Die Zeit schien stillzustehen. Nichts war zu hören, keine Bewegung war zu sehen – außer ihre eigene. Raisa atmete tief ein und aus, konzentrierte sich nur auf einen Punkt. In ihrer rechten Hand, zwischen dem Zeigefinger und Daumen, ruhte die raue Sehne, die sie jeden Moment loslassen würde. In ihrer linken Hand befand sich, fest umschlossen, ein Bogen. Der tödliche Pfeil wurde mittels der Sehne an den Boden gebunden. Sie versuchte mit aller Konzentration und mit unendlichem Ehrgeiz diese Waffe zu beherrschen, doch... „Jetzt!" Wie gerufen ließ sie die gespannte Sehne zurückspringen, schoss den Pfeil auf den schwarzen Punkt der Zielscheibe, doch schoss sie wieder knapp daneben. Würde dies ein Kampf gegen einen Feind, dann hätte sie versagt.
„Knapp vorbei ist auch daneben. Bist du wirklich so untalentiert oder versuchst du mir mit dieser Unbegabtheit auf die Nerven zu gehen? Zutrauen würde ich dir dies ja." Raisa rollte nur mit den Augen. Revali als Lehrer zu haben, war schlimmer als eine Gefängnisstrafe. Doch leider hatte sie keine wirkliche Alternative. Wen n jemand es schaffen sollte, eine halbwegs gute Schützin aus ihr zu machen, dann er. Und andersherum genauso – wenn Revali denn bis zum Erwachen der Verheerung beabsichtigte ein wenig mit dem Schwert umgehen zu können.
„Ich kann dir nicht sagen, wann ich das letzte Mal Vorfreude verspürt habe, aber der Gedanke dich leiden zu sehen. Spätestens wenn ich dir meine Künste auf die Nase binden kann, gibt mir mehr Genugtuung als alles andere", erwiderte sie. „Wer zuletzt lacht, lacht am besten", entgegnete Revali nur. „Ich lache nicht." Raisa verschränkte die Arme vor der Brust. „Sicher doch", stimmte er ihr scheinheilig zu. „Und das auf dem Rückflug war ein Hustenanfalls deinerseits", zog er sie auf.
Bevor er jedoch weiter kam, zog etwas blitzschnell an ihm vorbei. Und ein weiterer Blick zu Raisa zeigte ihm, dass sie auf ihn geschossen hatte – jedoch nicht mit dem ernsten Vorhaben, ihn zu treffen.„In Stresssituationen oder wenn man dir die nötige Zeit zum Vorbereiten gibt, bekommst du nicht einen gescheiten Schuss hin. Handelst du jedoch, ohne darüber nachzudenken, steigert sich dein Können. Wie kann man nur so seltsam sein?", fragte er. Jedoch war die Frage rhetorisch, was eine Antwort ihrerseits unnötig machte – war Raisa jedoch egal.
„Das nennt sich Instinkt. Kann ich dir wärmstens empfehlen." Sie ging an ihm vorbei und legte den Holzbogen beiseite, nur um sich ausgiebig zu strecken. „Ausdauernd bist du ja nicht sonderlich", merkte er an. „Glaube es ruhig, ich könnte noch viel länger, doch soll alles nach Maß und Plan laufen. Es bringt mir nichts, wenn ich pausenlos an mir zu arbeiten versuche und es letztlich nichts verändert. Ich werde diesem Training nur so viel Aufmerksamkeit und Hingabe schenken, wie es am Tag nötig ist. Auf längere Sicht ist dies der bessere Weg", erklärte sie sich.Zwei Lebensweisen, die sich ungemein unterschiedlich sind, unterschiedliche Arten zu Lernen und Trainieren haben, haben beschlossen den jeweils anderen von ihrer Kunst zu lehren... Ob das unter einem guten Stern stand? „Das mag vielleicht bisher dein Weg zum Erfolg gewesen sein, doch du vergisst, dass uns die Zeit ausgeht", sagte Revali. Sie seufzte.
„Vielleicht müssen wir das einfach ausblenden", schlug Raisa vor und schloss die Augen. „Bitte?!" Und zugleich öffnete sie ihre Seelenspiegel wieder. „Wir können nichts erreichen, wenn wir uns ständig selbst unter Druck setzen. Ja, die Zeit mag davon laufen, aber das tat sie bereits gestern, vor einem Jahr, als wir geboren wurden und noch weit davor – doch hat es uns zuvor gekümmert?"Nein – das war das, was er eigentlich sagen wollte, doch konnte er nicht so recht.
„Wenn du nicht von Grund auf so verkorkst wärst, dann hättest du eine beneidenswerte Persönlichkeit." Sie schnaubte nur. „Irgendetwas ist immer, nicht?" Sie fuhr sich durch ihr Haar, welches sie aus dem Zopf, zu welchem sie es für das Training gebunden hatte, löste.
„Na ja, und du bist kriminell", fügte er noch hinzu. „War unvermeidbar", erwiderte sie gelassen. „Zudem hast du unsagbar viel Hass auf unsagbar viele Dinge", zählte er weiter auf.
„Für mich gibt es auf der Welt nun mal mehr Dinge zum Hassen, als zum..." Raisa stoppte sich selbst. „Ja?", hakte er nach. „Als zum Lieben", vollendete sie ihren Satz.Revali hatte nicht damit gerechnet, dass sie das Wort 'Liebe' in den Mund nehmen würde – grade weil sie emotional gesehen einen ordentlichen Knacks hatte. Doch er hegte den Verdacht, dass sie allmählich darüber stand. Oder zumindest versuchte dort hinzukommen.
„Was hast du eigentlich vor, sollten wir überleben und dieser 'Krieg' sein Ende gefunden hat?" Es interessierte ihn schon, was sie für die Zukunft geplant hatte – sofern Raisa noch an eine glaubte. Es konnte gut möglich sein, dass er sie schon einmal danach gefragt hatte, doch dann hatte er es vergessen. Außerdem konnten Pläne sich auch ändern.„Ich werde Hyrule verlassen", antwortete sie. „In diesem Land kann ich keine Zukunft verbringen, sofern es eine gibt. Ich will weg von hier, egal wohin, ich lasse mich von dem Wind, der die Freiheit trägt, leiten." Aber dieses Vorhaben stand ja sowieso in den Sternen geschrieben. Um genau zu sein, mussten sie noch bis zum Erwachen der Verheerung überleben, den Kampf gegen diese und darüber hinaus auch die Nachwirkungen. Raisa machte sich also nicht die geringste Hoffnung, dass dies Realität werden würde. Sollte es dann aber so kommen, dann würde sie nicht nein sagen – zu diesem, zu ihrem Weg.
„Also dann, ich denke, du bist nun an der Reihe. Mach dich dabei auf das schlimmste Training deines Lebens gefasst", sagte sie. Man konnte es vielleicht nicht glauben, doch Raisa war nicht völlig unvorbereitet. Sie hatte sich Übungsschwerter besorgt. Wie genau, würde wohl niemals jemand erfahren. Jedoch würde sie mit diesen nun gegen Revali kämpfen. Keine Holzschwerter, sie waren schon aus Metall – nur ungeschliffen. Schließlich sollte es bei Fehltritten ja auch ordentlich wehtun. Schmerz war bekanntlich eines der besten Lehrmethoden. Schmerz und Erfahrungen.
„Versuch wenigstens dir Mühe zu geben", erwiderte Revali, der bereits mit mehr als dem Schlimmsten rechnete. Raisa warf ihm geschickt eines der Schwerter zu, welches er mehr schlecht als Recht auffing. Und sie dachte, die Orni wären geschickt. Nun, sie war ja von vorne rein davon ausgegangen, dass ihr viel Arbeit bevorstehen würde. Und sie hatte Recht.
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Number 6
FanfictionDie Hylianer fanden einen weiteren Titanen, der gegen die Verheerung Ganon eingesetzt werden sollte. Kurzerhand entschloss sich Prinzessin Zelda noch einen weiteren Recken aufzunehmen. Doch wen? Alle Völker Hyrules waren bereits vertreten. Nach lang...