68. Raisa's List

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„Macht gefälligst eure Arbeit und hört auf mich zu studieren", rief sie in einer Mischung aus Unfreundlichkeit und Verärgerung. Ob sie hier nun ungewöhnlich war oder nicht, das war ihr herzlich egal. Aber niemand sollte es wagen und sie mit diesen Schwächlingen vergleichen, die sich nicht hertrauten. Sie hatte schon zu Zeiten gegen Leute gekämpft, da hatten einige hylianische Krieger noch an den Rockzipfel ihrer Mütter gehangen.
Die Goronen jedenfalls drehten sich daraufhin weg. Mit einem abwertenden Laut setzte sie sich wieder in Bewegung. Daruk war ganz klar nicht hier, also hielt Raisa auch nichts an diesen Ort. Dachte sie zumindest.

„Hiergeblieben", hörte sie jemanden hinter sich rufen. Sie verdrehte die Augen – warum sollte auch mal etwas reibungslos funktionieren? „Die anderen Holzköpfe wissen das nicht, aber Daruk, unser Recke, hat gesagt, dass wir jeden zurückschicken sollen, der kein Gorone ist. Der Todesberg ist momentan zu gefährlich!" Wer war hier der Holzkopf? Der, der die Mienen überwachte oder die Arbeiter?
„Boss, ich glaub' das is' der weibliche hylianische Recke", rief einer der Arbeiter. Ach, so wurde sie mit Link auseinander gehalten? Der männliche hylianische Recke und der weibliche, wie kreativ das Volk von Hyrule doch war. Die Goronen stoppten ihre Arbeit und hörten gespannt zu, was für eine unangenehme Stimmung sorgte. „Eine der Recken also? Kannst du das auch beweisen?", fragte der "Boss".
„Das habe ich nicht nötig", antwortete sie mehr als genervt. War es wirklich zu viel verlangt, eine Stadt betreten zu dürfen, ohne irgendwelche Zwischenfälle? Entweder wurde sie aufgehalten oder festgenommen. Das Dorf der Orni, Gerudo Stadt und Epysa, bei all diesen Städten oder Dörfern hatte sie ihre Probleme gehabt. Jetzt auch noch Goronia?

„Werde nich' frech. Du bist noch viel zu grün hinter den Ohren." Aber natürlich, Raisa und grün hinter den Ohren. Das konnte der vielleicht zu Zelda sagen, aber nicht zu ihr. „Ich habe den Reckenschal, mehr nicht", sagte sie und hielt den blauen Stoff demonstrativ hoch. Warum war sie eigentlich so zurückhaltend? Sie würde nach Goronia gehen, notfalls mit Gewalt und selbst, wenn sie über Leichen gehen müsste. Sie hatte grade zwar kein Schwert, aber sie konnte immer noch mit Fäusten kämpfen.
„Pah! Mit 'nem einfachen Stoff willst du dich durchmogeln? Das wird nichts!" Gut, noch ein bisschen mehr und sie legte ihre Vorsätze beiseite und prügelte sich den Weg durch. Wenn der Gorone vor ihr Wert auf seine Gesundheit legte, dann sollte er aufhören, bevor er Raisa wütend machte.

„Soll ich eine schriftliche Einladung aus Schloss Hyrule mitbringen oder was?", fragte sie säuerlich.
„Ihr Recken wurdet doch mit Fähigkeiten beschenkt, so wie der große Daruk 'nen schützenden Schirm bekommen hat. Der Eintritt nach Goronia wird dir gewährt, wenn du eine solche Fähigkeit vorweisen kannst." Wollte der Gorone sie grade erpressen? Nicht mit ihr, da hatte er seine Rechnung ohne sie gemacht. „Gut", sagte sie, fast schon zu sorglos. „Ich habe eine besondere Fähigkeit."
Für gewöhnlich wollte sie ihre Probleme nicht mit Lügen lösen, doch grade sah sie keinen anderen Ausweg. Was sein musste, musste sein. Als würde sie einem Spinner wie diesem ihre Fähigkeit präsentieren.
„Mit dieser Fähigkeit ist es mir möglich Dinge verschwinden zu lassen", unterdessen hob sie einen Stein vom Boden auf und warf diesen spielerisch hoch, „allerdings sehen Personen, deren Seelen unrein sind, diesen verschwundenen Stein noch. Wer also in seinem Leben bereits böses getan hat, kann meine Fähigkeit nicht sehen. So finde ich auf Geheiß des Königs Verbrecher.... Also, los geht's."

Raisa musste sich wirklich ein hinterhältiges Grinsen verkneifen – sie wusste eben schon, dass sie die Situation, die gleich entstehen würde, voll und ganz ausnutzen würde. Sie hielt den Stein in beiden Händen umschlossen und um das Ganze noch ein wenig glaubhafter zu machen, schloss sie die Augen und bewegte leicht ihre Lippen. Dann präsentierte sie amüsiert den Stein auf ihrer Hand, wohl wissend, dass nichts passiert war. Doch ihr manipulatives Gerede hatte seine Wirkung gezeigt.
Auf der Stirn des Mienenarbeiters bildeten sich Schweißtropfen.
„Stimmt etwas nicht? Der Stein ist doch weg", sagte sie. „Ja...Ja natürlich is' er das!", rief er über den Platz. Auch die anderen Goronen stimmten zu. Da sah man es ja, wie unehrlich diese Welt doch war. Zwar hatte sie auch gelogen, aber... Nein, sie wollte sich nicht herausreden. Sie war ebenfalls unehrlich.
„Also, ich nehme an, ich kann passieren?" Der Gorone nickte und ließ sie den Pfad zum Todesberg weiter passieren. Mit einem hinterhältigen Lächeln ging sie weiter und als sie sich sicher war, dass keiner sie mehr hören oder sehen konnte, lachte sie höhnisch auf. Das hatte sie wirklich hervorragend hinbekommen. Diese Armleuchter von Goronen... Wirklich intelligent waren die ja nicht.

Die Südmiene lag jetzt zwar hinter hier... Doch von Goronia fehlte immer noch jede Spur. Wie lange dauerte es bitte, diese verdammte Bergstadt zu erreichen? Goronia konnte sie zwar immer noch nicht entdecken, dafür sah sie umso besser Vah Rudania. Der Feuertitan befand sich an der Spitze des Todesberges. Damit hatte sie jetzt zwar einen Anhaltspunkt, doch andererseits brachte dieser ihr nicht viel. Schließlich würde sie niemals so nahe an den Todesberg kommen. Eher würde sie zum Aschehaufen werden. Vielleicht waren die Goronen in Goronia, sofern sie dort jemals ankam, freundlicher und irgendeiner erklärte sich bereit Daruk zu holen. Dann müsste sie sich zumindest nicht bemühen.

Nachdem sie dem Pfad immer weiter gefolgt war, erreichte sie endlich ein Tor. Auf diesem waren hylianische Schriftzeichen zu sehen. Vermutlich stand dort etwas mit Goronia, doch das konnte sie ja nur erahnen. So war das eben, wenn man nicht lesen konnte. Nun denn, sie durchschritt das Tor und erreichte endlich, nach gefühlten Stunden, Goronia.
Goronia... Von allen Städten Hyrules war diese wohl die primitivste, doch dies entsprach eben der Art und Weise, wie die Goronen lebten.

So... Wie fand sie nun heraus, ob Daruk irgendwo in der Stadt oder eben in seinem Titanen war? Sie überquerte die Brücke, die sich durch Goronia zog und schaute sich um. Vielleicht konnte sie in einem Geschäft nachfragen oder-
Weiter nachdenken konnte sie nicht, da etwas sie urplötzlich am Bein rammte, woraufhin sie um ein Haar den Boden küsste. Säuerlich schaute sie zu dem Goronenjungen herunter, welcher dafür verantwortlich war. „T'schuldigung", sagte dieser und sah mit großen Augen zu Raisa auf.
„Wenn du nicht willst, dass ich dich mit Steinen vollstopfe, bis du platzt, dann sorgst du jetzt dafür, dass ich meinen Willen kriege, ja?" Der Junge schien über ihre Ausdrucksweise überrascht zu sein. Oder es verstörte ihn. Die Goronen hatten ja auch einen ziemlich harten Ton drauf, wenn sie miteinander sprachen, doch niemand wagte es vermutlich so gehässig zu sein, wie Raisa.
„Ich will, dass Daruk, euer Recke, hier auftaucht. Ich habe ein Gespräch mit ihm zu führen", sagte sie. „Dafür brauchst du den Jungen nicht loszuschicken." Auch gut. Raisa drehte sich um und sah zu Daruk auf – der kam ja wie gerufen. „Dann verzieh dich, Kleiner", sagte sie. Der Goronenjunge setzte sich in Bewegung und rollte davon.

„Es muss schon wichtig für dich sein, wenn du trotz allen Umständen hier herkommst", sagte Daruk. „Du triffst den Nagel auf den Kopf", antwortete sie.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt