihren Vorhaben abbringen lässt. "Phil, kann ich mal wieder aufstehen? Langsam wird's peinlich", ich erdolche alle gaffenden Restaurantbesucher, die sich extra langsam an uns vorbeischieben, mit meinen Blicken.
Phil richtet sich an Florian: "Holt ihr die Trage? Dann packen wir die junge Frau mal ein!" Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und mustere ihn kritisch: "So war das nicht gemeint. Ich will mich einfach nur wie ein normaler Mensch auf einen der Stühle setzten." Phils Grinsen verheißt mir nichts Gutes: "Du wirst jetzt wie ein normaler Mensch in den RTW gepackt und in die KaS gefahren! Yannick, bereitest du schonmal die nächste Infusion vor, bitte?" Da ich gar nicht mitbekommen habe, dass ausser Phil und Flo noch andere Rettungskräfte anwesend sind, drehe ich meinen Kopf etwas auf die Seite und werde von Yannick und Marion angegrinst. "Phil.... muss das sein? Das bisschen umkippen kennen wir doch schon und..." Herr Funke schüttelt so energisch mit dem Kopf, dass ich meinen Satz schon von ganz alleine abbreche. "Ja, muss sein. Keine Widerrede. Alex willst du mit oder soll ich Josi nach Schichtende mitbringen? Muss nicht mehr lang". Der im Dienst befindliche Notarzt kontrolliert nebenher nochmal meinen Puls und den Blutdruck, womit er zufrieden zu sein scheint. "Ich komm mit!" Alex dreht sich kurzerhand zu seinem Vater: "Kannst du mein Auto nach Hause fahren?" "Wir fahren euch hinterher! Schließlich muss ich doch ein Auge auf meine zukünftige Schwiegertochter werfen." Christopher zwinkert mir zu und ich stöhne nur innerlich auf, da ich zukünftig einen weiteren Arzt an der Backe kleben habe.
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Einzelkämpfer (ASDS)
FanfictionASDS - Fanfiction Josi hat ein ernstes Problem an der Backe und versucht davor zu flüchten. An ihrem Zielort, trifft sie unglücklicherweise auf ihren Bruder, zu dem sie schon lange keinen Kontakt mehr hatte und der seiner Schwester unbedingt helfen...