32. Ein langes Gespräch

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  „Sag mal...", fing Mipha nach einiger Zeit an. Sie war immer noch dabei Raisa's Wunde zu heilen. Scheinbar hatte sie sich schlimmer verletzt, als sie dachte. „Hat Inazuma's Geist dir bereits verraten, wie man seine volle Kraft nutzen kann?" Sie wusste nicht, warum Mipha so plötzlich fragte. Außerdem machte sie einen traurigen Eindruck. „Ja, schon lange. Ich glaube, das war sogar an dem ersten Tag", antwortete sie Mipha.
„Uns Recken ist die Aufgabe gegeben die Verheerung Ganon zu bezwingen. Fünf von uns haben die Aufgabe die Titanen zu steuern. Dabei müssen wir lernen sie zu verstehen. Wenn das Band dann besteht, erzählen sie uns, wie man ihre volle Kraft nutzen kann", erklärte Mipha.
„Der heilige blaue Lichtstrahl, erfüllt von der Kraft der Göttin. Er durchdringt das Böse und streckt es nieder. So heißt es zumindest. Obwohl ich mit Ruta super klar komme, ist mir bis jetzt verwehrt geblieben zu erfahren, wie man diese Kraft aktiviert."



Sie verstand nicht, warum Mipha daraus so ein Drama machte. Und wenn sie dies bis jetzt noch nicht wusste, na und? Bis die Verheerung auftauchte, war noch Zeit. Bis dahin konnte sie es doch noch herausfinden. „Wie wäre es, wenn du Ruta einfach mal danach fragst? Weißt du, ich bin ein schlechter Mensch. Meine Absichten sind meist von Grund auf schlecht. Dennoch hat mir Inazuma verraten, wie ich diese 'heilige' Kraft benutzen kann. Und weißt du auch warum? Weil ich viel energischer und ehrgeiziger bin, als irgendeiner von euch. Es gibt da etwas, was ich in meinem Leben erreichen muss... Eigentlich liegt das in den Sternen und dennoch gebe ich nicht auf. Ich werde alles tun, um das zu erreichen! Und weil ich diese Eigenschaften habe, fiel mir das Geheimnis dieser Kraft quasi in die Hände."



Mipha hatte aufmerksam zugehört. Sie fand, dass Raisa recht hatte. Vielleicht sollte sie Ruta wirklich fragen. Des Rätsels Lösung konnte so einfach sein, sie hätte es aber vielleicht nie erfahren, wenn Raisa ihr das nicht erzählt hätte. „Du hast Recht. Danke. Ich werde das versuchen." Mipha lächelte sie an. Raisa hingegen schloss die Augen und seufzte. „Deine Sorgen hätte ich gerne", sagte sie.



Mipha hatte ihre Arbeit beendet und entfernte ihre Hand von Raisa. „Bitte. Ich hoffe, ich muss etwas Derartiges nie wieder heilen. Das hat mir wirklich einen Schrecken eingejagt." Sie schnaubte. „Mach dir da mal keine Gedanken. Oder glaubst du, ich bin so blöd und mache denselben Fehler ein zweites Mal?" Mipha schüttelte den Kopf.
„Sag mal, darf ich dich etwas fragen, Raisa?" Sie nickte. Es war das mindeste, was sie als Gegenleistung für Mipha tun konnte. „Nachdem du mit Revali von deiner Reise wiedergekommen bist, haben wir uns alle etwas gefragt. Ihr wurdet beide als Helden bezeichnet... Nein, ihr seid sogar Helden. Das muss doch bedeuten, dass ihr zusammengearbeitet habt, oder? Also, bedeutet das, dass ihr nun miteinander klar kommt?", fragte Mipha. Raisa lachte auf. Er und sie klar kommen? Nicht in einhundert Jahren.
„Nein, wir kommen so gar nicht miteinander klar. Er ist der egoistischste, arroganteste und übermütigste Vogel, den ich kenne. Allerdings... Ich muss dazu sagen, dass ich langsam glaube, zu verstehen wie er denkt. Ich glaube es aber auch nur. Der Vogel ist wie ein Buch mit sieben Siegeln." Nun lachte Mipha leicht auf. „Das klingt fast so, als würdest du ihn verstehen wollen."



Sie konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie sollte ihn verstehen wollen? In welcher Welt das? Nur weil sie dies langsam tat, hieß das nicht, dass sie es wollte. „Dein Gesicht verrät mir, dass ich daneben lag, nicht wahr?", fragte Mipha. „Ja", antwortete Raisa knapp.
„Ich verstehe das nicht. Wie könnt ihr euch nicht mögen, wo ihr euch doch so ähnlich seid?" Sie und Revali sollten sich ähnlich sein? Niemals! Ihr Weltbild, ihre Ansichten, ihr Charakter, all dies war so anders, als bei ihm. „Wir sind uns überhaupt nicht ähnlich!" Mipha kicherte erneut.
„Ihr seid beide stur, ehrgeizig, talentiert, streitsüchtig und habt die Eigenschaft alles nüchtern zu betrachten." Am liebsten hätte Raisa protestiert, doch was Mipha sagte, entsprach leider der Wahrheit. Deshalb schnaubte sie nur und verschränkte die Arme vor der Brust.



„Warum bist du eigentlich so distanziert?" Langsam ging ihr Mipha's Fragerei auf die Nerven. Raisa war nun mal nicht ein Mensch, mit dem man viel und lange reden konnte. Aber da Mipha ihr einen großen Gefallen tat, nahm sie es hin. „Weil das der deutlich bessere Weg ist durch das Leben zu kommen", antwortete sie. „Findest du? Ich meine, es ist doch schön von Freunden umgeben zu sein, für die man wichtig ist. Wenn du leidest, kannst du bei ihnen Hilfe suchen. Wenn du dich freust, kannst du deine Freude mit ihnen teilen. Und so..."
„Ich sehe keinen Grund mich zu freuen und mein Leid unterdrücke ich seit Jahren. Und damit komme ich super zurecht." Mipha gab es auf. Eigentlich hatte sie versucht Raisa vielleicht ein wenig näher zu kommen, im freundschaftlichen Sinne, aber es war so gut wie unmöglich.



Raisa wollte grade noch etwas sagen, doch die Tür wurde aufgerissen und ein Zora stand in der Tür. „Mipha! Sag mal hast du wieder..." Er stoppte abrupt, als er Raisa sah. Sie schaute ihn mit ihren kalten, goldenen Augen an. „Eine Hylianerin! Und ich dachte, du hast nur immer diesen Link zu Besuch! Vater sagt, dass du und er" – „Sidon!", sagte Mipha eindringlich. Raisa dachte sich bereits ihren Teil, dabei war es sowieso offensichtlich, dass Mipha etwas für Link empfand.



Während Mipha den jungen Zora aus ihrem Zimmer scheuchte, schaute Raisa dabei amüsiert zu. „Entschuldige. Das ist mein kleiner Bruder, Sidon. Er hat nur Schabernack im Sinn." Hatte sie da grade richtig gehört? Ihr jüngerer Bruder? Dieser Zora war mindestens so groß wie sie selbst und auch größer als Mipha. Und er war ihr jüngerer Bruder?
„Darf ich fragen wie alt der Junge ist?", fragte Raisa. „Mittlerweile fünfunddreißig. Aber er benimmt sich wie zwanzig", antwortete Mipha ihr.
Raisa war zwar bewusst, dass Zoras deutlich länger leben, als Hylianer. Aber das sie auch langsamer altern, war ihr nicht bewusst. Mipha's Bruder war doppelt so alt wie sie und ein junger Zora. „Und wie alt bist du?", fragte Raisa weiter. „Das bleibt ein Geheimnis", sagte Mipha grinsend.



„Nun... Ich bin dir dankbar, dass du mir mit meinem kleinen oder besser gesagt großen Problem geholfen hast. Aber ich muss jetzt los." Raisa stand auf und stellte sich bereits darauf ein, gleich wieder zurückzugehen. „Wieso bleibst du nicht bis morgen?", fragte Mipha. „Weil ich noch zu tun habe und weil ich Zelda in wenigen Tagen auf einer Reise begleiten muss."
Mipha stand nun auch. „Aber einen Tag wirst du doch opfern können. Morgen früh kannst du auch gehen. Na komm schon, das bist du mir schuldig!", lachte Mipha. Warum waren alle Personen, die sie kannte, eigentlich immer darauf aus, dass sie direkt ihre Schuld beglich?
Wobei... Ihr fiel da jemand ein, der tatsächlich das erste Mal für seine Tat nichts verlangte. Allerdings war sie dann so blöd und forderte, dass er was verlangte. Diese Person... In letzter Zeit schwirrte er viel zu sehr in ihren Gedanken herum.



„Wenn du morgen aufwachst, bin ich bereits weg."

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt