48. Auf nach Hebra

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  Raisa drehte sich um und erblickte wie erwartet Revali, welcher grade auf dem Boden landete. Ihm schien die Kälte überhaupt nichts auszumachen. Das hatte er wohl seinen Federn zu verdanken. Damit hätte er jetzt schon mal einen großen Vorteil bei dieser Mission.
„Als würde es mich interessieren, ob du warten musstest, oder nicht", erwiderte sie gleichgültig. Dabei traf ihr emotionsloser Blick den seinen. „Ich begreife es nicht. Warum muss der König dich mir aufhalsen? Ohne dich würde das Ganze viel schneller laufen", sagte er, arrogant wie immer. Raisa erwiderte daraufhin nichts.


'Wer schweigt, stimmt nicht immer zu. Vielleicht hat man auch nur keine Lust mit Idioten zu diskutieren.' Diesen Spruch hatte sie während ihrer Zeit auf der Straße mal gehört. Interessant, wie sehr er hier doch passte.
„Was ist? Gar kein Kommentar?", fragte er schon fast ungläubig. „Nein", kam es knapp von ihr. Wenn es ihn glücklich machte in seinem gespielten Perfektionismus zu leben, dann ließ sie ihn. Er war den Sauerstoff, den sie beim Streiten verschwendete, nicht wert.


So standen die beiden nichtssagend da. Vielleicht warteten sie auch nur darauf, dass der andere etwas sagte. Doch dies passierte nicht. Raisa stieg auf das Pferd, welches sie geliehen bekommen hatte und ritt im Schritt an Revali vorbei.
„Hör auf unsere Zeit zu verschwenden", sagte sie, während das Pferd an ihm vorbeiging. Er gab ein „Tch" von sich und flog neben ihr. Na ja, nicht direkt, aber so, dass sie miteinander reden könnten ohne sich anbrüllen zu müssen.


„Mit dem Gaul wirst du in Hebra nicht weit kommen. Dessen bist du dir bewusst?", fragte er. „Wenn du fliegen könntest, sähe das natürlich ganz anders aus, aber nicht jeder kann mit dieser einzigartigen Fähigkeit geboren werden", fügte er noch hinzu. 'Arroganz' war das erste, was ihr in den Sinn kam.
„Das werde ich dann ja sehen, wenn wir dort sind. Ich kann etwas nicht ausschließen, wenn ich es mit eigenen Augen nicht gesehen habe." Revali verdrehte daraufhin die Augen. „Wirst du jetzt zur Philosophin?", fragte er. „Sicher doch", nahm sie ihn hoch.


Ihr Blick lag auf den hohen, verschneiten Bergen von Hebra, die sie ansteuerten. Mit dem Gaul in diesem Schneegebiet herumzulaufen, könnte ihre Rettung werden. Oder es würde alles andere als erfreulich werden. Und zu allem Überfluss hatte sie noch diesen Vogel am Hals. Am liebsten würde sie ja wegreiten, doch als die Wege der beiden sich auf der letzten Mission trennten..., wurden sie von den Yiga überrascht.
Wenn sie so recht darüber nachdachte, dann hatten die Yiga sich schon lange nicht mehr blicken lassen. Nicht, dass sie dies bedauerte, aber ungewöhnlich war es schon. Es war Recht unwahrscheinlich, dass sie es aufgegeben hatten. Sicherlich warteten sie nur auf etwas Bestimmtes. Bald war ja der Geburtstag der Göttin Hylia und der wurde in Hyrule natürlich groß gefeiert. Ob es das Ziel der Yiga war an diesem Tag etwas anzurichten?
Tja, wer wusste das schon. Konnte ihr ja auch fast egal sein.


„Was hast du eigentlich mit deinem Gesicht gemacht?", fragte er und musterte ihr Gesicht. Sie seufzte genervt. Dasselbe hatte Zelda auch schon gefragt. Während sie im Kampf gegen das Moldora den Sandbogen begutachtete hatte, hatte sie sich doch leichte Verletzungen zugezogen. Kratzer, besser gesagt. Eigentlich war das kein Problem, doch diese sahen Striemen-Artig aus. Und das konnte man falsch deuten. Und sie wusste, Revali würde es falsch deuten.
„Ich wusste gar nicht, dass du eine masochistische Veranlagung hast." So trocken und ernst wie er es gesagt hatte, glaubte sie fast, dass er ernst meinte. Also glaubte er wirklich allen Ernstes...
„Bist du von allen guten Geistern verlassen? Das stammt von einem Kampf!", stellte sie das klar.
„Bei dir weiß man nie", erwiderte er. Dieses Mal aber wirklich stichelnd. Raisa ignorierte es.


Der Weg, auf dem ihr Pferd lief, änderte sich allmählich von Erde zu Schnee. Erst war es nur eine dünne Schicht, auf der man die Abdrücke der Hufen kaum sah. Aber die Schneefläche wurde immer größer und die Hufen verschwanden mittlerweile im glitzernden Weiß. Glücklicherweise schneite es nicht, denn die Schneefälle in Hebra waren heftig.
„Was sollen wir hier eigentlich? Wenn der königliche Hof meint, dass diese Ruinen so wichtig sind, dann soll er gefälligst selbst herkommen", meinte sie nach einiger Zeit. Allerdings bereute sie es zugleich gefragt zu haben. Suchte sie ernsthaft Zustimmung von Revali?


„Wenn in diesen Ruinen ein Titan sein sollte, bräuchten sie so oder so einen Recken, der ihn steuert. Aber da hätten sie mich auch alleine schicken können. Ein Recke reicht, zwei braucht es nicht." Irgendjemand musste unbedingt an seinem Ego kratzen.
„Richtig. Zwei sind absolut überflüssig, vor allem wenn man jemanden wie dich mit schickt. Das ist eine Behinderung, keine Bereicherung", sagte sie. Im sticheln war Raisa mindestens so gut wie er. Aber, irgendwie ärgerte sie es doch, dass sie sich wieder auf das Herumstreiten eingelassen hatte. Das würde die Mission nur unnötig anstrengender machen.
„Aber du sollst eine Bereicherung sein?", fragte er und sah herablassend zu ihr. „Immerhin bin ich nicht so einfallslos." Mit diesen Worten trieb sie ihr Pferd an, in der Hoffnung, dass sie einen großen Abstand zwischen sich und ihm bringen konnte.


„Beim letzten Mal wolltest du eine gesamte Stadt in die Luft jagen. Das nennst du einfallsreich?" Ja, das nannte sie einfallsreich. Was hatte er denn in der Situation geleistet? Genau, gar nichts!
Leute wie er, die immer nur nach den Regeln spielten und sich als die 'Guten' gaben, kamen doch nie weit im Leben. In dieser Welt schadete man sich selbst mehr, wenn man immer fair war, als das man sich etwas Gutes tat.
„Du bist ja plötzlich so still", merkte er an. Dabei grinste er triumphierend. Sie seufzte nur genervt. „Du merkst einfach nicht, wann Schluss ist, oder? Ich hätte dich sterben lassen sollen, dann hätte ich ein Problem weniger." Jetzt bewegte sie sich auch auf dünnem Eis. Auf ziemlich dünnem!


„Warum hast du es dann nicht?" Gute Frage. Warum war sie so dumm gewesen und hatte sich von ihrem Titanen befehlen lassen, ihn zu retten? Einen Dreck hätte sie machen sollen.
„Das Schicksal war auf deiner Seite", antwortete sie. Vielleicht... Vielleicht hatte sie ihn gerettet, weil sie sich selbst beweisen wollte, dass sie dies konnte. Sie wollte Revali retten, weil sie beweisen wollte, dass sie dazu in der Lage war das Schicksal zu verändern.
„Wer es glaubt. Du wolltest dir doch nur einen Vorteil verschaffen, weil ich dann in deiner Schuld gestanden hätte. Aber du hast versagt und ich musste dir helfen!" Ja, das wäre ein typischer Beweggrund für sie gewesen. „Ich wollte meine Schuld bei dir begleichen. Du entsinnst dich?" Genau, deshalb hatten sie sich noch bei ihm Zuhause gestritten.


„Du hast Recht. Der Waffenstillstand hätte nie gehalten", sagte er. „Du weißt, dass du mir grade Recht gegeben hast, oder?" Ja, das wusste er und er bereute es. Aber was gesagt war, war gesagt. Ändern konnte er es nicht mehr und sich herausreden hätte keinen Sinn.
Somit reisten beide, ohne ein Wort zueinander zu sagen, weiter durch das Land des Schnees. Auf ihrem Weg gab es nur einen einzigen Stall, den sie bald erreichen würden. Und es war notwendig, dass sie dort rasteten.
Wegen des Pferdes und der Tatsache, dass Raisa sich ihre vier Buchstaben abfror. Hebra... Wie kalt mochte es in diesen Bergen sein? Definitiv zu kalt! Da brachte auch der Mantel, den sie trug, nichts mehr. Sie musste sich dermaßen zusammenreißen, um nicht zu zittern.
Ein wenig vermisste sie da schon die Hitze der Gerudo Wüste.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt