38. Der Platz, der Erinnerungen weckt

497 39 0
                                    

  „Ein Waffenstillstand? Du solltest genauso gut wie ich wissen, dass dieser nicht lange halten würde." Raisa wusste nicht, was Revali wollte. Er, sie und ein Waffenstillstand? Auf eine derartig blöde Idee würde niemand kommen. Nicht einmal... Wie hieß er noch? Egal, sie meinte auf jeden Fall den Prinzen von Epysa.
„Es war ein Angebot. Du musst es ja nicht annehmen, wenn du zu stolz dafür bist", sagte er und drehte sich um. Seine Arroganz war mal wieder zu deutlich zu sehen.
„Das hat nichts mit Stolz zu tun", rief sie ihm zu. „Ach, ist dem so?" Ja verdammt, dem war so! Noch bevor er sie weiter provozieren konnte, ging sie die Treppe hinunter. Ihre Nerven waren am Limit.


Sie hatte nicht den Hauch einer Ahnung, was mit dem Federvieh los war. Seit diesem einen Vorfall benahm er sich äußerst seltsam. Noch seltsamer, als er vorher. Und diese neue Art gefiel ihr noch weniger, als seine vorherige. Er war noch nerviger. Deswegen, sie hätte nie gedacht, dass sie sich dies einmal wünschen würde, wünschte sie sich schon fast das alte Federvieh wieder. Wobei, ein noch besserer Wunsch wäre, wenn er einfach verschwinden würde.
Tja, leider war das zu schön, um wahr zu sein.


Die Wege der beiden trennten sich somit wieder. Er ging mit gehobenen Haupt wieder in das Schloss. Die Recken und natürlich Zelda hatten schon auf ihn gewartet. „Hast du sie gefunden?", fragte Zelda. „Nein", antwortete er. Was eben passierte, ging niemanden etwas an.
Wo er so darüber nachdachte, eigentlich hatte keiner von ihnen je etwas über die Dinge erfahren, die zwischen ihm und Raisa passierten. Weder die guten noch die schlechten. Dafür gab es wohl zwei Gründe. Zum einen waren beide zu stolz, zum anderen erpressten sie sich gegenseitig.


„Ich frage mich, warum ich dir nicht glaube", sagte Urbosa amüsiert. Revali verdrehte augenblicklich die Augen. Diese Frau hatte zu gute Menschenkenntnisse und zu allem Überfluss teilte sie ihre Meinung oft mit den anderen, die zu unterbelichtet waren, um etwas selbst zu erkennen.
„Das frage ich mich auch", erwiderte er emotionslos. Urbosa schlug ein Bein über das andere. „Kennst du nicht das alte Sprichwort 'Was sich neckt, dass liebt sich'?" Die anderen, einschließlich sie selbst, fingen an zu lachen. Alle lachten, nur er nicht. „Nun, dies trifft aber nicht zu. Wir sind oftmals nicht daran interessiert uns zu necken, sondern uns umzubringen."


'Was sich neckt, dass liebt sich.' So weit sollte es noch kommen. Als würde er... Allein die Vorstellung brachte ihn schon zum Würgen. Als würde er etwas Abscheuliches wie Raisa lieben. Seine Frau sollte eine schöne Orni sein, eine seiner Art! Kein Mensch, erst recht kein Heimatlosen und schon gar nicht jemanden wie Raisa.
„Jetzt schau doch nicht so ernst, ich zieh dich doch bloß auf", sagte Urbosa schließlich. Revali verdrehte erneut die Augen. Als wäre er ein Kind, bei dem es Spaß machte, es zu ärgern.


Während in Schloss Hyrule diskutiert wurde, hatte sich Raisa in die Stadt zurückgezogen. Sie saß erneut an dem Springbrunnen am Zentralplatz. Dieses Mal warf sie jedoch keine Steine in das Wasser, sondern schlürfte einen Cocktail, den sie sogar legal erworben hatte, und dachte nach. Ach ja, mit dem Cocktail brach sie sogar einen ihrer Schwüre, aber mittlerweile war ihr das so gut wie egal. Es gab noch zwei andere an die sie sich halten konnte, von daher... Hinzu kam, dass sie so viel besser nachdenken konnte. Der Alkohol entspannte in einem gewissen Maße.


Noch nie war sie innerlich so durcheinander. Wenn es irgendetwas gab, was sie nicht ab konnte oder was ihr mental schadete, dann verdrängte sie es. Aber in letzter Zeit hatte sie das Gefühl, als würde der Ort in dem sie das alles verdrängte, überlaufen. Als würde es nicht mehr gehen. Aber das konnte einfach nicht sein, das durfte einfach nicht sein.
Hätten gewissen Personen nicht rum gestochert, dann wäre ihr Inneres noch im Gleichgewicht. Aber die Göttinnen schienen etwas gegen sie zu haben, denn ansonsten wäre das nicht passiert.


Sie stellte ihr Glas neben sich und ließ ihren Blick über den Platz schweifen. Da es bereits dunkel war, war kaum noch eine Person draußen zu sehen, was ihr nur recht war. Aber der Platz... Er weckte Erinnerungen. Er erinnerte sie an Tage, welche vier Jahre zurück lagen.
Es waren Tage, an denen sie noch an so etwas wie Hoffnung oder Liebe glaubte.


Doch das Leben war unberechenbar. Von einer Sekunde auf die andere hatte sie feststellen müssen, dass diese Welt und alle Personen in ihr grausam waren. Vor allen die Menschen in Hyrule Stadt. Ihrer Meinung nach, hätte jeder von ihnen den Tod verdient. Wären sie alle nicht so kalt und unbarmherzig gewesen, hätte einiges verhindert werden können. Eine gewisse Person hätte nicht sterben müssen.
Hätte sie das voraussehen können, hätte sie es nicht zugelassen.


Noch bevor sie mit dem Gedanken fertig war, richtete sie ihren Blick auf. Könnte es sein, dass... Dass sie diese Fähigkeit erlangte, grade weil sie dieses eine Ereignis nicht verhindern konnte. Und damit sich dies nicht wiederholte...


Zumindest... War dies der einzige plausible Grund der ihr einfiel. Ansonsten würde sie es auf eine Laune der Götter schieben. Warum sonst sollte jemand wie sie an eine solche Fähigkeit gelangen? Wie der Deku Baum bereits sagte, einst war dies die Fähigkeit der Prinzessin von Hyrule. Und Raisa brauchte nicht zwei Mal überlegen, um zu wissen, dass sie keine Adelige war.


Nun, um auf diesen Platz zurück zu kommen. Hier spielte sich eigentlich keine traurige Erinnerung ab, im Gegenteil. Als sie auf diesem Platz vor vielen Jahren stand, wurde ihr zum ersten Mal bewusst, dass sie so vieles aus eigener Kraft erreichen konnte. Und auf diesem Platz fing sie an zu träumen. Auch wenn es unrealistische Träume waren, sie zusammen mit einer Person zu träumen, die einem sehr wichtig war, war schön. Und es gab einem Kraft den nächsten Tag zu erblicken.




Ihr solltet erfahren, was an jenem Tag vor etwa vier Jahren hier geschah. Und welches schreckliche Ereignis durch diesen Tag folgte...  

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt