106. Ein letzter Rückblick

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Wann genau fing Raisa an sich so zu verändern? War es als Seina - ihre einzige Familie, die sie je hatte, auch wenn sie nicht blutsverwandt waren - starb? Oder kam es dazu doch erst später? Raisa konnte sich selbst gar nicht mehr so genau daran erinnern, dazu musste sie noch einmal zurückdenken. Zurück in die Zeit, die ihr Leben veränderte...

Keuchend und hustend schleppte sich Raisa durch die Straßen von Hyrule. Ihr Körper schmerzte ungemein und sie konnte nichts dagegen tun. In sich selbst fand sie nur eine große Leere vor, das einzige, was Seina ihr hinterlassen hatte. Ihr Zeitgefühl hatte sie verlassen, somit konnte Raisa nicht einmal sagen, wie lange Seina's Tod nun her war. Spielte das überhaupt eine Rolle?
Ihre rechte Hand war permanent dabei, sie an den Häuserwänden abzustützen. Aus diesem Grund war ihre Hand bereits blutverschmiert und schmerzte. Konnte man dies überhaupt Schmerzen nennen, im Vergleich zu dem, was sie psychisch durchmachte?

Der Winter in Hyrule war noch immer nicht vorbei, im Gegenteil. Es wurde von Tag zu Tag schlimmer! Da sie sich ja ganz offensichtlich auch erkältet hatte - und das aufs übelste - konnte Raisa von überall Gemurmel wahrnehmen. 'Die hat es auch bald hinter sich' oder 'eine harte Konkurrenz weniger. Zum Glück' war das, was sie am häufigsten hörte. War es wirklich so einfach? Würde sie trotz ihres starken Willens einfach so sterben? Es wäre eine Erlösung, würden einige sagen. Doch sie wollte nicht! Hatte sie es Seina nicht versprochen? Warum nur war sie so schwach? Warum konnte sie nichts ausrichten? Warum war sie von Anfang dazu verdammt so erbärmlich zu sein? Könnte sie doch nur stärker werden... Hätte sie doch bloß die Zeit. Wenn sie könnte, dann... Dann würde sie so stark werden, dass alle anderen in ihrem Schatten stehen würden.

Sie würde sich einen Namen machen, niemals zurückschrecken, immer stärker werden! Raisa würde jeden dafür büßen lassen, der zulässt, dass Kinder auf der Straße verenden! Sie würde alles dafür geben, selbst wenn sie sich an Schwüre binden müsste. Doch ihre Glückssträhne hatte ein Ende gefunden, genau wie ihre Zeit. Vor ihr erschien hinter der Wand aus Schnee, die durch den Sturm und Schnee selbst erzeugt wurde, der große Springbrunnen am Zentralplatz von Hyrule Stadt.
An diesem Ort hatten Raisa und Seina gegen andere gekämpft, gespielt, sich das erste Mal getroffen. Hier hatte alles begonnen. Und an diesem Ort würde es auch enden.

Sie hatte nun ihr Schwert als Krücke genommen, um zum Brunnen zu gelangen, doch erreichen konnte sie ihn nicht mehr. Kurz davor brach sie zusammen und fiel in den eisigen Schnee. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, ihr Körper gehorchte ihr einfach nicht mehr!
„Wahnsinn! So einen Winter hatten wir in Hyrule schon seit Ewigkeiten nicht mehr!" Raisa vernahm die glockenhelle Stimme eines Mädchens, doch sehen konnte sie niemanden. „Prinzessin, jetzt wartet! Das ist gefährlich, was Ihr tut!" Da war noch eine Stimme, eine erwachsene. Die Worte kamen nur gedämpft bei Raisa an, doch sie fing an zu hoffen. Zu hoffen, dass diese Personen sie finden und ihr helfen würden. Noch nie hatte ein Bewohner von Hyrule Stadt dies getan, doch es war ihre einzige Hoffnung.

„Sieh nur, Impa! Dort! Dort ist Blut im Schnee..." - „Prinzessin wartet doch endlich!" Raisa konnte das Vibrieren des Bodens spüren, somit schien doch jemand sie gefunden zu haben. „Ein verletztes Mädchen... Impa, wir müssen ihr helfen! Sie ist verletzt..." Neben Prinzessin Zelda tauchte nun die mehr als überforderte Erzieherin und Leibwache jener auf. Impa. „Sie erscheint eher krank zu sein", bemerkte sie Shiekah und beugte sich herunter. Zelda bemerkte, dass das Mädchen vor ihr am Boden, Raisa, noch bei Bewusstsein zu sein schien. Aus diesem Grund kniete sich die Prinzessin in den Schnee und hielt Raisa die Hand hin, um ihr aufzuhelfen.

Raisa selbst sah das blondhaarige Mädchen mit der ausgestreckten Hand nur verschwommen, ehe ihr Blick vollends schwarz wurde und sie in die Dunkelheit fiel und dort versank. Zelda zog aus Reflex ihre Hand zurück, nur um daraufhin an der kaum älteren Raisa zu schütteln. „Impa, tu doch etwas", flehte die Prinzessin. Ohne zu zögern, hob Zelda's Vertraute Raisa hoch.
„Es sieht noch schlimmer aus, als ich dachte", erzählte sie der Prinzessin. „Dann bringen wir sie ins Schloss!" Impa wusste, dass man nicht einfach irgendwen mit ins Schloss von Hyrule nehmen durfte, andererseits war Zelda ziemlich einsam und die junge Prinzessin hatte keine guten Freunde. Dies wäre somit eine gute Gelegenheit eine Freundin für die Prinzessin zu gewinnen.

„Gut, wir bringen sie in das Schloss, Prinzessin."

Ja, so hatte alles an jenem Tag seinen Lauf genommen. Raisa wurde auf Zeda's Wunsch hin in Schloss Hyrule gebracht und konnte sich dort erholen. Doch eine wirkliche Freundin hatte Zelda mit Raisa nicht gefunden. Die Prinzessin hatte ja nicht einmal geglaubt, dass sie Raisa ein paar Jahre später als Recken benötigen würde. Schon seltsam, was so eine Begegnung alles auslösen konnte. Und das die Schuld, die Raisa seit her bei Zelda hatte, sie irgendwann einmal zu einen der Recken von Hyrule machen würde, hätte sie auch nicht gedacht. Für Raisa war es ein sehr seltsamer Gedanke, zu wissen, dass sie nur noch wegen Zelda lebte. Wäre die Prinzessin von Hyrule ihr damals nicht begegnet, dann wäre sie schon damals gestorben. Aber wirklich viel hatte ihr dies letzten Endes doch nicht gebracht. Vier Jahre durfte sie weiterleben - ob sie auch wirklich gelebt hat, war reine Ansichtssache.

„Worüber denkst du nach?", hörte Raisa Revali fragen, als sie die Treppen zum Schloss hinaufgingen. „Über den Sinn des Lebens. Den Sinn meines Lebens", erwiderte sie ohne jeglichen Ausdruck. Ihr Blick galt dem Schloss von Hyrule. Wie sie diesen Ort hasste. Wann auch immer sie dort war, es gefiel ihr nie, denn immer war etwas los, was einfach nur den Bach herunterging. Und nun mussten die anderen Recken erfahren, dass sich ihre Lebzeiten unweigerlich dem Ende zuneigten. Und das die Verheerung Ganon bald zurückkehren wird.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt