(132) Alles okay

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“Hey Schatz, alles okay bei dir?", kaum hat Alex das Haus betreten, kommt er auch sofort angeflitzt. "Hey. Klar, alles im grünen Bereich. Ich bin heute morgen beim Bäcker nur zu schnell aufgestanden und der Herr Funke hat gleich wieder einen Staatsakt daraus gemacht!", ich erwidere seinen Kuss und mache ein bisschen Platz, damit er sich neben mich auf das Sofa setzen kann. Alex kontrolliert erst meinen Puls und wirft mir danach ein paar besorgte Blicke zu: "Wir haben ja morgen einen Termin bei Finn, dann müssen wir das mal ansprechen!" "Alex, ich muss einfach langsamer aufstehen! Das ist alles!" Ich greife nach seiner Hand und verschränke unsere Finger miteinander. "Hmmm, ich denke dein Blutdruck ist zu hoch... kann bei Zwillingsschwangerschaften verstärkt vorkommen. Das muss man überwachen, weil das auch für die Kinder nicht gut sein kann. Für dich sowieso nicht. Ist dir übel, hast du Kopfschmerzen, Flimmern vor den Augen, Oberbauchschmerzen oder irgendwas in der Richtung?" Herr Hetkamp bringt mich mit seiner Fragerei dazu, die Augen zu verdrehen und laut zu seufzen: "Denkst du nicht, dass ich es dir sagen würde, wenn solche Symptome auftreten?" "Manchmal bin ich mir da bei dir nicht so sicher..." Nachdem er diesen Satz rausgehauen hat, macht er sich ohne weiteres auf den Weg in die Küche, worauf die Kaffeemaschine zu hören ist.

Will der jetzt unbedingt streiten?

"Hattest du einen schlechten Tag oder passt dir irgendwas nicht?", da ich jetzt nichts herausfordern will, bleibe ich auf dem Sofa liegen und schreie lieber durch das halbe Haus. Eine Antwort kommt keine zurück. Alex ebenfalls nicht.

Josi, lass ihn einfach. Der hatte bestimmt einen anstrengenden Tag und da braucht man nach dem Dienst halt auch mal seine Ruhe… Kennst du doch!

Mein Handy reißt mich aus meiner Gedankenwelt und freudig erkenne ich Susi's Name auf dem Display.

Ich: "Hey Susi. Bist du schon daheim?"
Susi: "Ja. Gerade angekommen. Pass auf: Die Wohnung ist arschgeil! Nicht zu groß und nicht zu klein. Es ist eine Maisonette Wohnung. Ich bin wirklich hin und weg!"
Ich: "Wow, okay und jetzt? Wie sieht es mit den Kosten aus? Nimmst du sie? Wo liegt die Wohnung überhaupt? Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen!"
Susi: "Sie kostet etwas mehr, als meine alte Wohnung. Liegt aber immerhin im Rahmen und wenn Phil mal zu mir zieht, haben wir immer noch genug Platz. Die ist nur zehn Gehminuten von der WG entfernt. Geil oder?"
Ich: "Ähm, Stopp! Wie, zusammenziehen?"
Susi: "Boah... WENN...Wir ziehen nicht jetzt oder in absehbarer Zeit zusammen. Aber man muss das ja schon auch irgendwie miteinberechnen!"
Ich: "Langsam macht ihr mir echt Sorgen!"
Susi: "Jetzt häng dich nicht daran auf! Der Einzugstermin ist eine Woche vor deinem errechneten Geburtstermin. Das ist doch geil, dann bin ich rechtzeitig da!"
Ich: "Ich kann das gar nicht glauben... Also, nimmst du die Wohnung?"
Susi: "Ja, mann! Bald sind wir wieder in unmittelbarer Nähe. Ich könnte gerade ausflippen vor Freude!"
Ich: "Ich freue mich wahnsinnig! Dann müssen wir aber Gas geben und dir schnell einen Job suchen!"
Susi: "Ja! Ich hoffe es klappt alles, so wie ich es mir vorstelle. Ich werde ein paar Bewerbungen raushauen, auch an Betriebe, die keine Stelle ausgeschrieben haben. Vielleicht habe ich Glück und irgendjemand braucht Unterstützung!"
Ich: "Ich durchforste nachher auch gleich das Internet und schicke dir, was ich so finde, okay? Wenn ich dir sonst was helfen kann, sag bescheid!"
Susi: "Bleib einfach liegen und höre auf die Männer. Phil hat sich wirklich Sorgen gemacht. Er hat noch mit Alex telefoniert"

Aaaaah, daher weht der Wind!

Ich: "Ich liege immer noch brav auf dem Sofa. Der Muffel ist auch schon zuhause und scheint überaus gut gelaunt zu sein. NICHT!"
Susi: "Der war am Telefon schon pissig. Ich denke, das hat größtenteils mit der Arbeit zu tun. Also reg dich nicht auf und lass ihn einfach ein bisschen in Ruhe!"
Ich: "Der hat sich eh in die Küche verkrümelt und da ich gehorsam bin und nicht vom Sofa aufstehen werde, hat er seine Ruhe."
Susi: "Super. Also dann. Sorry, aber ich muss schon mal anfangen, die Wohnungskündigung zu schreiben und ebenfalls die, für meinen Betrieb. Die werden nicht sehr erfreut sein. Aber, was muss das muss!"
Ich: "Klar doch. Lass dich nicht aufhalten! Wir hören uns. Bis dann."
Susi: "Tschüssi!"

Diese Informationsflut muss ich erst einmal sacken lassen...

Nach einer Stunde ist von Alex immer noch nichts zu hören, geschweigedenn zu sehen, darum erhebe ich meinen Körper und mache mich auf die Suche nach dem Muffel. "Hey, du sitzt ja immer noch hier. Was ist los? Scheiß Tag gehabt?", in der Küche eingetroffen, finde ich meinen Freund gedankenversunken am Esstisch wieder. Ich setze mich vorsichtig neben ihn und lehne meinen Körper gegen seinen. Im ersten Moment regt er sich kein Stück, doch nach ein paar Minuten schafft er es, einen Arm um mich zu legen und mich fest an sich zu drücken: "Tut mir leid. Heute war echt ein beschissener Tag. Wir hatten einen Fall, der mir doch etwas nahe gegangen ist!" "Willst du darüber reden?", nachdem ich ihm einen Kuss auf die Backe gedrückt habe, schüttelt er den Kopf: "Nein. Das ist absolut nichts für deine Ohren!"

Auf diese Aussage hin, kann ich mir ungefähr selbst zusammenreimen, was für ein Einsatz das gewesen sein muss. Eventuell eine Schwangere, die massive Probleme hatte oder aber das Schlimmste eingetreten ist, und sie eventuell sogar ihre Kinder verloren hat. Mit diesen Gedanken im Kopf, lasse ich meine Nachfrage auch sein, denn Alex ist aufgewühlt genug und wenn er schon sagt, dass das nichts für meine Ohren ist, dann wird er auch nichts rauslassen.

"Hey, zusammen!" Stephan und Franco kommen zur Haustüre hereingeschossen und machen sich sogleich über die Kaffeemaschine her.
Alex schiebt mich langsam aus seiner Umarmung, worauf ich ihm seinen Freiraum gebe und mich vom Acker mache. Allerdings nicht, ohne Stephan wortlos den Befehl zukommen zu lassen, dass er sich um Alex kümmern soll. Dieser versteht sofort, was ich will und nickt mir zu.

Hoffentlich redet er mit Stephan und Franco...

Um mich abzulenken, gehe ich nach oben in unser Zimmer, setze mich in unser Bett und schmeiße den Laptop an. Ich wühle mich durch sämtliche Stellenanzeigen. Nach der ersten Stunde, habe ich Susi bestimmt sechs Jobangebote geschickt und nach einer weiteren, hat sie sämtliche Adressen von Floristik Betrieben von Köln in ihrem Postfach.

Anschließend ziehe ich mir einen Film bei Netflix rein, bei dem ich nicht verhindern kann, dass ich einschlafe. Erst als jemand den Laptop von meinem Körper entfernt, wache ich auf und reibe mir durch mein Gesicht. "Du kleine Schlafmütze! Komm, wir ziehen dir jetzt die Jeanshose aus, dann kannst du weiter schlafen!" Alex' Stimme ertönt sanft neben meinem Ohr und erweckt den Anschein, dass er wieder etwas geerdet ist. "Hmmm, okay", viel mehr stimmlicher Gebrauch ist von mir gerade nicht zu erwarten. Alex hilft mir die Hose loszuwerden und kuschelt sich anschließend zu mir ins Bett. Mit meinem Rücken an seine Brust gedrückt und seinen Händen an meinem Bauch, fühle ich mich sofort wohl und streiche über seine Arme: "Geht's dir wieder ein bisschen besser?" "Ja! Mach dir keine Sorgen" Alex entspannt sich deutlich hinter mir, doch irgendwie missfällt mir der Gedanke, dass ihn noch irgendetwas beschäftigen könnte und ich ihm nicht helfen kann: "Mach ich mir aber. Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst! Ich weiß selbst, wie viel Leid und unschöne Dinge auf der Welt passieren und ich habe mittlerweile in meinen Dienstjahren gelernt, damit umzugehen. Was meinst du, wie viel schlimme Schicksalsschläge irgendwelchen Leuten in meinem Alter passiert sind. Aber das beziehe ich nicht auf mich... Deshalb kannst du mir auch erzählen, wenn irgendetwas mit einer Schwangeren vorgefallen ist. Das bin nicht ich!" Meine Worte scheinen Alex nicht zu überzeugen, denn die leichte Anspannung seinerseits geht nicht unbemerkt an mir vorbei. "Wie gesagt, es ist alles okay. Schlaf gut!" Mit einem kleinen Kuss auf den Hinterkopf beendet Herr Doktor das Gespräch und kuschelt sich näher an mich ran. Mein Kopf will sich damit nicht wirklich zufriedengeben, aber wenn ich jetzt nochmals nachhaken würde, wäre das für die Stimmung nicht gerade ein optimaler Schachzug.

Vielleicht bekomme ich etwas aus Stephan raus... Mit dem richtigen Futter kann ich ihn bestimmt bestechen!

Einzelkämpfer (ASDS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt