49. Schneeball

459 33 0
                                    

Der Stall, endlich! Nach gefühlten Stunden durch diese Wüste aus Eis war es ihr gegönnt im Stall zu rasten. Selbstverständlich passte das dem Federvieh nicht, er hatte ja auch kein Kälteproblem, aber das interessierte sie sowieso recht wenig. Es ging zudem ja nicht nur um sie, sondern auch um das ach so tolle Pferd vom Königshof. Sie selbst wäre ja auch am liebsten weiter gereist, damit sie es schnell hinter sich hatte, aber der Gaul, den Zelda ihr aufgehalst hatte, musste versorgt werden. Und der Gedanke sich etwas aufzuwärmen, war für sie ebenfalls verlockend.


Somit stieg sie vor der Einrichtung, die einem Pferdekopf gleich kam, vom Pferd und überreiche es den Leuten vom Stall. Während der Gaul versorgt wurde, hatte sie sich stumm an die äußere Wand gelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt. Revali stand in ihrer Nähe, hatte ebenfalls die Flügel vor der Brust verschränkt und sagte auch kein Wort.


Dann fiel ihr etwas auf... Es war nicht direkt er selbst, sondern sein Adlerbogen. „Ist es dir aufgefallen? Er ist eine Sonderanfertigung, hergestellt mit drei Diamanten, statt nur mit einem. Das verleiht ihm mehr Stärke, mehr Durchschlagskraft und er nutzt praktisch gar nicht ab. Eigentlich ist es unmöglich an ein solches Meisterwerk zu kommen, doch es war mein Wunsch an den König."
Eben war sie vielleicht noch etwas beeindruckt gewesen, doch, dies hatte sich schlagartig geändert.
„Du hast allen Ernstes deinen Wunsch an die mächtigste Person Hyrules dafür verschwendet?", fragte sie. „Verschwendet?", fragte er ungläubig.
„Mir fallen unzählige sinnvollere Dinge ein, für die ich meinen Wunsch opfern würde", erwiderte sie. Er schnaubte daraufhin nur. „Was denn zum Beispiel?" Eigentlich interessierte es ihn gar nicht. Vermutlich war es eh nur Schwachsinn.


„Ein Zuhause." Trocken und ehrlich, das war ihre Antwort. „Wenn ich meinen Wunsch in naher Zukunft opfern müsste, dann für ein Zuhause." Es überraschte sie selbst, dass sie ihm das so offen und ehrlich sagen konnte. Aber ihn überraschte dies selbstverständlich auch. Dies war eine Seite an Raisa, die grade aufblitzte, die er noch nie gesehen hatte. Der Wille etwas haben zu wollen, was andere hatten, nur sie nicht. Sehnsucht?


„Du strebst also danach etwas zu haben, was du nie hattest. Hast du etwa doch Gefühle?" Er wollte sie damit aufziehen, doch bevor er weiter machen konnte, flog ihm etwas in das Gesicht. Etwas hartes, was beim Aufprall zersprang. Reflexartig hatte er seine Augen geschlossen und als er sie wieder öffnete, sah er... Schnee? Schnee auf seinem Schnabel! Hatte sie es grade tatsächlich gewagt ihn mit einem Schneeball abzuwerfen?


„Bevor du dir irgendeinen Unsinn zusammenreimst, dachte ich mir, es wäre angebracht dich in deinen dämlichen Gedankengängen zu unterbrechen." Das war alles, was sie dazu sagte.
„Du spinnst doch! Was fällt dir ein?", fragte er erbost. „Das. Hast du doch gesehen oder hast du was an den Augen?", erwiderte sie indolent. Er hingegen kochte fast vor Wut. Bevor er zum nächsten Satz ansetzen konnte, fiel sie ihm ins Wort.
„Jetzt krieg dich mal ein. Das ist nur Schnee. Du tust so, als würde die Welt untergehen." Wenn er so darüber nachdachte... War es vielleicht wirklich überflüssig deswegen Streit anzufangen. Dennoch, was fiel ihr ein?


Er beobachtete sie, wie sie ein wenig Schnee vom Boden auf die Hände nahm und musterte.
„Du tust so, als hättest du noch nie Schnee gesehen", merkte er ihr Verhalten abwertend an.
„Ich habe bereits genug Schnee gesehen, als..." Sie hörte abrupt auf. „Als es eben schneite", vollendete sie nach ein paar Sekunden ihren Satz.
„Außerdem gab es auf der Straße, in meinem Viertel, oft weißen Schnee zu sehen. Der kam allerdings nicht im Winter und diente auch nur dazu, dass du dich besser fühlst." Das war ja klar, dass sie mit etwas Derartigen ankam.


„So langsam verstehe ich, warum so einiges in deinem Kopf falsch läuft oder kaputt ist", sagte er. „Du glaubst, dass ich mir das leisten konnte? Schön wär's gewesen, aber daraus wird in diesem Leben nichts", erwiderte sie und ließ den Schnee in ihren Händen wieder fallen.
„In Momenten wie diesen glaube ich, dass der Waffenstillstand funktioniert hätte", sprach er seine Gedanken aus. „Glauben kannst du in der Kirche."
Das Verhältnis der beiden zueinander schwankte auch umher, wie sonst etwas. Entweder sie hassten sich, sie neckten sich oder sie verstanden sich... Also im Sinne, dass der eine dem anderen zustimmte.
Aber mögen... Mögen taten sie sich wirklich nicht. Oder sie wussten einfach nicht, wo die Grenze beim Begriff 'Mögen' war. Tja, wer wusste das schon so genau?


„Ich gehe nach dem Pferd schauen", sagte sie und ließ ihn dort alleine stehen. Er sah ihr noch kurz hinterher, sah dann aber zum Himmel auf. Immer dunkler wurde dieser. Bei Nacht zu reisen, war nie ratsam, aber diesmal kamen sie wohl nicht da herum. Wenigstens schneite es nicht.


Die Reise mit ihm und Raisa, das konnte ja noch etwas werden. Wo sowohl er, als auch sie jetzt schon keine Lust mehr hatten. Und dann war es nicht irgendein Ort an dem sie herumspazierten. Hebra, das wohl unbekannteste und unberechenbarste Gebiet in Hyrule. Für Menschen war es schon fast der Tod nur dort hin zu kommen, so kalt war es.
Zudem war die Chance, dass hier viele Monster herumlungerten, nicht gering. Und jenseits dieses Stalles konnte alles passieren. Deshalb mussten er und sie auf alles gefasst sein. Auf jedes noch so abstrakte und unwahrscheinliche Ereignis.


Sein Blick lag auf ihr, als sie mit dem Pferd wieder kam. „Lass uns weiter. Ich habe keine Lust hier zu versauern", sagte sie und stieg in den Sattel es Pferdes. „Wer verschwendet denn hier unsere Zeit?", fragte er. „Zelda und der gesamte ach so tolle königliche Hof", erwiderte sie.
Daran war leider nichts auszusetzen.
Somit setzten sie ihren Weg in die Tiefen Hebra's fort. Rechts und links waren sie von hohen Bergen umgeben, die eine Menge Schnee auf ihren Spritzen trugen. Wenn von dort oben eine Lawine herunter kam, sah es ganz schlecht für sie aus. Revali konnte sich ja geschmeidig aus dem Staub machen.

„Ich kann keinen Schnee mehr sehen. Das ganze Weiß um uns herum macht mich wahnsinnig", sagte sie. Dem Gaul schien es auch nicht absonderlich zu gefallen. Schließlich musste er durch die hohe Schneedecke laufen.
Augenblicklich blieb Raisa mit dem Pferd stehen. Revali stoppte daraufhin seinen Flug, um eine Erklärung für die Unterbrechung zu bekommen.
„Ich glaube, ich habe ein Déjà-vu", sagte sie schließlich. „Sprech dich verdammt nochmal aus!" Raisa zeigte auf den Weg, den sie zu passieren hatte. „Ein Leune, ein Silberner", waren ihre Worte.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt