2. Der Vogel und das Biest

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Raisa befand sich auf ihrem Titanen, welcher durch die Ebenen von Hyrule ging. Während sich die anderen Titanen im Nordosten, Osten, Südwesten und Westen befanden, war der Bereich, in dem sich Inazuma befand genau die Mitte. Interessanterweise hatte Raisa recht schnell herausgefunden wie man den Titanen steuerte und für sie war das fast schon ein Kinderspiel. Mit ein bisschen Willenskraft bekam man schließlich alles hin.

Mit Ausnahme von einer Sache war alles grade einigermaßen in Ordnung. Sie hatte ihre Ruhe, denn weit und breit war keine Menschenseele. Das einzige was sie momentan wirklich störte, war dieses widerliche Gefühl in der Magengegend. Auch bekannt als Hunger. Zwar war sie ein Recke, aber das bedeutete nicht, dass ihr die Händler ihr Proviant vor die Füße warfen. Und Geld besaß sie keins. Und die Zeiten, wo sie in Hyrule die Händler ausgeraubt hatte, waren vorbei. Na ja, hin und wieder half sie den Händlern ihre prallen Geldbeutel etwas zu leeren, aber das kam wirklich nicht mehr so oft vor.

Das wiederum bedeutete, sie musste wohl ein Tier aus den Wäldern jagen. Das war an sich kein Problem, allerdings musste sie dort erstmal hinkommen. Und auch wenn Inazuma sein Bestes gab, kam es ihr trotzdem wie eine Ewigkeit vor.
Raisa saß auf dem Kopf ihres Titanen und beobachtete ihre Umgebung. Früher oder später würde sie schon etwas finden. Bis dahin hieß es Zähne zusammenbeißen und warten.

Nach unendlich vergangener Zeit hatte Raisa gefunden was sie gesucht hatte. Mit Pfeil und Bogen verließ sie ihren Titanen und schlich im Wald umher. Sie war keine gute Bogenschützin, ihre eigentliche Waffe war schließlich das Schwert, aber um ein Tier zu töten, sollte es ausreichen. Und ein Ziel hatte sie bereits gefunden.
Sie setzte den Pfeil an und spannte den Bogen. Nicht mehr lange und dann hatte sie endlich was zwischen den Zähnen. Ein Reh weniger in Hyrule, was machte das schon aus? Zudem musste man ihre Menge doch eh im Zaum halten, da sie sonst die Wälder zerstörten.

Sie wollte grade loslassen, da kam ihr ein starker Windstoß entgegen, welcher dafür sorgte, dass sie sich verschoss. Und wäre das nicht schon bitter genug gewesen, das Reh war nun auch weg. Das war kein normaler Windstoß, weshalb sich Wut in ihr breit machte.

„Ich weiß, dass du hier bist. Spiel deine Spielchen gefälligst woanders." Raisa knurrte fast schon. Wie sie diesen Bastard hasste. Revali, welcher zuvor noch flog, landete gegenüber von ihr, lachend. „Hast du nichts Besseres zu tun, als mich zu nerven?", fauchte sie ihn an. Das brachte ihn nur noch mehr zum Lachen. „Glaube mir, ich könnte mir auch schöneres vorstellen, als bei dir zu sein. Aber mir war langweilig und ich habe dein Kätzchen herum streifen sehen." Kätzchen? Sollte er das Wiederholen, würde Raisa ihn an einem Baum fesseln und ihn von ihrem 'Kätzchen' pulverisieren lassen.

Aber sie blieb ruhig. Raisa atmete tief durch, nahm sich ihren verschossenen Pfeil und ging einfach. Damit hatte der Vogel wohl nicht gerechnet, weshalb er verstummte. Doch legte er gleich seine nächste Bemerkung hinterher. „Hab' ich etwa deine Gefühle verletzt? Das tut mir aber leid", lachte er ironisch. „Ich diskutiere nicht mit Idioten", warf Raisa zurück. Auch wenn sie wenig besaß, sie hatte immer noch ihre Würde. Und sie würde sich sicherlich die Hände nicht an jemanden wie ihm schmutzig machen. Das wäre eine Schande.

„Dann bist du Feige?", fragte er und folgte ihr. Da hatte er einen wunden Punkt erwischt. Vergessen sollte man alles, was sie zuvor sagte mit 'Würde behalten'. Raisa mochte vieles sein, aber mit Sicherheit nicht feige. Ihre goldenen Augen schauten verärgert zu ihm. Er sollte seine Worte besser geschickt wählen, ansonsten sah es schlecht für ihn aus.
„Du schaust aber böse. Was hältst du davon, dass wir die Sache einfach in einem Kampf austragen?" Er ging um sie herum, sie hingegen zog prompt ihr Schwert. Nichts lieber als das, dann könnte sie diesem Federvieh endlich die Leviten lesen.
„Aber, aber, doch nicht hier! Oben im Himmel, auf Medoh. Voraussichtlich du schaffst es jemals da hoch!" Er lachte und flog in die Lüfte. Fein, wenn er spielen wollte, dann sollte er sich auf etwas gefasst machen.
Raisa ging zu Inazuma zurück. Das Gefühl von Hunger war vergessen, stattdessen machte sich in ihr Verärgerung breit. Was fiel diesem Vogel ein? Erst forderte er sie heraus und dann machte er sich aus dem Staub. Wer war hier der Feigling?

Wieder zurück auf ihrem Titan schaute Raisa in den Himmel. Der Titan von dem Federvieh war weit entfernt, seine Runden fliegend, zu sehen. Aber der sollte sich nicht zu früh freuen. Sie würde schon noch einen Weg hoch zu Medoh finden. Mal sehen, ob er seinen vorlauten Schnabel dann immer noch so weit aufreißen wird. Das würde sich dann zeigen.

Etwas, was sie auch nicht verstehen konnte, war seine Antipathie ihr gegenüber. Nun, sie selbst würde sich auch nicht wirklich mögen, aber hassen? Die anderen Recken waren ihr ja auch mehr oder weniger freundlich gegenüber getreten.
War es ihr Aussehen? Die silberweißen Haare, deren Farbe sie nur bekommen hatte, weil sie sich die Haare geblichen hatte. Ihr zerschlissenes, dunkelgraues Top? Die ärmellose, offene und nicht mehr ganz so weiße Bluse. Ihre durchlöcherte Hose und ihre Stiefel mit fast durchgelaufener Sohle. War ihr Aussehen denn so abschreckend? Sie konnte es nicht ändern, sie war arm und das würde auch so bleiben. Sie war nicht in einer wohlhabenden Familie wie die anderen Recken aufgewachsen.

„Warum mache ich mir überhaupt Gedanken darüber?" Raisa lachte wieder auf. Es konnte ihr doch egal sein, wie die anderen von ihr dachten! Darüber hatte sie sich zuvor auch nicht den Kopf zerbrochen, warum also jetzt? Sie musste doch nur ihr selbst gefallen.
Keinem Federvieh, keinem Menschen oder sonst wem! Sie war die Person, die sie immer sein wollte und damit konnte sie sich zufrieden geben. Letzten Endes war sie sogar eine der Recken, eine der ranghöchsten Krieger Hyrules. Auch wenn sie dort nicht hinein passte, für ihr Ego war das perfekt.

Raisa, heimatloser Recke von Hyrule. Dies war doch ein Titel, wie er im Buch stand.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt