30. Eine brillante Idee

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  Die zwei Tage gingen glücklicherweise ziemlich schnell rum. Um unnötige Konversationen mit dem Federvieh zu vermeiden, hatte sie sich die meiste Zeit schlafen gestellt. Oder sie hatte wirklich geschlafen. Aber nun war es so weit, endlich konnte sie wieder das Weite suchen.
Ihre Seite schmerzte immer noch, keine Frage, aber mittlerweile konnte sie sich schon wieder einigermaßen bewegen. Aus diesem Grund hatte sie auch protestiert, als der Arzt gesagt hatte, dass sie noch länger ruhen sollte. Noch zwei weitere Tage würde sie mit Revali nicht aushalten. Er hatte in den gesamten zwei Tagen auch nicht einmal das Haus verlassen. Der Grund war, dass er ihr nicht vertraute und sie deshalb nicht alleine in seinem Haus lassen würde.

Sie war mit dem anziehen fast fertig. Ihren Schal, welcher übrigens gereinigt wurde, legte sie wieder locker um die Schultern und ihr Schwert behielt sie samt Schwertscheide in der Hand. Solange die Verletzung nicht vollkommen geheilt war, würde sie es nicht an der Hüfte tragen können. Das ärgerte sie zwar, war aber nicht zu ändern.
„Du gehst also wirklich?", fragte Revali sie. „Sieht wohl ganz so aus. Und sein wir mal ehrlich, länger hätten wir beide das auch nicht ausgehalten", antwortete sie. Er sagte dazu nichts und beobachtete sie weiter. Das blieb ihr nicht verborgen. „Hab ich irgendetwas an mir oder warum starrst du so?", fragte sie harsch. „Nein."
Diese knappe Antwort, die er auch noch so emotionslos rüber gebracht hatte, war fast wie eine Kriegserklärung. Und er hörte nicht auf, im Gegenteil, er machte provokativ weiter. Also checkte sie schnell, ob sie alles beisammen hatte und ging zur Tür. Nun kam der Teil, der ihr weniger leicht viel. „Ich muss dir wohl für deine Hilfe danken, was?", fing sie an. „Hab dank", nuschelte sie und ging. Sie hatte auch nicht vor sich noch ein weiteres Mal umzudrehen. Allerdings hatte sie das Gefühl, dass Revali ihr noch etwas sagen wollte. Egal was es war, er musste es sich nun für ein anderes Mal aufheben.

Sie ging die Treppen im Dorf der Orni hinunter, dabei war ihr Blick selbstbewusst nach vorne gerichtet. Dieses Dorf, es weckte die ein oder andere Erinnerung. Als sie das letzte Mal diese Treppe hinunter ging, war sie diesen seltsamen Orni begegnet mit welchen sie den Plan schmiedete Revali umzubringen.
Sie stellte fest, dass sie sich seit diesem Tag ziemlich verändert hatte. Zu der Zeit war sie noch ziemlich übermütig und fast schon naiv gewesen. Durch ihre erste Niederlage war sie doch etwas über sich hinaus gewachsen. Außerdem...Sie hatte sich wohl schon etwas an Gesellschaft gewöhnt. Es verging fast kein Tag, in dem sie nicht jemanden um sich herum hatte. Und dennoch war sie allein.

Traurig machte sie das aber nicht. Sie ging ihren Weg, völlig unabhängig von dem der anderen. Das brachte ihr mehr Vorteile, als Nachteile. Ein Leben mit anderen Personen sorgte nur für Probleme...und Leid. Das wusste sie am besten.
Seina, sie war ein Straßenkind genau wie Raisa. Beide wuchsen zusammen auf, beide stahlen zusammen...beide lebten denselben Traum. Und mit einem Mal platzte dieser Traum. Und beide mussten sich verabschieden, für immer.

Sie atmete tief durch und verließ das Dorf der Orni über die Hängebrücken. Ihr Glück war, dass sie sich immer noch in Tabanta befand. Das bedeutete, dass ihr Titan nicht allzu weit weg war. Irgendwo im Tabanta Grenzland müsste er herum laufen. Wenn sie bei ihm war... ja, was dann eigentlich? Ihr Training konnte sie sich sonst wo hinstecken. Dazu würde sie erst einmal nicht kommen.
Aber sie konnte doch nicht die gesamte Zeit nichts tun und herum liegen. Was Besseres fiel ihr allerdings nicht ein. Na ja, darüber konnte sie sich immer noch Gedanken machen, wenn sie wieder bei Inazuma war.

Ihr fiel auf, dass sie, wann immer sie weg war, sofort den Weg zu ihrem Titanen einschlug, wenn sie zurück ging. Klar, sie war ein Recke und ihre Aufgabe war es, diesen Titan zu steuern, aber ihr kam nie in den Sinn mal eine Stadt zu besuchen. Oder ein Dorf, wie auch immer.
Dabei sah das Dorf der Zoras, zum Beispiel, wirklich faszinierend aus. Sie konnte einen kurzen Blick drauf werfen, als sie Mipha aufsuchen musste.

Als sie an diesen Tag zurück dachte, kam ihr eine brillante Idee. Mipha hatte doch Heilkräfte! Wenn sie also zum Dorf der Zoras ging, könnte sie Mipha fragen, ob sie diese lästige Wunde heilen könnte. Das wäre perfekt! Und... Mipha hatte mit Sicherheit doch auch nichts dagegen. Immerhin hatte sie schon einmal ein paar Kratzer von Raisa geheilt. Außerdem war dieses Zoramädchen wirklich eine gute Seele. Nicht ein schlechtes Wort hatte sie ihr gegenüber geäußert. Somit war Mipha tatsächlich die einzige unter den Recken, welche Raisa vielleicht ein wenig mochte. Dass bedeutete nicht, dass sie die anderen, mit Ausnahme von Revali, hasste, aber wirklich mögen tat sie diese auch nicht.

Aber, zum Dorf der Zoras war es ein ganzes Stück. Zu Fuß würde sie dort niemals hin können, weshalb sie auch ihren Titanen wieder aufsuchte, bei welchem sie auch fast angekommen war. Sie blieb jedoch stehen, als sie ein Wiehern hinter sich hörte. Sie schaute hinter sich und erkannte Zelda's Leibwächter, Link. Augenblicklich sank ihre Laune. Wenn der aufkreuzte, verhieß das nichts Gutes.
„Ich habe dich gesucht, Raisa", sagte er und stieg von seinem Pferd. „Ich habe mir zwei Tage frei genommen", antwortete sie. „Ich wurde geschickt, um dir zu sagen, dass du Zelda zur Quelle des Mutes begleiten sollst." Raisa verschränkte daraufhin die Arme vor der Brust. „Ich werde Zelda nirgendwo hin begleiten. Wozu bist du ihr Leibwächter?", fragte sie. „Dieser Befehl kommt nicht von Zelda, sondern vom König", erklärte er.
Raisa stöhnte genervt auf. Das hatte auch noch gefehlt. Ihrem König konnte sie sich nicht widersetzten oder wollte es zumindest nicht. Aber sie war grade nicht in der Lage einen Ritt bis zur Quelle des Mutes auf sich zu nehmen. Sie würde an den Schmerzen sterben, ehe sie die Quelle überhaupt sehen konnte.

„Wann soll das los gehen?", fragte sie. „In vier Tagen", antwortete er ihr. Vier Tage, das war mehr als genug Zeit, um zum Dorf der Zoras zu kommen und wieder zurück. „Fein", sagte sie genervt. Sie hatte wohl keine andere Wahl, als sich dem Willen des Königs zu beugen.
„Du kannst jetzt gehen. Ich brauche keinen Leibwächter", sagte sie schroff. Der junge Ritter verstand nicht, warum sie so unfreundlich war. Aber weiter belästigen wollte er sie auch nicht. Somit nickte er und stieg wieder auf sein Pferd. „Richte Zelda von mir aus, dass ich sie nie wieder begleiten werden", rief Raisa Link noch zu.
Nun, während die anderen Recken, mit Ausnahme von Revali, ihn noch auf ihre Titanen einluden, schob sie ihn innerhalb von fünf Minuten wieder ab. Dabei war er extra los geritten und hatte nach ihr und ihrem Titanen gesucht.

Raisa schaute Link noch hinterher, als er davon ritt. Sie musste sich beherrschen, um nicht irgendetwas Dummes anzustellen, was ihre Wunde aufreißen könnte. Sie war sauer, wirklich sehr sauer. Warum musste ausgerechnet sie Zelda begleiten? Es war ja nicht so, dass die Prinzessin von Hyrule überhaupt nicht nervig oder anstrengend war. Nein, gar nicht. Und dann musste sie auch noch zur Quelle des Mutes. Ein Ort, an dem die Götter angebetet wurden. Und sah sie in irgendeiner Art und Weise so aus, als würde sie beten?  

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt