17. Ankunft in Epysa

596 45 2
                                    

Die Nacht über hatte Raisa kein Auge zu gemacht, obwohl ihr Ruhe und Erholung wirklich nicht schaden würde. Das Federvieh schien im Gegensatz zu ihr tief und fest zu schlafen. Jedenfalls gab er keinen Mucks von sich und seine Augen waren geschlossen. Er hätte auch tot sein können.
Sie lag auf dem Rücken und schaute in zu den Sternen. So konnte sie am besten über das nachdenken, was beim Kampf gegen den Yiga passiert war. Es ließ sie einfach nicht los. Hatte sie wirklich den Angriff voraussehen können? Wenn ja, wie? Wie hatte sie das gemacht? Raisa kam auf keine Antwort. Und egal wie lange sie überlegte, es änderte sich nichts.
Also versuchte sie wieder zu schlafen. Sie drehte sich, änderte die Position und zwang sich die Augen geschlossen zu halten. Doch der ersehnte Schlaf kam nicht. Somit würde der morgige, oder mittlerweile der jetzige Tag, die Hölle werden. Sie würde wie eine wandelnde Leiche herum laufen. Dann hatte das Federvieh auch was zu lachen. Wobei...der würde so schnell nicht wieder lachen. So wie Raisa seine Wunde genäht hatte. Wenn man das überhaupt nähen nennen konnte. Wohl eher willkürliches verletzen einer Person, im Glauben, dass man etwas Gutes tat.
Dabei wollte sie dem Federvieh dieses eine Mal wirklich nicht schaden. Naja, das wurde wohl nichts. Aber immerhin war seine Wunde nun geschlossen. So brauchte er keine Angst haben, dass er eine Blutvergiftung bekam. Oder besser gesagt, keine so große Angst. Die Möglichkeit bestand immer noch.

Die ersten Sonnenstrahlen waren zu sehen. Im Westen wurde der Himmel allmählich heller und fast schon gequält schaute Raisa sich das an. Wie sollte sie den Tag nur überleben? Sie hatte Schmerzen, hatte das elendige Federvieh bei sich und zu dem senilen König von Epysa durfte sie auch noch. Da hatte man ja in der Hölle noch mehr Spaß.

Raisa richtete sich langsam auf und fuhr sich durch die Haare. Schlimmer als jetzt konnte es nicht werden, glaubte sie zumindest. Hätte sie zu Zelda damals doch nur nein gesagt. Dann wäre sie nun zwar kein Recke, aber der ganze Stress vom Vortag wäre auch nicht passiert. Aber, im Groben und Ganzen war sie doch zufrieden mit ihrer Entscheidung. Wäre sie kein Recke geworden, hätte sie auch nie Inazuma kennengelernt. Und Inazuma und Raisa... Die beiden waren ein wunderbares Team.
Sie hatte keine Ahnung was für eine Bindung die anderen Recken mit ihren Titanen hatten, doch sie glaubte, dass die Bindung von ihr und Inazuma etwas Besonderes war.

Sie stand auf und blickte über die weite Ebene, die ihr und Revali noch bevor stand. Ziemlich weit in der Ferne konnte man bereits die prächtigen Mauern erkennen, die Epysa umgaben. Immerhin eine positive Sache. Das Ziel war bereits in Sichtweite.

„Du bist bereits wach?", fragte Revali sie ungläubig. Sie schnaubte und drehte sich um. „Nein ich bin ein Geist, weißt du?" Das war eine selten dämliche Frage von ihm. „Dann lass uns keine Zeit verschwenden!", sagte er und stand ebenfalls auf. Schön für ihn, dass er bereits so viel Energie und Kraft hatte. Sie hatte Hunger und wollte noch etwas an diesem Platz verweilen.
„Wenn du hier bleiben willst, nur zu. Ich sage unserem König, dass du umgekommen bist." Das könnte ihm so passen!
Sie ging zu ihrem Pferd und schwang sich drauf. Todmüde hin oder her, da musste sie jetzt durch. Das Federvieh schien heute wieder auf Konfrontationskurs zu sein. Also musste sie sich auf alles gefasst machen.

Während die beiden die Ebene überquerten, schienen sie eine Menge Glück zu haben. Sie hatten überhaupt keinen Kontakt mit Monstern, was fast schon seltsam war. Wenn man bedachte, wie schlimm der gestrige Tag war.
Sie erreichten, ohne einmal Halt gemacht zu haben, die Stadtmauer von Epysa. Oder die des Landes? Sie war riesig, sodass man ihr Ende kaum sehen konnte. Doch wer war so verrückt und ließ sein Land einmauern?

„Wer will in die Stadt?", fragten zwei Soldaten. Diese Worte weckten bei Raisa Erinnerungen. Hatte sie nicht fast dieselben gehört, als sie in das Dorf der Orni wollte? „Wir", antwortete sie genauso frech wie damals. Diese Soldaten reagierten aber anders, als der Orni. Sie richteten sofort ihre Lanzen auf Raisa und Revali.
„Haltet ihr euch für lustig?", fragten sie. Und wie sich Raisa für lustig hielt. Der Spaß der ganzen Sache war ihr ins Gesicht geschrieben. Nicht. „Wir wurden vom König von Hyrule geschickt, um euren König eine Nachricht zu überbringen", erklärte das Federvieh. „Damit wissen wir immer noch nicht, wer ihr seid." Was für zwei dämliche Sturköpfe. „Und wer seid ihr?", fragte Raisa. Dass die Geduld der beiden Soldaten bald am Ende war, war deutlich zu sehen. „Halt jetzt deine verdammte Klappe", sagte Revali. Er schien das wohl überhaupt nicht lustig zu finden.
„Wir sind zwei der Recken von Hyrule. Ihr wisst schon... Die, die für euch Kämpfen, obwohl ihr nicht einmal einen Finger rührt", sagte Raisa und widersetzte sich somit dem, was Revali sagte.

Nach kurzem Zögern ließen die Soldaten die beiden in die Stadt. In die wirklich riesige Stadt! Somit war das "Land" Epysa nichts Weiteres, als eine riesige Stadt. Kein Fluss, kein Wald, keine Landschaften, nur Häuser. Und natürlich das Schloss, welches aber nicht halb so prächtig wie Schloss Hyrule war.
„Ich mag diese Stadt nicht", sagte Raisa. Das Federvieh stöhnte genervt auf. „Wir sind höchstens zwei Minuten hier. Woher willst du also wissen, dass du diese Stadt nicht leiden kannst?" Raisa schaute zu Revali herüber, welcher verständnislos zu ihr blickte. „Spürst du denn gar nichts?", fragte sie ihn. Er schaute sie etwas verwirrt an. Was sollte er spüren?
„Die ganze Stimmung hier... Das ist alles so erdrückend. Als würde ein dunkler Schleier auf der Stadt liegen." Er spürte immer noch nichts und nahm das, was Raisa sagte auch nicht wirklich ernst.

Trotz der verschiedenen Meinungen machten sich die beiden recht schnell zum Schloss auf. Die Wachen ließen sie durch, vermutlich, weil sie den Reckenschal der beiden erkannten. Und es gab nur sechs Personen auf dieser Welt, die etwas Derartiges trugen. Und sie alle standen im Dienst des Königshauses Hyrules.

Der Thronsaal war direkt voraus. Raisa und Revali erkannten ihn bereits, den alten König von Epysa. Er trug mehr Schmuck und Accessoires an sich, als in einem Juwelier zu finden war. Er war das typische Bild eines Königs, welches Raisa immer im Kopf hatte.
Die beiden Recken gingen zum Thron oder wollten es zumindest. „Wenn ihr mit etwas zu sagen habt, dann sagt es dort, wo ihr steht!", donnerte des Königs Stimme durch den Saal. Raisa und Revali blieben augenblicklich stehen.
„Euer Majestät, wir sind zwei der Recken aus Hyrule. Unser König bat uns Euch eine Nachricht zu überbringen." Raisa war es recht, dass Revali das Sprechen übernahm. Sie würde sich wahrscheinlich im Ton vergreifen.
„Ob ihr nun Recken oder Strecken seid, ist mir egal. Ihr seid nur kleine Fische, was könnt ihr schon? Wenn euer ach so toller König etwas von mir will, dann soll er gefälligst selbst herkommen." Der König schaute gelangweilt zu Raisa und Revali. Die beiden glaubten, dass sie sich verhört hatten. „Euer Majestät?" Nun war Raisa diejenige, die sich zu Wort meldete. „Wir haben eine ziemlich gefährliche und anstrengende Reise hinter uns gebracht, nur um Euch diese Nachricht zu überbringen. Und Ihr wollt sie euch nicht einmal ansehen?" Ihr passte das nicht. Was bildeten sich die Leute vom Stand bitte ein? Die sollten mal gegen Leunen oder Yiga kämpfen. Mal sehen, ob sie dann immer noch so sprachen.

Der König verrenkte seine Augen und schaute zornig zu Raisa und Revali.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt