14. Uneinigkeiten

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Die Vorbereitungen für die Reise waren fast abgeschlossen. Als letztes durfte sich Raisa ein Pferd aussuchen, welches im Stall der Königsfamilie untergebracht war. Nun, eigentlich wollte Zelda nur verhindern, dass Raisa sich wieder ein Pferd von einem Händler stahl. Sie hatte sich einen schwarzen Hengst ausgesucht. Er war ungestüm, aber prachtvoll.
„Hast du alles?", fragte Zelda, welche sie noch bis zum Rande von Hyrule Stadt begleitete. „Ich habe nicht mehr, als das, was ich am Leib trage. Somit habe ich immer alles bei mir." Die Prinzessin von Hyrule verdrehte die Augen. „Das fragt man trotzdem und das weißt du auch", rechtfertigte sie sich. Natürlich wusste Raisa das, aber wer dumm fragt, bekommt auch dumme Antworten.

Das Federvieh würde bald auftauchen. Das konnte ja lustig werden, er und Raisa auf einer Reise. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um ihre schlechte Laune deswegen nicht an jemand anderen auszulassen.
„Na sie mal einer an, du bist ja schon da." Raisa sah zu Revali, welcher neben Zelda landete. Augenblicklich verspürte sie den Drang wieder zu gehen. Doch sie musste stark sein und durchhalten. Der König hatte den Auftrag schließlich höchstpersönlich an sie und Revali weiter gegeben.
„Ihr wart beide doch noch nie außerhalb von Hyrule, nicht wahr?", fragte Zelda. Raisa nickte, ebenso Revali. „Bevor ihr im Land Epysa ankommt, seid ihr im sogenannten Niemandsland. Dies ist eine Landschaft, die Aufgrund zahlreicher Monster zu keinem Königreich oder Land gehört. Ihr solltet dort auf alles gefasst sein. Der Weg dorthin ist einfach. Ihr müsst nach Phirone und dort über eine große Brücke in den Süden. Ich wünsche euch viel Glück." Zelda verabschiedete sich von Raisa und Revali.

Raisa nahm Platz auf ihrem Hengst und schaute zu dem Federvieh. Glück wird sie auf jeden Fall brauchen, um es mit ihm auszuhalten.
Raisa ritt los und Revali begab sich in die Lüfte. Sobald er sich sicher war, dass Zelda seine Worte nicht mehr hören konnte, flog er niedriger. „Ich weiß gar nicht, warum sie mich nicht alleine schicken. Ich fliege schneller, als dein Gaul je laufen könnte." Raisa verdrehte die Augen. Kaum konnte er wieder gut fliegen, riss er seinen Schnabel auf. Aber das hatte sie sich bereits gedacht.
Ein weiterer Grund, warum sie sich den schwarzen Hengst ausgesucht hatte, war der, dass dies das schnellste Pferd in Hyrule Stadt war. „Das wollen wir ja sehen", sagte sie herausfordernd und trieb ihr vierbeiniges Transportmittel an. Im Galopp raste der Hengst über die Wiesen, ließ Raisa's Haar und ihren Schal im Wind wehen. Das Federvieh flog neben ihr, auch wenn es anstrengend war.

Raisa wusste, dass ihr Pferd aber auch nicht ewig so laufen konnte, weshalb sie und das Federvieh sich nichts taten. „Du sagtest, dass du schneller fliegen könntest. Das sehe ich nicht", rief sie ihm zu. Er schnaubte nur. „Bin ich so interessant, dass du die ganze Zeit auf mich schauen musst?", rief er zurück. Raisa schnaubte und richtete ihren Blick nach vorne. Dass er jetzt mit etwas derartigen kam, als würde sie ihn auch nur in irgendeiner Weise und Weise interessant finden.

Während der Reise schwiegen die beiden. Ob es nun so war, dass sie nicht miteinander reden wollten oder weil sie nicht wussten über was sie reden könnten, blieb wohl ungeklärt. Als sie dann in Phirone ankamen, war das Federvieh dazu gezwungen viel weiter oben zu fliegen. Dies lag an den vielen, dicht beieinander stehenden Bäume. Raisa konnte auch nicht hindurch pesen, schließlich wollte sie nicht riskieren, dass ihr Pferd plötzlich scheute.

„Hey Federvieh, lass uns kurz Pause machen. Das Pferd muss etwas trinken", rief Raisa. Erst bekam sie keine Antwort, vermutlich weil er sie reizen wollte. „Pause können wir an unserem Zielort machen", rief er zurück. Sie atmete tief ein und aus, um nicht die Beherrschung zu verlieren. „Hältst du dich für lustig?" Sie bekam keine Antwort und hatte auch keine Lust weiter nach einer Pause rum zu betteln. So stieg sie von ihrem Pferd und führte es zu einem Teich.
„Warum konnten die Blitze am Himmel aus ihm nicht ein wenig Geflügel machen?", fragte sie sich selbst. „Hast du etwas gesagt?" Sie drehte sich um und sah das Federvieh auf einem Felsvorsprung sitzen. Wo kam der so plötzlich her?
„Ja habe ich." Sie wand sich von ihm ab und nahm ihrem Pferd das Zaumzeug ab. „Hast du vor hier Ewigkeiten zu bleiben?", fragte er. „Nein, aber würdest du es toll finden, wenn du den ganzen Tag Metall in der Fresse hättest?" Raisa's Art zu sprechen, war grade wohl nicht die Beste. „Solange du nicht die Zügel in Händen hältst", antwortete er. Dieser freche Bastard, wagte es doch wirklich...

Raisa ballte die Hände zu Fäusten. Es fehlte nicht mehr viel, dann verlor sie ihre Selbstbeherrschung. Sie verstand nicht, wie er im Dorf der Orni beliebt sein konnte. Die Vögel dort mussten einen grausamen Geschmack haben. Er war die Person, die Raisa am wenigsten leiden konnte. Und das hatte er sich selbst zuzuschreiben. Von Anfang an hegte er einen Groll gegen sie, dabei hatte sie ihm nichts getan.
„Wir können weiter", sagte sie, als sie ihrem Pferd das Zaumzeug wieder angelegt hatte. „Das wurde auch Zeit. In dieser vergeudeten Zeit wäre ich bereits einmal dorthin und wieder hier her zurück geflogen." Und das sollte sie ihm glauben? Er war also nicht nur ein Angeber, sondern auch noch ein Märchenerzähler. Sie ging darauf jedoch nicht ein und trabte weiter in Richtung Süden.

Die große Brücke von der Zelda sprach, war bereits zu sehen. Während ihres Rittes dachte Raisa über den Auftrag nach. Hyrule war ein Königreich, welches immer noch wuchs. Zuerst hatten sich die Zoras dem Königreich angeschlossen, dann die Gerudos. Die Orni und Goronen waren wohl schon immer mit von der Partie. Jedenfalls möchte der König nun mit dem von Epysa verhandeln. Das Reich könnte sich Hyrule anschließen, somit würde Hyrule wachsen und das Niemandsland verschwinden.
Eigentlich ganz schlau, doch der König dort soll stur sein. Und das letzte was Raisa wollte, war mit einem sturen, alten und senilen König zu diskutieren. Dafür war ihr ihre Zeit zu schade. Zudem wollte sie eigentlich schon längst mit ihrem Training angefangen haben.

„Warte mal", rief ihr Revali zu und landete. Sie verlangsamte das Tempo und kam neben ihm zum Stehen. „Was ist jetzt schon wieder?", fragte sie genervt. „Meinst du nicht, dass wir auf dieser Brücke wie auf dem Präsentierteller sind?" Raisa musterte daraufhin die große, wirklich große Brücke. Das würde selbst zu Pferde ein paar Minuten dauern, bis sie auf der anderen Seite war.
„Es gibt für mich keinen anderen Weg. Ich kann nicht fliegen", sagte sie und galoppierte auf die Brücke zu. Revali seufzte genervt und folgte ihr, auch wenn das die blödeste Idee überhaupt war.

Ein Viertel war bereits geschafft, dennoch blieb die Anspannung. Sie konnte weiter hinten, am anderen Ende ein weiteres Pferd mit Reiter ausmachen, aber es war schwer zu erkennen. „Dahinten ist jemand", sagte sie zum Federvieh. Doch sie bekam keine Antwort. „Revali?", fragte sie genervt. Dies war zudem das erste Mal, dass sie ihn mit seinem Namen ansprach.
Sie drehte sich um und erkannte, dass er gelandet und stehengeblieben war. „Was machst du da?", fragte sie und ritt das Stück zurück. „Ich bleibe außer Sichtweite", sagte er. Außer Sichtweite von was?

Raisa richtete ihren Blick wieder auf das Pferd mit dem Reiter. Dabei beschlich sie ein ungutes Gefühl. „Das ist ein Leune." Das Federvieh bestätigte ihre Befürchtung. Jeder normal denkende würde nun das Weite suchen, doch nicht Raisa und Revali. Diese Todesmutigen zogen ihre Waffen.
„Ich attackiere ihn von der Luft aus, du musst einfach nur an ihm vorbeikommen. Ist das klar? Wir sind nicht unterwegs, um uns mit Monstern zu prügeln." Revali erhob sich in die Lüfte und flog los. Raisa passte das nicht, dass sie etwas anfangen und nicht beenden sollte. Sie machte ungern halbe Sachen.
Schnaubend trieb sie ihr Pferd an. Warum sollte sie auf das Federvieh hören?

Der Leune bemerkte die Beiden und zückte seinen Bogen. Seine Pfeile flogen zu Revali, doch dieser wich ihnen geschickt auf und schoss gleichzeitig zurück. Raisa kam unterdessen in Windeseile angeritten und zückte ihr Schwert. Auch der Leune zückte seins und ritt auf sie zu.
Dies war wie ein Ritterkampf, nur das es hier keine Regeln gab. Kurz vor dem Aufeinandertreffen sprang sie vom Pferd und schnitt durch den Rücken des Leunen. Der Aufprall auf dem Boden war hart, doch sie machte nicht schlapp. Da ihr Pferd davon ritt, hatte sie sowieso keine andere Wahl, als sich dem Leunen zu stellen.
So richtete sie sich auf und stellte sich dem doppelt so großen Monster entgegen. „Bist du vollkommen bescheuert?! Ich habe gesagt, dass du nur an ihm vorbeikommen sollst!", rief das Federvieh zu ihr herunter. „Halt einfach deine Klappe und Kämpfe weiter. Du bist doch ein Mann oder nicht? Dann benimm dich auch wie einer!", rief sie zu ihm. Im nächsten Moment sah sie auch schon das riesige Schwert auf sich zukommen. Geschickt wich sie ihm aus und schwang sich auf den Rücken des Leunen. Ein paar gute Treffer erzielte sie, doch er schmiss sie herunter. Erneut ein harter Aufprall.

Er kam auf sie zu, doch kurz bevor er sie erreichte, stoppte ein gezielter Pfeil von Revali ihn. „Gib ihm den Gnadenstoß!", rief er. Raisa versenkte ihr Schwert bis zum Herz des Leunen und zog er wieder heraus. „Du bist komplett bescheuert, weißt du das? Das hätte richtig schief gehen können", fauchte Revali sie an. Sie ging an ihm vorbei und steckte ihr Schwert wieder weg. „Ich mache keine halben Sachen. Und ich lasse mir von dir nicht sagen, was ich zu tun und lassen habe. Ich bin eine Kriegerin und habe meinen Stolz und meine Würde!"

Es war ein langer Weg bis zu ihrem Pferd, aber letztendlich erreichte sie es wieder. Das hatte sie auch nötig. Sie hatte sich ein wenig am Fuß verletzt, wahrscheinlich durch die Aufprall. Nun, jetzt konnte sie ihn schonen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt