53. Erinnerungen

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  Es war dunkel, aber noch hell genug, um zumindest ein paar Umrisse erkennen zu können. Revali fiel das Sehen mit seinen überaus guten Augen noch etwas leichter. So saß er nun da in diesem dunklen Loch. Raisa lag mit Abstand neben ihm, noch immer bewusstlos.
Selbstverständlich war er dieses unsagbar tiefe Loch noch einmal hoch geflogen, um einen Ausweg zu finden, doch der Schnee der Lawine hatte sich in Massen über diese Eisfläche gelegt, sodass sie dort nicht hinaus kamen. Und das Eis zu durchbrechen war so gut wie unmöglich. Zudem würden er und Raisa bei lebendigen Leibe begraben werden, sollte das Eis endgültig brechen.


Eine Möglichkeit aus diesem Loch zu kommen, sah er somit nicht. Und schönreden konnte man diese Situation auch nicht. Es ging nicht schlechter! Was auch immer das Schicksal gegen ihn und Raisa hatte, es machte keinen Hehl daraus diese Abneigung zu verdeutlichen. Besonders bei Raisa, was er als positiv für sich sah.


Seine smaragdgrünen Augen wanderten über die fast schon leblose Gestalt, die sich nicht rührend vor ihm auf dem Boden befand. Zuerst dachte er, dass sie wirklich hinüber sei. Einen solchen Sturz zu überleben... Das konnte nur Raisa. Dieses Weib war einfach unfähig zu sterben, einfach viel zu zäh.
Nachdem er dann nachgesehen hatte, ob sie überhaupt noch Puls hatte und atmete, schaute er flüchtig nach, ob sie schwer verletzt war. Bei dem wenigen Licht war das nicht einfach, aber das was er sah, sah überhaupt nicht gut aus. Ihr Gesicht war voller Blessuren und Kratzer, ihre Hände blutverschmiert.


Ihr größtes Problem aber war wohl ihr unpraktischer Menschenkörper. Dieser konnte der Kälte vom Hebra kaum standhalten, als sie wach war. Aber da sie nun bewusstlos war und dies dem Schlaf gleich kam, würde sie an Unterkühlung sterben. Damit er sich in Schloss Hyrule nichts anhören musste, von wegen, er hätte nichts dagegen unternommen, nahm er widerwillig seinen Reckenschal vom Hals und warf ihn lieblos über sie. Viel brachte das bisschen Stoff auch nicht, aber es war doch immer noch besser, als gar nichts.


Dass er sie nicht links liegen ließ, hatte aber noch einen anderen Grund, als den, dass er in Schloss Hyrule Probleme kriegen würde. Für sein eigenes Wohl war es besser, wenn er sich nicht durch diese eisige Hölle allein kämpfte. Wer konnte schon erahnen, was noch geschehen würde? Noch ein silberner Leune, vielleicht auch zwei? Zu zweit war die Chance, dass er lebend zurück kehrte deutlich höher. Und Raisa war, auch wenn er es ungern zugab, eine exzellente Schwertkämpferin.
Aber nun lag sie dort auf dem kalten Boden und hielt vortrefflich ihren Mund. Nun, vielleicht lag sie auch nur bewusstlos dort, weil er es nicht geschafft hatte sie beim Fall zu greifen. Kurz hatte er sie erwischt, doch sie war ihm wieder entwichen. Noch bevor er irgendetwas tun konnte, war sie auf den Boden geschellt. Das musste verdammt wehgetan haben...


Wie auch immer, Raisa musste bald aufwachen, ansonsten würde sie sehr bald das Jenseits begrüßen dürfen. Wie lange würde es noch dauern, bis sie erfror? Ihre Lippen zeigten bereits eine ungesunde bläuliche Färbung. Und allgemein schien sie einen ziemlich gequälten Eindruck zu machen.
Aber, die junge Frau rührte sich nicht und erweckte auch nicht den Eindruck, als würde sich an dieser Situation etwas ändern.
Wenn der Grund dafür eine ernsthafte Verletzung war, konnte er rein gar nichts tun. Vielleicht starb sie grade an inneren Blutungen oder sie hatte sich äußerlich verletzt. Sehen konnte er aber nichts und entkleiden würde er sie mit Sicherheit nicht!
Er seufzte genervt. Diese Frau brachte ihm nur Probleme! Seit ihrem ersten Treffen gab es nichts als anderes. Waren es letztendlich diese Probleme, die sie in diese Situation brachten? Wer wusste das schon...


Er schloss die Augen und ließ die vergangenen Monate mit ihr noch einmal im Revue passieren. Der Tag, an welchem Zelda alle Recken zum alten Festplatz kommen ließ, um den sechsten Recken vorzustellen. Damals war Raisa wirklich noch dieses dreckige Straßenkind. Er hatte sie mit so viel Hass betrachtet, wie noch nie zuvor und sie? Sie hatte diesen Blick erwidert. Frech, fast schon trotzig, wie bei einem kleinen Kind...
Kurz darauf hatte er sie beim Jagen behindert und sie herausgefordert. Zu diesem Zeitpunkt wollte er sie einfach nur fertig machen, in allen möglichen Ebenen. Und da fing es so langsam auch mit diesen Streitereien an. Als sie dann wenige Tage später zum Dorf der Orni kam, um seine Fähigkeit zu sehen, hatte er sie verspottet und war zu Medoh geflogen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt