61. Freiheit

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  Im Moment war es Raisa egal, wer er war und wie sie zu ihm stand, sie wollte einfach nur überleben. Und um zu überleben, musste sie jetzt gezwungenermaßen mit ihm zusammenarbeiten. Seine Gedanken waren sicherlich die gleichen, davon war sie überzeugt.
Revali drehte sich um und ging auf die Knie. Ohne zu zögern, kletterte sie auf seinen Rücken. Was war schon ihr Stolz im Vergleich zum Leben wert? Rein gar nichts, deswegen musste sie diesen jetzt ablegen. Zumindest, bis dies überstanden war.


Als sie sich auf seinen Rücken befand, wurde ihr sehr schnell bewusst, dass dies eine ziemlich heikle und anstrengende Sache werden würde. Aus festhalten wurde zum Beispiel nichts, schließlich musste sie seinen Bogen benutzen.
Revali breitete seine Schwingen aus, stieß sich vom Boden ab und flog los. Das Vieh schien bemerkt zu haben, dass sich seine Beute entfernte, weshalb es sich aufrappelte und daran machte die beiden Recken zu verfolgen.


Auch wenn es nun blind war, dieses Monster gab nicht auf und rannte durch diesen dunklen Gang. Hin und wieder knallte es gegen die Wände, sorgte dafür, dass Teile der Decke sich lösten und hinunterfielen. Revali wich ihnen geschickt aus, wobei Raisa nun doch Halt suchte und nach seinen Reckenschal griff. Sie wusste, dass sie ihm dabei die Luft abschnitt, doch was sollte sie anderes machen? Sonderlich erpicht war sie nie nicht darauf, ihn anzufassen. Zu ihrer Verwunderung beschwerte sich der Orni jedoch nicht und schien es einfach widerwillig hinzunehmen.
„Kommst du an die Pfeile?", fragte er hingegen. In der Dunkelheit sah sie kaum etwas, tastete nach der Pfeiltasche, welche sie schließlich fand.


„Ja", antwortete sie und zog einen Pfeil heraus. Diesen platzierte sie zum einen auf ihre Hand, welche den Griff des Bogens umschlang und zum anderen an der Schnur. Im Zielen war sie nicht sonderlich begabt, zudem wusste sie nicht, wo sie dieses Monster überhaupt abschießen sollte.
Raisa versuchte auf den Kopf des Monsters zu zielen und ließ den Pfeil los, nachdem sie sich die Bewegungsabläufe des Monsters eingeprägt hatte. Das erste was ihr auffiel: der Pfeil schoss durch die Luft mit einer unglaublichen Kraft. Dabei hatte sie gar nicht so stark an der Sehne gezogen. Revali schien Recht zu behalten, was diesen Bogen betraf. Er war ein Meisterwerk.


Ihr Pfeil traf das Monster am Bein, was es etwas im Tempo drosselte und beim Laufen behinderte. Nun, der Kopf wäre trotzdem besser gewesen. Schwache Leistung, Raisa.
Revali flog unterdessen urplötzlich nach links. Jedoch mit einer Wendigkeit, die sie fast von seinem Rücken beförderte. Sie würde sich ja gerne für seine nur auf sich bedachten Züge beschweren, allerdings bestand dann die Wahrscheinlichkeit, dass sie wieder laufen durfte. Ein Umstand, den sie gerne vermeiden würde.


„Duck dich!", hörte sie ihn plötzlich rufen. Ohne seinen Befehl erst zu hinterfragen, duckte sie sich. Das Monster knallte daraufhin gegen die niedriger versetzte Decke und wurde somit vorerst zurückgeworfen. Es gab vielleicht wirklich eine Chance dem Ganzen zu entkommen.
„Weißt du überhaupt, wo du hinfliegst?", fragte Raisa den Orni.
„Nein, aber alles ist besser, als gefressen zu werden. Da nehme ich es sogar in kauf dich zu tragen", antwortete er. Sie verdrehte daraufhin die Augen und blickte zurück zu dem herumwütenden Monster. Wieder prallte es gegen die Wände und ließ Steine regnen, doch Revali hatte die Situation einigermaßen in Griff. Sie zog unterdessen einen neuen Pfeil und schoss auf das Monster. Daneben. Sie schoss noch einen, auch dieser traf sein Ziel nicht.


„Deine Schießkünste sind miserabel, weißt du das?", rief Revali genervt. „Ich will dich mit einem Schwert kämpfen sehen, dann sprechen wir uns wieder", gab sie gereizt zurück. Sie versuchte es erneut und nach den ganzen Fehlversuchen hatte sie es zur Abwechslung mal geschafft zu treffen. Der Pfeil ging in den Brustkorb, stoppte das Monster aber keineswegs.
Sie wollte weitermachen, doch ihre eigensinnige Fluggelegenheit sah das anders. Revali flog wieder scharf nach links, weshalb sie sich irgendwie an ihm festhalten musste.
„Du bist verdammt schwer", rief er zu ihr. „Sag das zu einer anderen Frau und du bist tot", erwiderte sie seine unhöfliche Bemerkung.


„Raisa, duck dich nochmal." Es kam nicht so hastig, wie vorhin, doch trotz dessen kam sie der Aufforderung sehr schnell nach. Sie konnte seine Schwingen kurz spüren, da er diese an sich legte. Soweit sie dies in der Dunkelheit sehen konnte, flog er durch ein schmales Loch.
Und mit einem Mal wurde ihr bewusst, wo sie sich befanden. Dies war der Ort, an welchem sie abgestürzt war!
„Kannst du den Pfeil mit den rot-weißen Federn sehen?", fragte er. „Ich sehe gar nichts", stellte sie in einem ziemlich unfreundlichen Ton klar. „Dann musst du den Bombenpfeil erfühlen", sagte er. Ob er von allen guten Geistern verlassen war? Wie sollte sie den Pfeil denn..?


Bevor sie sich weiter beklagte, fing sie seufzend an und steckte ihre Hand in die Pfeiltasche. Das ganze musste auch noch recht schnell vonstattengehen. Nicht, dass diese Monster sie wieder einholte. Es war zwar alles andere, als angenehm die Spitzen der Pfeile abzutasten, doch letztlich fand sie den Pfeil mit dem Sprengstoff an der Spitze. „Ich hab ihn", sagte sie und zog ihn heraus. Eine Frage stellte sie sich, nun, wo sie den Pfeil in den Händen hielt. Besaß der Vogel schon die gesamte Zeit über diesen Pfeil? Dann... Dann hätten sie sich das gesamte Theater in den Ruinen und jetzt auch hier sparen können! Doch.. Sie bezweifelte irgendwie, dass Revali so dumm war.
„Dann spreng weg, was uns hier hält!", rief er, während er hoch flog. Sie zielte auf die Eisdecke, ein Ziel, welches sie nicht verfehlen konnte. Nachdem sie die Sehne losgelassen hatte, sprengte der Pfeil die Eisdecke weg. Eine Menge Schnee flog den beiden entgegen, aber das war nicht von Bedeutung.


Endlich hatten sie die Freiheit wieder! Revali flog hinaus, woraufhin sie das Gefühl des Windes auf der Haut, sowie die frische Luft genoss. Erst wenn man so etwas nicht mehr hatte, begann man es zu vermissen.


Revali flog hoch oben, sehr weit über den Boden von Hebra. Warum er sie immer noch mitnahm, wusste sie nicht. Aber die Aussicht war schon unglaublich. „Das ist eine einmalige Sache, kapiert? Ich werde dich nie wieder irgendwo mit hinnehmen, aber ohne deinen Gaul brauchen wir eine Ewigkeit nach Schloss Hyrule." Nun, das erklärte einiges. Aber wo er Recht hatte, hatte er nun mal Recht.


Revali flog auf direktem Wege nach Schloss Hyrule, als er plötzlich etwas wahrnahm. Er hörte ein Lachen... Raisa's Lachen... Es klang weder schadenfroh, noch hinterhältig, eher... Ehrlich? Was war denn mit ihr falsch? „Ich dachte, wir würden dort unten verrecken", sagte sie. Ach, und das war ein Grund zu lachen? Was ging mit dieser Frau nur schief? Na ja, immerhin hatte sie es geschafft das Monster fernzuhalten und die Eisdecke zu sprengen. Das war mehr, als er ihr zugetraut hatte.


Schloss Hyrule war bereits in Sichtweite. Es würde nicht mehr lange dauern, dann waren sie wieder dort. Etwa einen Tag waren er und Raisa weg, aber in diesem einen Tag war mehr passiert, als sonst in einer Woche. Es würde noch ein riesiges Theater werden dem König von alldem zu berichten.
„Revali, sag mir, den Bombenpfeil hattest du nicht von Anfang an bei dir, oder?", fragte Raisa ihn.
„Nein, ich habe ihn bei den Bokblins und Moblins gefunden", antwortete er.
Im Augenwinkel konnte er sehen, wie Raisa ihr zerbrochenes Schwert musterte.


„Ich lege heute noch einen oben drauf. Mit dem Teil solltest du zu Daruk gehen. Die Goronen sind, was die Schmiedekunst anbelangt, unschlagbar. Und ich bin mir sicher, dass Daruk mit seinem viel zu guten Herz etwas für dich arrangieren würde." Sie schnaubte daraufhin.
„Und was willst du eigentlich als Gegenleistung für all dies?", fragte sie.
„Dass du die Klappe hältst und nicht ein Wort über das Vergangene verlierst. Auch vor dem König nur das Nötigste." Damit würde sie gut klar kommen. Bis jetzt war er der einzige gewesen, der über die Mission gesprochen hatte.


Vor den beiden Recken befand sich das große Schloss, in welchem sie nun eine Weile verbringen würden.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt