47. Auf nach Tabanta

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  Wut, Hass, Zorn... Wie nannte man dieses Gefühl, welches man verspürte, wenn man den Drang dazu hatte alles auseinanderzunehmen, was einem in die Finger kam? Genau beschreiben konnte man es wohl nicht.
Selbst nach zwei Tagen, als Zelda ihr die Nachricht ihrer bevorstehenden Mission überbracht hatte, hatte sich nichts an ihren Gefühlen geändert. Der eben bereits genannte Drang war nicht verschwunden.
Warum in aller Welten Namen musste sie erneut mit Revali auf eine Mission? Da war ja jede Foltermethode schöner. Dieser verdammte Vogel spukte in ihrem Leben herum und wollte damit scheinbar auch nicht mehr aufhören.


„Hier", sagte Zelda, die Raisa grade etwas Proviant reichte, welcher in die Satteltaschen kam. Ihre Wut auf Zelda war unsagbar groß. So groß, dass sie sich im Kopf schon Methoden überlegte, um die Prinzessin für alle Zeiten zum Schweigen zu bringen.
„Damit eins mal klar ist, die Idee kam nicht von mir", sagte Zelda und tat so, als wäre die Sache damit abgehakt. Aber ihr war es egal, welche Ausflüchte Zelda suchte. Wie man es drehte und wandte, die Prinzessin war auf jeden Fall mit verantwortlich. „Nicht nur, dass ich mit diesem Vogel unterwegs bin, nein, wir müssen auch noch nach Hebra. Weißt du, dass es dort so kalt ist, dass dir Gliedmaßen abfrieren? Ach ja, ich kann Kälte nicht ab! Noch weniger als Hitze", keifte sie Zelda fast schon an.
„Ach komm, du findest immer etwas, was dir nicht passt!", keifte Zelda zurück. Raisa musste sich grade dermaßen zusammen reißen, um die Beherrschung nicht zu verlieren. Sie war so kurz davor Zelda zu verprügeln. Damit dies nicht passierte, hatte sie die Hände so stark zu Fäuste geballt, dass sie vermutlich bald anfangen würden zu bluten. Wegen der Fingernägel, versteht sich.
Und es war Zelda's Glück, dass sie nicht weiter sprach. Damit rettete die Prinzessin grade ihr eigenes Leben.


Raisa packte die Satteltasche des Pferdes fertig. Mit ihrem Hengst war sie dieses Mal nicht unterwegs. Laut Zelda würde dieser die Kälte in Hebra nicht abkönnen. Deswegen bekam sie ein speziell gezüchtetes vom Königshofe gestellt.
Sie bekam sogar angemessene Kleidung. Eigentlich hasste sie es ja ihre Ausrüstung zu wechseln, aber dieses Mal kam sie wohl nicht drum herum. Sie war nicht sonderlich erpicht darauf zu erfrieren.


„Hast du sonst noch irgendwelche Extrawünsche?", fragte Zelda, extra provokant. „Komm nie wieder mit einer Mission", antwortete sie emotionslos. „Wie gesagt, die Idee kam nicht von mir, sondern meinem Vater und"- „Du hast zugestimmt", fiel Raisa ihr ins Wort. „Das!", fing Zelda empört an. „Ist die Wahrheit", vollendete Raisa den Satz. Daraufhin starrte die Prinzessin sie wütend an.
„Pass auf, mit deinem Blick kannst du höchstens kleine Kinder zum Heulen bringen." Das war ihre Art auf Zelda's Blick zu reagieren. Aber die Prinzessin schien das nur noch wütender zu machen. Sie kochte fast. Die Prinzessin sollte bloß aufpassen, nicht, dass sie noch ihr Gehirn benutzen musste.
„Viel Spaß noch auf deiner Reise." Raisa ignorierte diesen Kommentar und schwang sich in den Sattel. Da die Prinzessin nichts mehr sagte, beließ auch sie es darauf nichts mehr zu erwidern.


Sie ritt ohne Verabschiedung im Trab los. Das erste Ziel war Tabanta, das Federvieh wartete dort auf sie. War doch klar, dass er zu bequem war nach Hyrule Stadt zu kommen und dann wieder zurückzufliegen. Für ihn würde das Ganze sowieso das reinste Zuckerschlecken werden. Als hätte er auch nur das geringste Problem mit Kälte. Bei ihr sah das ganze anders aus. Warum mussten sie auch unbedingt nach Hebra? Allein der Weg dorthin war der reinste Dreck.
Statt das sie einfach von der Ebene von Hyrule rüber zum Donnerplateau konnte und von dort zum Dorf der Orni, musste sie diesen riesigen Umweg nehmen und zum Tabanta-Grenzland reiten. Denn dort war momentan die einzige Verbindung nach Tabanta. Und wenn sie dann den riesigen Umweg in den Süden genommen hatte, konnte sie endlich Richtung Norden, sprich Richtung Dorf der Orni und Hebra reiten.
Die reichen Bastarde in Hyrule Stadt sollten ihr Geld mal für eine anständige Brücke springen lassen.


Raisa ritt grade an der Arena vorbei. Ein Gebäude, von dem sie nicht wusste, ob sie es verabscheuen sollte oder nicht. Einerseits waren die Kämpfe darin wahnsinnig interessant, schließlich waren es Menschen ihres Kalibers, anderseits schlachteten sich die Menschen dort drinnen ja gegenseitig ab. Das waren Menschen, die ein Leben wie sie lebten und bei den Straftaten erwischt worden waren.
Sie würde sich die Arena ja mal ansehen, allerdings bestand die potenzielle Chance, dass man sie gleich dort behalten würde. Von daher blieb sie dort doch besser weg. Außerdem hatte sie jetzt ja 'wichtigeres' zu tun. Zumindest glaubte der königliche Hof, dass diese Mission wichtig war. Ob Raisa dies so sah, war eher weniger zu erwarten.


Nachdem sie die Arena hinter sich gelassen hatte, konnte sie den Stall, der sich dort in der Nähe befand ausmachen. Dieser Stall... Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie hier diesem einen Ritter das Pferd gestohlen.
Ein süffisantes Grinsen legte sich auf ihre Lippen. Ja, sie hatte sich das Pferd von diesen Armleuchtern holen lassen und dann... Dann war sie nach Akkala aufgebrochen. Das Grinsen auf ihren Lippen verschwand und sie schloss die Augen. Während der Gaul auf dem Weg galoppierte, ging sie dieses Geschehnis nochmal durch.
Wie sie im Galopp durch Wind und Wetter nach Akkala geritten war, wie sie Revali vor dem sicheren Tod bewahrte, wie sie gegen diesen abtrünnigen Ritter kämpfte und wie sie durch ihre Unvorsichtigkeit verletzt wurde. Besser gesagt: der Ritter hatte sie fast umgebracht.


Raisa öffnete die Augen wieder und sah in die graue Wolkendecke. „Jetzt bin ich doch irgendwie verweichlicht", sagte sie zu sich selbst. Es hätte ärgerlich klingen sollen, doch sie war grade ungewöhnlich ruhig.


Hylia sei gedankt, dadurch, dass sie sich selbst so ablenkte, verließ der Ritt nach Tabanta ziemlich schnell. Zumindest gefühlt schnell. Soeben hatte sie die Brücke zum Tabanta-Grenzland hinter sich gelassen. Das Dorf der Orni war nicht mehr weit entfernt. Vah Medoh konnte sie bereits mehr als gut erkennen. Revali's Titan zog wie immer seine Runden um den Turm des Dorfes. Wurde dem Federvieh das mit der Zeit nicht zu langweilig. Na ja, bei einem Spießer wie ihm war das sicherlich nicht verwunderlich.


Den Mantel, den sie trug, legte sie enger um sich. Im Inneren von Hyrule war es bereits kalt geworden, aber in den Regionen wie Tabanta und Hebra war es noch kälter. Blieb nur zu hoffen, dass es nicht noch anfing zu schneien. Den Wolken nach sah es aber so aus.
Sie hasste Schnee. Dieses weiße Zeug ging ihr schon all die Jahre auf die Nerven. Na ja, als Seina noch lebte, war es nicht ganz so schlimm. Aber nun war Seina tot und die Zeiten änderten sich.


Als sie die Hängebrücke zum Dorf der Orni erreichte, hielt sie ihr Pferd an und stieg ab. Jetzt musste dieser Bastard nur noch aufkreuzen und dann konnte es ja losgehen. In die Hölle.
„Du bist ja auch mal da. Wie wundervoll, ich habe ja nur Stunden auf dich gewartet. Bist du mittlerweile auch noch zu blöd den Weg zu finden?", hörte sie eine altbekannte Stimme sagen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt