118. Abschied

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Zelda zieht so eine Trauermiene, das sieht also nicht gut aus", sagte Revali zu den anderen Recken. Sie alle warteten an dem alten Tor der Ranelle-Straße auf die Rückkehr von Zelda, Link und Raisa von ihrem Ausflug zur Ranelle-Spitze. Doch wirklich erfreut schienen die zu Empfangenden nicht zu sein. Nun gut, Link zeigte nicht viele Emotionen im Allgemeinen und Raisa freute sie nie über etwas. Doch an Zelda war zu erkennen, dass das Ergebnis nicht erfreulich war.

Daruk ging als Erstes zu Zelda. Obwohl vermutlich jeder schon wusste, was der Besuch an der Quelle der Weisheit erbracht hatte, fragte er nach. „Sag schon Prinzessin, hat's geklappt? Dieses Training am Berg der Göttin?" Raisa schenkte ihm daraufhin nur einen genervten Blick. Zwar hatte sie von den Spekulationen der anderen keine Ahnung, doch sie war sich sicher, dass alle erkannt haben mussten, dass es vergebens war. Und auch wenn sie nie so wirklich jemanden in Schutz nahm... Keiner könnte es leiden, wenn man Salz in die Wunde gestreut bekam. Zelda blieb stehen, schloss die Augen und schüttelte stumm den Kopf.

„Ich frage mich, warum sich die Siegelkraft noch immer nicht zeigt...", sagte Revali. Er klang mal nicht so arrogant, vorwurfsvoll oder etwas in die Richtung. „Ich weiß es nicht", sagte Zelda und faltete die Hände. Raisa und Urbosa tauschten kurz wortlos Blicke aus, woraufhin die Gerudo nun Zelda trösten wollte. „Bei uns Gerudos ist es keine Schande, wenn man nicht immer gewinnt. Die Hauptsache ist, man hat alles gegeben und keine Mühen gescheut, so wie du Zelda. Schau dich doch an. Dir unterstehen sechs Personen, die Hyrules Stärke repräsentieren und in den Kampf ziehen werden. Wenn wir gewinnen, dann verdanken wir das auch dir. Wann immer etwas mit unseren Titanen nicht stimmte, war die erste Person, die uns half, du selbst." Die Gerudo lächelte und schaute zur Ranelle-Spitze. „Und was bedeutet schon dieser Berg? Deine Mutter erhielt ihre Kräfte auch nicht durch Gebete, wenn ich mich recht entsinne. Vielleicht ist es bei dir genauso."

Trotz der Worte blieb Zelda's Blick zu Boden gerichtet. „Ich danke dir, Urbosa", sagte sie dennoch. „Prinzessin", erklang Mipha's Stimme. „Ich bin mir sicher, dass es etwas Besonderes ist, was noch fehlt, damit Ihr Eure Siegelkräfte erweckt. Vielleicht ein Gefühl? Ich kann das leider nur sehr schlecht in Worte fassen, aber wenn ich meine Heilkräfte einsetze, dann habe ich ein ganz klares Bild im Kopf und denke an meine Lie..." Die Zoraprinzessin wurde durch ein heftiges Beben unterbrochen.
Raisa konnte sich auf beiden Beinen halten und musterte die Umgebung mit Argusaugen. Die Ursache für dieses Beben musste weiter entfernt sein, denn sie konnte aus ihrer jetzigen Position nichts Auffälliges ausmachen.

Revali musste denselben Gedanken gehabt haben, jedoch konnte er fliegen und direkt nachsehen. An seinen Gesichtszügen erkannte sie, dass ihn es schockieren musste, was er da sah. Raisa beschlich augenblicklich der Gedanke, dass dieses schlechte Gefühl, das sie den ganzen Tag schon verspürte, eine ganz andere Ursache hatte. Eine verheerende Ursache. „Er ist es", sagte Revali und in den Köpfen aller machte sich die Information breit, dass Ganon erwacht war. „Er ist also wirklich erwacht", sagte Zelda. Für Raisa kam das alles wie ein schlechter Witz vor. Keiner hatte damit gerechnet, dass Ganon jetzt und auf diese Weise zurückkehren würde. Natürlich war es absehbar gewesen, durch ihre Vorhersehung, doch Raisa hatte geglaubt, dass sie noch um die zwei Monate mehr Zeit gehabt hätten. Was auch bedeutet hätte, dass Zelda mehr Zeit gehabt hätte... Dass ihre Siegelkraft nun fehlte, war ein ganz großer Nachteil, der den Verlauf dieses Kampfes maßgeblich beeinflussen wird.

„A-aber was sollen wir denn jetzt tun?", fragte Zelda. „Wir tun das, wofür wir uns die gesamte Zeit über vorbereitet haben. Mit oder ohne Siegelkraft, wir müssen da jetzt durch", antwortete Raisa.
„Sie hat recht, Prinzessin. Heute schreiben wir unsere Geschichte und nehmen unser Schicksal in die eigene Hand – egal was für ein Ende dabei herauskommt", sagte Daruk. „Das ist nicht egal", erwiderte Revali. „Raisa hat es uns schon einmal gesagt, ob wir nun sterben oder nicht... Keiner von uns darf versagen, bevor unsere Titanen ihre Kräfte entfesselt haben. Was auch immer passiert, wir dürfen, sofern das passiert, erst danach den Löffel abgeben." Revali schien nicht sehr enthusiastisch zu sein, was das Überleben betraf. „So ist es. Zelda, in meiner Vision kommst du nirgends vor, genauso wie Link. Vermutlich, weil ihr beide in Schloss Hyrule gegen Ganon kämpft. Versaut es nicht, wir müssen uns schließlich auch fügen." Raisa klang selten so ernst, wie gerade.

„Dann lasst uns gehen!", sagte Urbosa und die Recken trennten sich voneinander. Lediglich Raisa und Revali teilten sich denselben Weg, doch verschwendeten sie keine Zeit mit Reden. Zumindest dachte sie das. „Raisa, warte kurz", rief Revali zu ihr. Sie blieb stehen und er landete vor ihr. „Wir haben jetzt keine Zeit dafür", merkte sie an und der Himmel, der sich immer weiter verdunkelte, unterstrich ihre Bemerkung noch einmal. „Das ist vielleicht unser letztes Gespräch. Die Zeit sollten wir uns nehmen." Das wiederum war auch wahr. „Dann sag schnell, was willst du?", fragte sie. „Da dies vielleicht das letzte Mal ist, sollten wir uns wenigstens einmal anständig verabschieden, oder?" Vermutlich...hatte er damit Recht.

Sie, die Hylianerin, die zu Beginn ihrer Zeit als Recke noch alles und jeden hasste. Er, der Orni, der sie provozierte, nervte, verabscheute und was wusste sie nicht alles... Vielleicht sahen sie sich nie wieder. Ein seltsamer Gedanke... Ein seltsames Gefühl. Dabei wollte sie immer, dass der seine und der ihre Weg sich trennten. Jetzt jedoch wünschte sie sich das, was sie sonst immer hasste: leben.
Da nun für unnötigen Stolz nicht der richtige Zeitpunkt war, ließ sie es auch komplett bleiben. Mit einem schwermütigen Lächeln hielt sie ihm die Hand hin – Das war sie, Raisa, ohne irgendeine Maske, hinter der sie sich verstecken konnte, ohne irgendwelchen Stolz. Für den Abschied konnte sie ihm zumindest einmal offenbaren, wie sie wäre, wenn die Dinge anders gekommen wären.
Revali nahm ihre Hand und folgte ihrem Beispiel, einfach mal man selbst zu sein. Doch bei ihm zeigte sich das anders. Kaum hatte er ihre Hand ergriffen, zog er sie nach vorne, zu sich. Seine Flügel legen um sie und er merkte deutlich, wie sich Raisa anspannte. „Du überspannst den Bogen", sagte sie leicht gereizt. „Ist mir relativ", erwiderte er nur. Gut, warum nicht? Das hier war vermutlich das 'Lebe wohl'. Zwar zögerlich, aber dennoch aufrichtig, legte auch Raisa ihre Arme um ihn.

„Eins sollst du noch wissen, Raisa. Mir ist einiges durch den Kopf gegangen und... Wenn ich mit jemanden die Zukunft verbracht hätte, dann vermutlich mit dir. Ich glaube, ich..." Genug der Sentimentalitäten, sie wollte das Folgende nicht hören. Sie wusste, was es war und deswegen unterbrach sie ihn. „Es gibt nur eine Sache, die wirklich wichtig ist. Merk es dir, denn das ist wohl die erste und letzte Weisheit, die ich dir mit auf den Weg gebe: das Ende einer Geschichte, ist der Anfang einer neuen."

Und das war er, der Abschied zweier Seelen, die sich öffentlich hassten, gemeinsam anerkannten und heimlich brauchten.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt