71. Der 24. Dezember

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  „Urbosa? Magst du mir einmal den Karton reichen?", fragte Zelda. Die Gerudo Königin kam sofort und brachte Zelda, wonach sie verlangte. „Er steht, Prinzessin!", rief Daruk. Link und er hatten es geschafft den ziemlich großen Tannenbaum aufzustellen. „Dieses Jahr feiern wir in den Farben Blau, Weiß und Gold", sagte Zelda euphorisch und widmete sich weiter dem Schmücken des Schlosses.
„Ich nehme an, das blau steht für uns Recken?", fragte Mipha. Zelda nickte daraufhin nur mit einem Lächeln.

Die Stimmung im Schloss war mehr als gut... Einfach ausgelassen. Selbst der König konnte für diesen einen Tag vergessen, dass das Land von der Wiederkehr der Verheerung bedroht wurde. Am heutigen Tage sollte niemand grübeln, Trübsal blasen oder allgemein traurig sein. Alle Sorgen sollten für wenigstens diesen einen Tag vergessen sein... So wünschte man es sich. Im Groben und Ganzen lief das auch sehr gut.

„Ich denke, wir haben nur noch den Speisesaal vor uns, oder?", fragte Zelda. „Bei Hylia, Zelda gönn dir doch mal eine Pause. Du rennst seit heute Morgen von A nach B und das ohne Unterlass", lachte Urbosa und legte einen Arm um die Prinzessin. Zelda lachte ebenfalls leicht – Es war für die Gerudo fast schon ein Geschenk, dass Zelda wieder fröhlicher wurde.
„Es tut mir leid, du hast ja Recht. Ich möchte nur, dass alles so schön wird. Es soll ein unvergessliches Fest werden." Alle Recken beobachteten Urbosa und Zelda mit einem Lächeln. Alle... Bis auf einer.
„Sagt mal", fing Revali an. Die Recken schenkten ihm Gehör, auch wenn sie ihre Tätigkeiten fortführten. „Fehlt hier nicht jemand?", fragte er. „Oder besser gesagt: wo ist Raisa? Es ist unsere Pflicht als Recken hier zu erscheinen." Revali kam mit den Flügeln vor der Brust verschränkt zu den anderen.

„Raisa wird nicht kommen. Ich habe auch von Anfang an nicht damit gerechnet, von daher...", antwortete Zelda ihm. „Haltet Ihr es nicht für unangebracht, wenn ein Recke, jemand der das Volk von Hyrule im Kampf gegen die Verheerung vertritt, zu einer wichtigen Feierlichkeit wie dieser nicht erscheint?" Mipha wandte sich von dem Tannenbaum, den sie grade schmückte, ab und sah zu Revali. „Vielleicht hat Raisa ihre Gründe." Der Orni lachte daraufhin nur auf.
„Hat sie die nicht immer?", fragte er uneinsichtig. „Vermisst du sie etwa?", fragte Urbosa ihn daraufhin stichelnd. Die Gerudo Königin legte daraufhin einen Arm um den Orni und grinste breit.
Mit seinen stechenden, grünen Augen sah er zu ihr auf. „Du träumst dir da einen Müll zusammen", erwiderte er. Urbosa lachte erneut und strich ihm neckisch durch die Federn. „Lass das", keifte er sie an. „Hört bitte auf zu Streiten. Wenigstens heute", bat Zelda.
„Das ist das Resultat von diesem Weib, weil sie nicht hier ist!", sagte er säuerlich und wandte sich ab.

„Vor ein paar Tagen war sie noch in Goronia, bei mir. Da hatte sie schon verkündet, dass sie nicht kommen wird", sagte Daruk und strich sich über seinen Bart.
„Prinzessin, kann es sein, dass dieser Tag noch eine andere Bedeutung für Raisa hat?", fragte Mipha. Revali beobachtete dies und als er sah, wie Zelda nach dieser Frage den Blick senkte, wusste er, dass Mipha Recht hatte. „Ja, das hat er", sagte Zelda ein wenig gedankenverloren.
Revali überlegte. Welche Bedeutung könnte der Geburtstag Hylia's für Raisa haben. Vielleicht... Der Todestag ihrer damaligen Freundin? Das wäre plausibel. „Der heutige Tag", fing Zelda an und sah aus dem Fenster. Dicke Schneeflocken fanden ihren Weg vom Himmel herab aus die Erde...

„Drecksschnee", murmelte Raisa während sie durch die weiße Masse ging. Bei jedem Schritt knirschte der Boden unter ihren Füßen, während die eisig kalten Flocken ihr kontinuierlich in ihr Gesicht flogen. Schnee war einfach widerlich, sie hasste ihn. Das war auch noch einer der Gründe, warum sie Hebra so ungemein hasste. Ihr Blick fiel auf Schloss Hyrule, welches so ganz in Weiß irgendwie noch prächtiger aussah. Dennoch, mit diesem weißen Zeug konnte man sie jagen!
Warum war sie überhaupt nach Hyrule Stadt gekommen? Ins Schloss würde sie sowieso nicht gehen. Diese ganze Feier war ihr zu wider – was eigentlich nur aus ihren persönlichen Gründen hervorging. Wenn Hylia's Geburtstag auf einen anderen Tag gefallen wäre, dann wäre sie vielleicht sogar hingegangen.

Lustlos ging sie durch die Straßen, hatte ihre Hände in ihre Taschen gesteckt, um sie vor der Kälte zu schützen und den Blick zu Boden gerichtet. Irgendwann, als sie beim Zentralplatz angekommen war, setzte sie sich wie schon so oft an den Brunnen. Schon früher hatte es sie an diesen Ort gezogen, vermutlich, weil sie so viele Erinnerungen mit diesem Platz verband.
Was die anderen wohl grade im Schloss machten? Vorbereitungen treffen? Das Festessen genießen? Hoffentlich verschluckte sich das Federvieh und erstickte daran, denn... Sein komisches Verhalten ging ihr nicht aus dem Kopf. Was er zu Zelda sagte... Und auch Daruk vor einiger Zeit. 'Deine Augen tragen eine tiefe Traurigkeit mit sich, dir mir fast das Herz zerreißt'. Wer's glaubte!
Sie war meisterlich darin ihre Gefühle zu verstecken. Nur Zelda wusste, was in ihr vorging, wenn überhaupt!

„Was ist heute?", fragte Mipha die Prinzessin. „Es ist nicht einfach nur Hylia's Geburtstag. Es ist auch Raisa's." Jetzt war es raus. „Raisa hat heute Geburtstag?", fragte Revali noch einmal nach. „So ist es", antwortete Zelda. „Aber wenn sie Geburtstag hat, warum sucht sie dann das Weite?", fragte Mipha.
„Weil sie emotional vollkommen verkrüppelt ist, deshalb", antwortete Revali.
„Das kann man auch netter sagen", tadelte Urbosa ihn mit ungewöhnlicher Strenge ihrerseits.
„Fällt dir etwa eine bessere Beschreibung ein?" Er blitzte sie fast schon Streitlustig an.
„Sie ist nicht in der Lage mit Gefühlen umzugehen", erwiderte die Gerudo Königin. Revali wollte grade etwas erwidern, da kam Zelda ihm zuvor. „Sie ist bis auf das äußerste traumatisiert und das ist etwas, worüber du dich keineswegs lustig machen solltest, Revali." Die Blicke lagen nun auf Zelda, welche nun mehr preisgab, als Raisa ihr je erlauben würde.
„Raisa war mal ein Mensch, der sich von den anderen Hylianern kaum unterschied. Sie konnte mit Gefühlen sehr wohl umgehen. Aber diese Zeiten sind vorbei." Trotzdem ärgerte es Revali, dass Zelda daraus immer noch ein Geheimnis machte. Konnte sie nicht die Karten offen auf den Tisch legen?

„Du schaust ziemlich verärgert Revali", merkte Daruk an. „Vergiss es", erwiderte er gereizt.
„Prinzessin", sagte Link und lenkte damit vollkommen vom Thema ab. Der Hylianer sprach nicht viel, tat er es dann, spitzten eigentlich alle die Ohren auf. „Was sagen wir Euer Majestät über die Abwesenheit Raisas?", fragte er. Die Prinzessin lächelte leicht. „Ich habe mit meinem Vater bereits gesprochen. Er weiß um Raisa's Abwesenheit Bescheid", sagte sie.

„Wo gehst du hin 'Federvieh'", fragte Urbosa und ahmte Raisa nach. Er knurrte daraufhin förmlich.
„Ich hole dieses unterbelichtete Weib her. Ich werde sie schon finden und her zerren, darauf kannst du Gift nehmen!" Mit diesen Worten verließ er die Gruppe und machte sich auf die Suche.
Raisa würde sich schon etwas von ihm anhören dürfen, wenn er sie fand!
Kaum war er draußen, da flogen ihm schon die Schneeflocken entgegen und blieben in seinen Federn hängen. Die Wahrscheinlichkeit, dass Raisa in ihrem Titanen war, war sehr hoch, weshalb er sich vornahm, dort als Erstes nachzusehen. Mit Schwung breitete er seine Flügel aus und erhob sich in die Lüfte. Er flog nur kurze Zeit, dann trafen seine Augen eine verdächtige Person mit weißen Haaren, die am Zentralplatz von Hyrule Stadt saß. Was suchte sie so dermaßen in der Nähe von Schloss Hyrule, wenn sie doch nicht dorthin gehen wollte? Widersprüchlicher ging es auch nicht mehr.
Er landete, mit großem Abstand zu ihr, auf dem Platz. Er beobachtete sie, wie sie in den Himmel sah, von dem unzählige Schneeflocken hinunterfielen. „Du machst einen richtig erbärmlichen Eindruck, wie du da so sitzt und in den Himmel schaust", sagte er, als er zu ihr ging. Sie wandte ihren Blick vom Himmel ab und sah ihm in die Augen.

War das wirklich Raisa, die da vor ihm saß? Wo war dieser stechende und kalte Blick hin?
„Du hast einen schlechten Tag ausgewählt, um mich zu nerven. Tu mir den Gefallen und verzieh dich. Wenigstens heute will ich deine dämliche Visage nicht sehen." Ihr Anblick mochte zwar keine Kälte aufweisen, ihre Stimme dafür umso mehr. Kalt, scharf und verbittert, so hatte sie mit ihm, soweit er sich erinnern konnte, noch nie gesprochen. „Du hast im Schloss zu erscheinen und das weißt du auch. Geburtstag hin oder her", sagte er. „Zelda... Dieses dumme Huhn. Nicht ein einziges Wort kann ihre vorlaute Klappe halten." Und wieder war Raisa's Blick in den Himmel gerichtet.
„Verdienst du damit Rubine oder was erhoffst du dir da oben zu finden?", fragte er.
„Ich verbinde mit dem Schnee, wenn er vom Himmel fällt, nichts Gutes. Das ist meine Art damit umzugehen", sagte sie. Daraufhin herrschte einige Zeit lang Stille. Sein Blick ruhte auf ihr und der ihre auf den wolkenbedeckten Himmel.

„Ich habe dich zu Zelda sagen hören, dass du die Tragödie, die sich vor vier Jahren zugetragen hat, hören willst, um mich zu verstehen." Schlimmer konnte es für ihn fast nicht werden. Das hatte sie mitbekommen? „Ich weiß auch nicht, was mit mir los war", versuchte er sich herauszureden.
„Revali!", sagte sie mit lauter Stimme. Ungewöhnlich, wo sie doch die gesamte Zeit so ruhig war.
„Ich werde dir diese Geschichte erzählen. Nur ein einziges Mal, dann nie wieder. Ich hoffe für dich, du weißt das zu schätzen, denn es kostet mich ungemein viel Überwindungskraft." Ihre Stimme war wieder leise. Dennoch... Was hatte sie grade gesagt? Sie wollte ihm tatsächlich diese Geschichte anvertrauen? „Ich weiß es zu schätzen", sagte er.

„Also... Alles begann im Winter vor vier Jahren..."  

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt