110. Raisa - Meisterin des Schwertkampfes

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„Zuerst einmal musst du dir im Klaren sein, dass ich dir das Schwertkämpfen niemals auf dieselbe Art beibringen kann, wie ich es erlernt habe. Ich habe es durch Schmerz, Druck, dem Gefühl des Müssens und dem Prinzip 'töten oder getötet werden' erlernt", erklärte Raisa. Für sie selbst war diese Tatsache eine Selbstverständlichkeit, doch wer konnte schon genau sagen, ob Revali dies ebenfalls so sah?
„Sind diese Schwerter nicht viel zu schwer?", wollte Revali wissen. „Das sind Einhänder. Sie sind so gemacht, dass du sie ohne Probleme halten können solltest. Wenn du es nicht kannst, bist du einfach zu schwach", stellte Raisa klar. Revali zog nur eine Braue nach oben.
„Hast du schon mal ein Schwert der Orni in Händen gehalten?", fragte er. Und tatsächlich, das hatte sie bereits. Diese besonderen Schwerter hatte ungefähr dasselbe Gewicht wie das, was sie aus Goronia hatte. „Wie dem auch sei", beließ sie es einfach dabei und wollte weiter machen.

„Die Meisten sagen, dass beim Schwertkampf das Wichtigste die Fechtkunst sei. Ich sage dir, dass es noch zwei wichtigere Aspekte gibt". Erzähle Raisa. „Das wichtigste ist, dass man ein Gefühl für die Sache hat, dass man ein Schwert mit verbundenen Augen führen könnte." Es war nicht leicht, diesen Vorgang zu beschreiben und wie sie an seinem Gesichtsausdruck ablesen konnte, verstand er auch nicht so recht, worauf sie hinauswollte.
Raisa gefiel ihre Rolle als Lehrerin jetzt schon nicht, doch sie hatte sich hierauf nun leider eingelassen. Deshalb würde sie wohl oder weiter machen müssen. Ohne ihren Blick von Revali abzuwenden, zog sie ihr richtiges Schwert aus der Schwertscheide und drehte es spielerisch in der Hand. Noch immer schaute sie nicht dabei zu, wie sie ihr Schwert bewegte. Zu guter Letzt warf sie es hoch und fing es an der Klinge auf, jedoch ohne sich dabei zu schneiden. „Das meine ich." Ja, die Praxis gefiel ihr doch deutlich mehr als die Theorie.

„Das zweitwichtigste sind deine Reflexe. Oder einfach dein Reaktionsvermögen. Beim Schwertkampf durfte man in Ernstsituationen keine Zeit verlieren. Nicht einmal zum Nachdenken. Ich denke, diese Eigenschaft ist bei dir vorhanden. Schließlich war dies die einzige Ähnlichkeit zwischen dem Bogenschießen und Schwertkampf." Und das drittwichtigste ist dann, wie schon erwähnt, das Fechten an sich. „Ich kann dir das erste nicht beibringen, ein Gefühl für den Schwertkampf musst du selbst entwickeln. Aber ich kann dir zeigen, wie man fechtet und wie man sich dabei bewegt."
Raisa nahm wieder das Übungsschwert in die Hand.
„Die grundlegenden Hiebe sind der vertikale und der horizontale Hieb, das ist selbsterklärend, oder? Was für uns interessant ist, sind die schwierigen Dinge." Revali rollte mit den Augen. Wie typisch es doch für Raisa war, dass sie den kompletten Anfang, wenn man so wollte, übersprang und stattdessen auf die schwierigen Dinge zurückgriff.

Raisa ließ Revali sämtliche Hiebe und Bewegungen üben, bevor er sich auch nur anmaßen sollte, sie herauszufordern. „Verstößt das letztlich nicht gegen unseren Waffenstillstand?", fragte sie, während sie sich gegen ihren Titanen gelehnt hatte, zusah und Revali für mangelnde Konzentration zurechtwies. „Ich denke nicht. Das hier ist nur Training", antwortete Revali ihr. Nun...letzten Endes war das doch sowieso eine reine Auslegungssache.

„Mir ist zu Ohren gekommen, dass du der einzige warst, der für seine Fähigkeit eine Menge tun musste,... Es hat lange gebraucht, bis du damit gesegnet wurdest", erzählte sie ihm von ihrem Wissen. Revali hielt in der Bewegung inne. „Woher..."
„Ich habe so meine Kontakte", unterbrach sie ihn. Dieses Wissen hatte Raisa zu der Meinung kommen lassen, dass Revali's Arroganz auch daher zu leiten war, dass er womöglich am härtesten von allen gearbeitet hatte. Während Mipha, Urbosa und Daruk ihre Fähigkeiten von Geburt an hatten und diese von den Titanen einfach nur noch verstärkt wurden, bekam Raisa selbst ihre Fähigkeit vollends geschenkt – dafür musste sie aber alleine lernen damit umzugehen. Doch Revali hatte sich dies alles selbst angeeignet, wie sie gehört hatte. Und diese wurden dann von Vah Medoh verstärkt, nach dem er sie beherrschte.

Also...war das alles fast schon ein wenig nachvollziehbar. Aber na ja, nur was das anbelangte. Für die restliche Arroganz seinerseits galt dies nicht. „Kontakte?" Er fragte so, als wäre er nicht sicher darüber, ob das nun eine gute Sache war oder nicht. „Ich lebe zwar nicht mehr auf der Straße, aber ich bin dort aufgewachsen. Ich kann alles Mögliche herausfinden." Und wenn sie alles Mögliche sagte, dann meinte sie das auch so.
„Ich dachte, dass man dich dort nicht mehr sehen will." Ob das nun eine Frage oder eine Aussage war, wusste sie nicht. „Das war auch am Anfang so, doch mittlerweile sehen die meisten es aber anders. Du wirst lachen, aber... Seitdem ich den Titel Recke trage, glauben viele, dass sie doch noch etwas erreichen können." Um es genau auszudrücken, war sie gegen ihren Willen zu so etwas wie ein Hoffnungssymbol geworden. Nun, jedenfalls für die Straßenkinder. „Du lachst ja gar nicht", merkte Raisa an. „Da gibt es nichts zu lachen", erwiderte er nur.

Raisa fand Revali's Verhalten seltsam. Keine sarkastischen Sprüche, keine zynischen Bemerkungen? Wo war das schadenfrohe oder verächtliche Lachen? „Du bist immer noch von der festen Überzeugung, von dem war..." Sie brach ab. Solch ein Gefühlskram war einfach nichts für sie. Selbst, wenn sie es wollen würde. „Was interessiert es dich?", fragte er, was schon eher seiner normalen Art nahe kam. „Raisa, du bist eine grauenhafte Lehrerin. Anstatt die gesamte Zeit dort nichts zu tun, könntest du auch mal etwas leisten. Wie ich dir es gezeigt hatte. Vier Schüsse, vier Treffer und das in nur einem Moment." Besagte rollte nur genervt mit den Augen.
„Und was soll ich deiner Meinung nach tun? Zaubern?", fragte sie und verschränkte die Arme vor der Brust. „Du hast doch einen Titel zu verteidigen, oder nicht?", fragte er. Jetzt wusste sie, worauf er hinauswollte. „Und wie soll ich dir das hier demonstrieren? Ist nicht grade von Vorteil auf einer großen, von Monster befreiten Ebene zu verweilen."

Nun, da er aber offensichtlich anderweitig nicht aufhörte sie zu nerven, musste sie dies wohl in Kauf nehmen. Auf der Suche nach einer mehr oder weniger großen Gruppe von Monstern schwiegen sich beide an. Wie so oft. Aber Raisa konnte dies nur begrüßen. Es war einfach alles so seltsam seit einiger Zeit.
Ihre ersehnte Ruhe verging jedoch schneller, als ihr lieb war. Eine Gruppe von Bokblins, schwache Gegner, die ihr nicht annähernd das Wasser reichen konnten. „Also dann", sagte sie und zückte ihr Schwert. „Seh zu und..." Sie hielt das Schwert vor sich und musterte ihre Feinde. „Lerne."
Raisa's blitzschnelle Bewegungen führten sie binnen weniger Sekunden zu den Monstern. Und es dauerte auch nur wenige Sekunden, da lagen alle Bokblins bewegungsunfähig, kurz tot, um sie herum. Mit einer grazilen Bewegung ließ sie ihr Schwert in ihre Schwertscheide gleiten. Trotz dessen, das Revali, der beste und auch schnellste Bogenschütze in seinem Dorf und auch in ganz Hyrule war, hatte er Probleme damit, Raisa'S Bewegungen zu folgen. Wie konnte jemand, der sich auf dem Boden bewegte, so schnell sein? Er schaute zu der Hylianerin, die mit den Armen vor der Brust verschränkt auf ihn zukam. Sie war wirklich eine Meisterin – was das anging.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt