92. Pflicht oder persönliche Gefühle?

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  Dieses verdammte Monster war schlauer, als alle bisherigen. Mit seinen Elektropfeilen machte er Raisa fertig. Die Feuerpfeile waren nutzlos, die Eispfeile kein ganz so großes Problem, doch die Elektropfeile hatten es in sich. Revali hatte große Probleme den Leunen zu effektiv zu treffen, denn der stand keine Sekunde still, ebenso wenig wie Raisa, welche den tödlichen Pfeilen auswich. Ein direkter Treffer jetzt in Kombination mit Wasser... Das würde nicht gut ausgehen.
Doch Revali machte sich gar nicht erst die Mühe, um nach Raisa zu rufen und zu sagen, wie hirnrissig es doch wäre, weiter hier zu bleiben. Sie war einfach zu stolz, um vor einem Kampf zu fliehen. Er selbst setzte dann ja doch lieber Prioritäten und rettete seine Haut.


Grade hatte er einen Zeitpunkt erwischt, bei dem der Leune endlich länger als drei Sekunden still hielt. Revali's Pfeil ging im wahrsten Sinne des Wortes durch die Schulter des Leunen. Zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass er den Leunen wirklich behinderte, denn die Pfeile zuvor hatte er mühelos weggesteckt. Raisa nutzte die Gelegenheit und verpasste dem Leunen eine große Wunde am Oberkörper. Dabei kam sie ihm gefährlich nahe und der Leune versuchte sich wieder mit seiner Elektrizität zu schützen. Bevor sie ihr Schwert noch ein zweites Mal verlor, wich sie wieder zurück.


Für Revali war es zwecklos, weiter aus einer solchen Distanz anzugreifen. Er musste wohl oder übel näher heran. Er befand sich nun fast auf derselben Höhe wie Raisa, doch diese hatte grade überhaupt keine Zeit, um auf ihn zu achten und mit ihm zu kooperieren. Der Leune hatte wieder seine Art anzugreifen geändert und so wie Revali es im strömenden Regen sehen konnte, lieferte der Leune sich einen bitteren Schwertkampf mit Raisa. Allmählich gingen dem Schützen die Pfeile aus, weshalb er nun umso bedachter kämpfen musste. Er zielte auf den Kopf des Leunen...
Wenn er perfekt traf, was er von der Entfernung, ohne den Regen mit Leichtes geschafft hätte, wäre der Kampf vorbei. Revali zielte, schoss und verfehlte. Nicht, weil er zu ungeschickt war, der Leune war ausgewichen, dabei kämpfte er noch mit Raisa.


Urplötzlich sprang der Leune von Raisa weg. Besagte hat einen ziemlich verbissenen Ausdruck im Gesicht. Ihr Körper bebte, wahrscheinlich vor Wut. Was nun geschah, geschah so schnell, dass Revali es gar nicht richtig mitbekam und Raisa auch nur, weil sie es sehen konnte. Der goldene Leune machte dasselbe, was der silberne in Hebra getan hatte, um eine riesige Feuerkugel entstehen zu lassen. Doch dieser Leune war nicht auf Feuer aus... Sein Hauptelement war jenes, gegen welches er auch selbst geschützt war: Elektrizität. Da Revali sich nur knapp über den Boden befand und sehr nahe an dem Leunen dran war, hätte er die Elektrizität dieses Monsters voll und ganz abbekommen. Da hätte auch seine Fähigkeit ihn nicht mehr herausgeholt, eben weil es so schnell ging.


Doch es gab eine Person, die von Schnelligkeit besser Bescheid wusste, als jeder andere. Mehr schlecht als Recht legten sich zwei Arme um ihn und er wurde weggerissen von der Elektrokugel. Aus Reflex hatte er die Augen geschlossen und hielt diese auch zu, bis sein Körper nicht mehr über den Boden rutschte. Er spürte noch immer Gewicht auf seinem Körper und als er die Augen öffnete, funkelten ihm schon zwei goldene, wütende entgegen. Wären die beiden nicht in einem Kampf, hätten sie sich wohl große Gedanken darüber gemacht, in was für eine Position sie da eigentlich lagen. Er auf dem Boden und Raisa über ihm. Dabei waren sie sich so nah wie noch nie. Nicht einmal die bescheuerte Nacht in Hebra kam daran. Für einen Moment vergaß Revali vollkommen, dass es Raisa war, die auf ihm lag. Er sah nur die goldenen Augen, die ihn wütend fixierten. Doch hinter dieser gespielten Wut befand sich Sorge. In diesem so kurzen Moment konnte er in Raisa's Herz sehen.


Und hinter dieser perfekten Fassade, hinter ihrer Maske, sorgte sie sich um ihn. Sie selbst war sich dessen vermutlich nicht einmal bewusst. „Wenn du noch einmal so einen Dreck abziehst, dann töte ich dich", zischte sie. Umso wütender machte es sie, dass das Federvieh mit den Gedanken grade ganz weit weg war. Raisa war kurz davor ihm eine Ohrfeige zu verpassen, da hielt er sie aber schon auf. Kein Dank, kein Nichts. Für Raisa war klar, dass sie diesen Spinner nie wieder retten würde. Sollte er doch an dem nächsten Stromschlag verrecken.


Ihr Schwert hatte sie achtlos fallengelassen, um ihn zu retten. Sie hob es auf und blickte wieder zu dem herum wütenden Leunen. Ihr ganzer Körper spannte sich an und jetzt war sie richtig wütend. Dieser nie endende Kampf hatte sie letztlich dazu gebracht, dass sie Revali's Leben rettete und dass sie volle Kanne in den Dreck geflogen war. Es reichte ihr jetzt wirklich, so sehr, dass sie sich beherrschen musste.


Der Leune kam mit seinem Chimären-Schwert auf sie und Revali zu gerannt. In diesem Moment pfiff sie sogar auf ihre Fähigkeit. Sie brauchte keine göttlichen Hilfsmittel, um einen solchen Bastard niederzustrecken. Der Leune blieb vor ihr stehen und schwang sein Schwert. Raisa, welche ohne sich zu bewegen an Ort und Stelle befand, schlug ihr Schwert mit aller Kraft, die sich in ihrem Körper befand, gegen das Schwert. Das Chimären-Schwert zerbrach und die einzelnen Teile flogen durch die Luft. Und die Schwertteile waren nicht das einzige, was abgetrennt wurde. Der Leune war nun, im wahrsten Sinne des Wortes, einen Kopf kürzer.


Raisa wischte das Blut von ihrer Klinge und steckte ihr Schwert wieder weg. Ohne Revali auch nur eines Blickes zu würdigen, ging sie von Ort und Stelle und versuchte das Plateau wieder herunterzuklettern. Das war bei dem Regen ein ziemlicher Akt, doch letztlich hatte sie es wieder zu ihrem Pferd geschafft. Ihr war kalt, sie war nass... Und sie war so wütend, dass sie nicht einmal ihren Sieg genießen konnte.


Auf dem Weg zurück zu der Ebene von Hyrule, spürte sie die gesamte Zeit den Blick von Revali im Rücken. Und das raubte ihr den letzten Nerv. Doch ihn anschreien, wollte sie jetzt auch nicht. Dafür hatte sie jetzt nicht die nötige Kraft. „Was du da eben getan hast", fing er an und flog neben ihr. „Halt deine Klappe, ich will nicht darüber reden", würgte sie ihn ab. „Warum hast du..." – „Es war meine Pflicht und jetzt sei leise!", fiel sie ihm säuerlich ins Wort.
„War es nicht. Deine Psyche ist angeknackst, Raisa. Du hast schon einmal einen Menschen verloren, ohne etwas ausrichten zu können. Wenn du die Person vor dir nicht abgrundtief hasst, kannst du sie gar nicht sterben lassen", stellte er fest. „Du befindest dich auf ganz dünnem Eis, Revali", sagte sie gefährlich ruhig. „Aber eins interessiert mich wirklich. Ich dachte, du hasst mich so sehr?" Raisa zog scharf die Luft ein, um sich weiterhin zu beherrschen. Was fiel ihm nur ein, sich so einzumischen? Aber wenn sie ihm nicht antwortete, würde er nie Ruhe geben.


„Ich hasse dich nicht. Ich kann dich nicht leiden, aber..." Sie stoppte, weil es ihr so unglaublich dämlich vorkam. „Man sieht sich – gezwungenermaßen", sagte sie und ritt im schnellen Galopp davon. Und jetzt könnte sie sich noch eine Ohrfeige verpassen... Hatte sie sich doch tatsächlich verabschiedet...

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt