4. Rose oder Paradies

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„Du siehst ziemlich mitgenommen aus. Was ist mit dir passiert?" Widerwillig ließ sich Raisa von Mipha heilen. Nachdem sie fast einen Tag lang zu Vah Ruta gereist war, durfte sie sich auch noch das antun. Gleichzeitig bekam sie Mipha's Fähigkeit unter die Nase gerieben.
Am liebsten würde sie aufstehen und gehen. Sie wollte kein Recke mehr sein! Andauernd musste sie mit irgendjemand etwas zusammen erledigen oder in der Nähe von jemand sein. Und hatte sie es bereits erwähnt? Sie hasste Menschen, Zoras, Goronen und Orni. Somit alle humanoiden Lebewesen. Sie wollte endlich wieder ihre Ruhe und die ganzen halbstarken Kämpfer Hyrules, von denen sie herausgefordert wurde, besiegen.

„Du bist wie Link", sagte Mipha lächelnd. Nun, ungewohnt war es für Raisa nicht mit einem Jungen verglichen zu werden. Als Kind hatte man sie eine Zeitlang sogar wirklich für einen Jungen gehalten. Damals hatte sie noch keine weiblichen Züge. „Inwiefern?", hakte sie dann aber doch nach. „Link stürzt sich immer sofort in den Kampf. Dabei holt er sich so oft Schrammen und Verletzungen, um die ich mich dann kümmern muss."
Ein großer Unterschied zwischen ihr und Link war aber der, dass er für sein Land kämpfte, sie hingegen tat das nur für sich. Für ihre Belustigung.

„Gefällt es dir eigentlich ein Recke zu sein? Immerhin bist du eine der höchsten Kriegerinnen Hyrules mit diesem Titel." Mipha fragte weiter. Raisa nickte, doch die Realität sah anders aus. Einzig und allein dieses Federvieh hielt sie davon ab, zu gehen. Er würde seinen Willen nicht kriegen, kostete es, was es wollte. Selbst, wenn sie dafür durch die Hölle gehen musste.
„Na ja, es geht", antwortete Raisa dann doch.
Leider brachte ihr der Titel keinerlei persönliche Vorteile. Wie sie bereits sagte: Die Händler warfen ihr trotzdem kein Proviant vor die Füße. Und die Soldaten Hyrules machten sich eher darüber lustig.

„Dein Name war Mipha, richtig?" Das Zoramädchen nickte ihr zu. „Und deiner Raisa?", fragte Mipha nach. Sie nickte ihr zu. „Dein Name bedeutet Rose oder Paradies. Wie kamen deine Eltern auf den Namen?" Mipha konnte es natürlich nicht wissen, aber das einzige Thema auf das Raisa überhaupt nicht eingehen wollte, waren ihre Eltern. Vermutlich lag das daran, dass sie nie welche hatte. Sie wusste auch nicht, ob ihre Eltern auch noch lebten oder nicht.

„Ich habe mir den Namen selbst gegeben. Eltern hatte ich nie welche." Mipha zog daraufhin ihre Hände weg. Auch ihr Blick senkte sich. Scheinbar war es ihr unangenehm gefragt zu haben. „Glaube ja nicht, dass ich jetzt verletzt bin und losheule. Ich weine nie und ich kenne keinen Schmerz. Ebenso wenig wie Angst." So sah es bei Raisa aus. Sie kannte keine Gefühle, die sie in irgendeiner Art beeinträchtigten oder sie weich machten. Liebe, Freude, das gab es in ihrer Welt nicht. Stattdessen gab es Wut und Schadenfrohsinn. Auch eine sadistische und jähzornige Seite hatte sie entwickelt

„Das wollte ich auch nicht behaupten. Wie auch immer, zu welchem Recken willst du als Nächstes gehen?" Raisa musste überlegen. Das war eine gute Frage, darüber hatte sie noch gar nicht nachgedacht. „Ich denke, ich gehe zu der Gerudokriegerin. Danach werde ich zu Zelda's Leibwächter gehen."
Mipha war mit der Heilung endlich fertig. Diese verdammten Wunden waren auch nur entstanden, weil sie ja zu Daruk auf den Berg klettern musste und, weil sie auf den Rückweg von zwei streitlustigen Möchtegern-Kriegern überrascht wurde. Natürlich hatte sie nichts Ernstes davon getragen, nicht so wie die Krieger. Wenn diese überhaupt noch am Leben waren.
„Und als letztes gehst du zu Revali?" Am liebsten würde Raisa Mipha für diese Frage den Mund stopfen. Wollte sie einen Witz erzählen oder meinte sie das ernst? „Bevor ich zu dem gehe, kommt Hylia hinunter zu uns auf sie Erde und küsst meine Füße." Irgendwo hatte sie mal gehört, dass man die Namen der Götter nicht beschmutzen durfte. Ob sie deswegen vom Pech verfolgt war?

„Er ist manchmal ziemlich schwierig, ich weiß. Auch kann er oft arrogant und selbstverliebt sein. Und er prahlt gerne herum, aber... Eigentlich ist er gar kein so schlechter Kerl. Er ist ziemlich verantwortungsbewusst und wenn's hart auf hart kommt, ist auf ihn immer Verlass. Man muss nur mit ihm warm werden."

'Gar kein so schlechter Kerl'? Dass sie nicht lachte. Revali war der größte Mistkerl, den sie je kennenlernen durfte. Und es gab eigentlich viele, von denen sie zuvor dachte, dass sie diesen Titel verdient hatten. „Dann werde ich nie warm mit ihm", beschloss sie. Mipha erwiderte darauf nichts mehr und somit schwiegen die beiden jungen Frauen. Bis sich Raisa erhob. „Ich habe gesehen, was ich sehen sollte. Und danke, aber ich werde mich nun wieder auf den Weg machen. Die Gerudo Wüste wartet." Mipha stand auch auf. „Wie ich bereits sagte, ich bin immer da, wenn du Hilfe benötigen solltest." Ruta's Rüssel bewegte sich nach unten, bis Raisa von ihm Steigen konnte. „Verlass dich darauf, ich werde keine Hilfe benötigen."

Ohne sich ein weiteres Mal umzudrehen, verließ sie Ruta und Mipha. Es war bestimmt nicht das letzte Mal, dass sie die beiden zu Gesicht bekam. Und das völlig neue Gebiet wartete.
Raisa schwang sich auf ihr geklautes Pferd und ritt Richtung Westen. Ihr Ziel war eine Wüste, folglich war es dort ziemlich heiß. Und nachts hatte man mit der Todeskälte zu kämpfen.
„Prinzessin Zelda, du hast keine Ahnung was du mir antust. Aber glaube mir, das bekommst du zurück."

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt