Raisa erkannte sich nicht wieder. Um genau zu sein erkannte niemand in dem Raum wieder. Ihr Haar war nicht mehr zerzaust und etwa schulterlang, sondern glatt und geschmeidig. Es wurde sogar noch ein Stück länger. Dadurch, dass der ganze Schmutz von ihrem Körper weg war, erkannte man, dass sie eigentlich einen ziemlich hellen Teint hatte.
Ihre zerschlissenen und durchlöcherten Klamotten wurden ersetzt. Statt einer kurzärmligen Bluse, trug Raisa nun eine schneeweiße langärmlige. Auch von ihren Stiefeln musste sie sich verabschieden. Zelda hatte hellbraune gestellt, welche sogar richtiges Fell hatten. Vermutlich würde Raisa sich solche nie leisten können.
Wie dem auch sei, sie wusste einfach nicht, ob ihr das gefallen sollte, oder nicht. Schließlich sah sie nun nicht mehr so abschreckend aus, andererseits hatte sie sich noch nie so gesehen und die Menschen würden sie nun für normal halten. „Hier." Zelda reichte ihr den blauen Reckenschal, welchen sie wieder locker um ihre Schultern legte. Er fiel nun nicht mehr so stark auf.
„Ich weiß nicht was ich sagen soll." Das war alles, was Raisa über die Lippen brachte. „Das bedeutet Danke, ihr könnt gehen", sagte Zelda zu ihren Zofen, welche mit einer Verbeugung gingen. „So kannst du dich an der Tafel eines Königs sehen lassen, oder?"
Raisa antwortete Zelda nicht und betrachtete sich weiterhin im Spiegel. Es war, als würde eine ganz andere Person ihr gegenüber stehen. Ihre gesamte Art passte doch gar nicht zu ihrem Aussehen. Und sie würde ihren Charakter mit Sicherheit nicht wegen ihrem Aussehen verändern.
„Nun bist du mir wieder etwas schuldig, nicht wahr?", fragte Zelda grinsend. Abrupt drehte sich Raisa um. „Wie war das?", knurrte sie. „Du müsstest dein Gesicht sehen. Das war nur ein Spaß", lachte Zelda. Raisa schnaubte daraufhin nur. Sehr lustig war das nun nicht. „Brauchst du sonst noch irgendwas?", fragte Zelda. „Ein Haus und ein Vermögen", antwortete Raisa ihr. Zelda rollte mit den Augen. „Das heißt wohl nein", stellte sie fest. „Dann sehen wir uns wohl leider heute Abend", sagte Raisa und ging zur Tür. Eine Antwort von Zelda blieb aus, weshalb sie ohne ein weiteres Wort ging.
Wohin genau Raisa nun gehen sollte, wusste sie nicht. Zudem fühlte sie sich irgendwie unwohl. Zu Inazuma konnte sie leider nicht, da er viel zu weit weg war. Sie würde es sonst nicht mehr rechtzeitig zurück schaffen. Somit blieb ihr nur Hyrule Stadt übrig. Und sie hasste diese Stadt samt Einwohner. Die Straßen waren ein Graus, zu viele schlechte Erinnerungen hatte Raisa an diese. Dennoch, etwas Besseres fiel ihr nicht ein.
Sie verließ das Schloss und schaute in den Westen. Irgendetwas zog ihren Blick dort hin. Und was sah sie? Den riesigen Windtitan, der am Firmament seine Runden drehte... Kaum zu glauben, dass sie sich auf diesem befand. Es erschien ihr, als wäre es bereits eine Ewigkeit her, doch waren es grade einmal ein paar Tage.
Unglücklicherweise schlichen sich ein paar Bilder von dem Federvieh in ihren Kopf. Wie er sie wegen ihres Aussehens auslachte. Sollte dies passieren, sollte er tatsächlich diese Frechheit besitzen und sie auslachen, dann würde sie... dann würde sie erstmal gar nichts tun. Sie wusste bereits, dass sie den Kürzeren ziehen würde, deshalb würde sie nicht so dumm sein und denselben Fehler noch einmal begehen. Das Federvieh sollte nur lachen, sie würde sich schon irgendwie im Zaum halten.
Raisa wand ihren Blick von Medoh ab und ging in die Stadt. Zum ersten Mal hatte sie nicht tausende Blicke in dem Rücken. Sie konnte in die Stadt gehen wie ein ganz normaler Bürger. Das war komisch für Raisa, denn irgendwas fehlte dadurch.
Sie ließ ihren Blick durch die blau geschmückte Stadt wandern. Das Blau war dasselbe wie das von ihrem Reckenschal. Die gaben sich ja ganz schön viel Mühe, nur für diesen einen Tag.
Nun, vermutlich war es auch das Einzige, was sie tun konnten. Wenn die Verheerung jetzt in diesem Moment erwachen würde, was würden die Menschen in dieser Stadt schon groß ausrichten? Nichts, das war die traurige Wahrheit.
Sie schob den Gedanken beiseite. Es war gut, dass die Verheerung jetzt nicht erwachte und die Menschen hier taten zumindest eine Kleinigkeit für jene, die bereit waren ihr Leben im Kampf gegen die Verheerung zu geben.
Raisa suchte einen Stand auf, der irgendetwas zu essen anbot. Den ganzen Morgen hatte sie am Brunnen verbracht und den Rest bei Zelda. Und wer glaubte, dass Zelda an das Wohlbefinden von anderen dachte, der hatte sich geschnitten.
Recht schnell fand Raisa einen Stand am Markt, der ihren Vorstellungen entsprach. „Wie kann ich Ihnen helfen, junge Dame", fragte der Verkäufer sie. 'Junge Dame', so wurde sie noch nie angesprochen. „Ich will eine Auskunft." Raisa war immer noch Raisa, auch wenn ihr Aussehen nun anders war. Ihr schlechtes Benehmen, die fehlende Manieren und ihre schroffe Art behielt sie. Der Verkäufer schaute sie daraufhin etwas verdutzt an. „Was ist das hier?" Raisa deutete auf die ganzen Verzierungen in der Stadt.
„Die Bewohner der Stadt schmücken alles für den Tag der Recken", erklärte der Verkäufer ihr. „Und wie sind die Recken so?" Raisa lehnte sich an den Tisch und ließ langsam und unbemerkt ihre Hand zu dem Silberteller gleiten.
„Mipha, die Zora, ist eine atemberaubende junge Frau. Man sagt, sie heile die Wunden aller Verletzten. Daruk von den Goronen ist der mit der größten körperlichen Kraft von den Recken. Es soll wohl Felsen bewegen können. Die Geruo Königin Urbosa kann Blitze beschwören. Angeblich lebt sie ihr Leben so, wie sie es will. Revali der Recke der Orni ist der talentierteste Bogenschütze überhaupt. Er soll wohl blitzschnell schießen können." Was er nicht sagte. Mit Revali's Talent beim Bogenschießen kannte sich Raisa bereits bestens aus.
„Prinzessin Zelda's Leibwächter ist der Recke der Hylianer. Link ist sein Name. Er ist der einzige der das heilige Bannschwert führen kann und er wird derjenige sein, der die Verheerung niederstreckt. Und... Gerüchten zufolge ist der neue Recke ein Monster. Ein krimineller, welcher insgeheim für die Verheerung kämpfte. Der sechste Recke soll so viel Blut an den Händen... Hey wo gehen Sie hin?", rief der Verkäufer. „Ich habe genug gehört", rief Raisa zurück und aß etwas von dem geklauten Brot.
In ihrem neuen Aussehen sah sie einen riesigen Vorteil. Sie konnte die Menschen damit noch leichter hintergehen.
Eine Hand voll Brot behielt sie und machte sich auf in das Viertel von Hyrule Stadt, wo die Straßenkinder lebten. Es war ein dreckiger und stinkender Ort, wo die meisten Kinder nur noch kraftlos am Boden lagen. Die, die noch Kraft hatten, brachten die Schwachen zur Strecke.
Raisa ging zu einem kleinen Mädchen, welches weinend auf dem Boden saß. Mit geschwollen Augen schaute die Kleine zu ihr auf. Raisa hielt ihr, natürlich emotionslos, das Brotstück hin. Sie selbst wusste zu gut, wie schlecht es den Kindern hier ging.
Auf das Gesicht der Kleine schlich sich ein Lächeln und sie nahm dankend das Essen an. Es war zwar nicht viel, aber immer hin etwas. „Habt vielen Dank", sagte das Mädchen. Raisa nahm das so hin und drehte sich um, um wieder gehen. Jedoch wurde sie aufgehalten.
„Na sie mal einer an, wenn das nicht Lightning ist. Hyrules schnellste Schwertkämpferin und neu ernannter Recke. Man sagt, du hast diesen Namen erhalten, weil deine Schwerthiebe so schnell sind, wie Blitze." Raisa erblickte hinter sich zwei Jungen, vielleicht etwas jünger als sie. „Lebt es sich gut im Wohlstand?", fragten sie mit einem giftigen Unterton. „Ich denke schon. Da fragt ihr allerdings die Falsche. Sucht euch jemanden, der davon Ahnung hat." Sie wollte einfach weiter gehen, doch, durch ihren Instinkt gerettet, wich sie zur Seite aus. Das auf sie geworfene Messer verfehlte sein Ziel.
Raisa ergriff ihr Schwert und zog es ein Stück aus seiner Scheide. „Jetzt hört mal zu, ihr kleinen Helden. Wenn diese Klinge erst einmal gezückt ist, dann wird sie erst wieder eingesteckt, wenn euer Blut an ihr hinunter läuft. Entweder ihr handelt schlau und bringt mich nicht auf die Palme, dann habt ihr vielleicht noch eine Zukunft. Oder ihr verschwendet euer Leben hier und jetzt." Das hatte Wirkung. Die beiden Jungen waren schneller weg, als das Federvieh seinen Bogen hätte ziehen können.
Sie ließ die Klinge wieder ganz in die Schwertscheide fallen und verließ das Viertel der Straßenkinder. Raisa machte sich langsam wieder auf den Weg zum Schloss. Zelda wartete.
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Number 6
Hayran KurguDie Hylianer fanden einen weiteren Titanen, der gegen die Verheerung Ganon eingesetzt werden sollte. Kurzerhand entschloss sich Prinzessin Zelda noch einen weiteren Recken aufzunehmen. Doch wen? Alle Völker Hyrules waren bereits vertreten. Nach lang...