42. Revali und Ehrlichkeit?

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  „Du denkst also, dass du mich durchschaut hättest?", warf Raisa dazwischen, noch bevor Urbosa weiter reden konnte. „Allerdings", antwortete die Königin der Gerudos noch immer amüsiert.
„Was sind denn meine Absichten?", verlangte sie zu wissen. „Nun, so wie ich dich einschätze, gehst du doch nur an Orte, an denen es etwas für dich Lohnenswertes befindet. Dies hier ist allerdings die Wüste, ein Meer aus Sand soweit das Auge reicht. Hier gibt es nichts Besonderes. Und da du dich scheinbar nie vergnügst, schließlich hast du auch mein Angebot ausgeschlagen mit mir Trinken zu gehen, bist du hier, weil du gegen ein Moldora kämpfen willst, nicht wahr?"
Urbosa mochte zwar Recht haben, aber Raisa war nicht dämlich. Sie bemerkte, dass es da noch mehr gab. „Interessante These, allerdings scheint mir der Sprung von 'nicht vergnügen' zu 'der zweitgefährlichsten Bestie stellen' doch etwas gewagt..." Raisa machte eine kurze Pause und sah dann zu Urbosa auf. „Spuck es schon aus, woher weißt du das?", verlangte sie zu wissen.


„Du lässt dir auch alles was du hörst wirklich zehnmal durch den Kopf gehen, oder? Nun, ich habe mir das zusammengereimt. Ist doch noch nicht lange her, dass du gegen einen Leunen gekämpft hast?", antwortete Urbosa. Sie hatte es gewusst! Sie wusste, dass es da noch etwas gab, was Urbosa nicht erwähnt hatte. Und dass Urbosa von dem Kampf mit dem Leunen wusste, konnte nur bedeuten, dass Revali seinen dreckigen Schnabel aufgerissen hatte.


„So? Das Federvieh gibt also mit dem Erfolg anderer an? Hat er auch erwähnt, dass er den Schwanz einziehen und gar nicht gegen den Leunen kämpfen wollte?" Urbosa lachte daraufhin auf. „Nein, das hat er nicht. Aber das ist auch nicht ungewöhnlich für ihn." Wer gab auch schon gerne mit seinen Fehlern oder seiner Schwäche an?
„Allerdings erwähnte er, dass du diejenige warst, die den Leunen niedergestreckt hatte", fügte Urbosa noch hinzu. In diesem Moment konnte Raisa ihre Fassade nicht aufrechterhalten und schaute etwas überrascht. Hatte sie grade richtig gehört? „Revali mag zwar nicht den Eindruck erwecken, aber eigentlich ist er immer ehrlich. Vielleicht erzählt er nicht immer alles, aber was er sagt, ist meist wahr." Ja, und grade das verwunderte sie so. Immerhin hätte er diesen Teil ja auslassen können.


Wie dem auch sei, Raisa fasste sich wieder und Urbosa erhob sich von ihrem Thron. „Du willst also gegen ein Moldora kämpfen?" Raisa nickte daraufhin und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Dann werde ich dich begleiten", beschloss Urbosa. Und erneut glaubte sie sich verhört zu haben, nein, sie hoffte sich verhört zu haben. „Kommt nicht in Frage!", zischte sie. Warum musste ausgerechnet ihr so etwas immer geschehen? Wäre sie doch bloß nicht in diese verdammte Stadt gegangen. Ihre wäre dann so einiges erspart geblieben.
„Wenn du alleine gehst, endest du doch nur als Moldora-Futter. Du weißt nichts über die Wüste. Du solltest das Ganze vielleicht mal aus einer anderen Perspektive betrachten: Zu zweit ist die Chance, dass du verletzt wirst deutlich niedriger", warf Urbosa ein. Aber ihr war es egal, wie hoch das Risiko war, wenn sie alleine ging. Sie war Überlebenskünstlerin, außerdem konnte sie ahnen, dass nichts passieren würde. Im wahrsten Sinne des Wortes 'ahnen'. Und mal von dem ganz abgesehen, hatte Raisa es nicht nötig bemuttert zu werden.


„Würde es dich umstimmen, wenn ich dir den Grund für meine Entscheidung nenne?", fragte Urbosa. Raisa zuckte daraufhin nur mit den Schultern.
„Das Herz eines Moldora ist sehr wertvoll. Aus diesem kann Medizin hergestellt werden, welche fast schon wunder bewirkt. Es gibt viele kranke Menschen hier, die eine solche Medizin bräuchten. Unter ihnen sind auch Kinder...." Raisa wandte ihren Blick ab und presste die Lippen aufeinander. Kranke Kinder, wie? Das erinnerte sie an wieder an die Zeit mit Seina. Hätte man ihr damals geholfen, dann hätte sie nicht sterben müssen.
Und die Menschen hier warteten wohl darauf, dass jemand kam und ihnen half.


Raisa wandte ihren Blick wieder zu Urbosa. „Gut. Du hast mich überzeugt", sagte sie. Allerdings hatte ihre Stimme einen ziemlich bitteren Unterton. Vermutlich kam dieser, weil sie sich grade zurück erinnerte. „Lass uns keine Zeit verschwenden und uns vorbereiten. Ach ja, die Kosten für den ganzen Spaß gehen auf dich", fügte Raisa noch frech hinzu und machte sich auf, um den Thronsaal zu verlassen. Urbosa verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte amüsiert den Kopf. Raisa war wirklich...einzigartig.


Letztlich folgte Urbosa Raisa, blieb allerdings ein paar Schritte hinter ihr. Sie fand, wie eigentlich jeder Recke, das Raisa eine interessante Person war. Vermutlich dachte auch Revali so, nur würde er dies nie zugeben.
Ach, Raisa und Revali, die beiden zusammen zu sehen, egal in welcher Situation, ist immer herrlich. Die beiden konnten es ja leugnen, wie sie wollten, aber irgendetwas verband sie. Und wenn sie sich bis ans Ende aller Tage hassen würden, die Schicksale, der beiden waren einfach miteinander verflochten und das konnten sie nicht ändern.
Urbosa, welche nun schon lange auf Erden wandelte und schon viel Erfahrung hatte, wusste, wovon sie sprach. Raisa und Revali, beiden waren so unterschiedlich und auf irgendeine Art und Weise wieder so gleich. Mit Sicherheit würden sie ein lustiges und interessantes Paar abgeben. Allerdings würden die beiden sich jeden Tag streiten und gegenseitig halb umbringen.


Aber soweit würde es wahrscheinlich niemals kommen. Dafür waren beide einfach zu stolz und Raisa... War Raisa überhaupt in der Lage so etwas wie Liebe zu empfinden?
„Ach ja Raisa, eines muss ich dir noch sagen", rief Urbosa, als beide die Treppen des Palastes runter gingen. Raisa blieb stehen und sah zu Urbosa auf. „Deine Haarfarbe... Deine richtige Haarfarbe sieht um Längen besser aus, als das Weiß. Das Braun harmoniert viel besser mit deinen Augen." Raisa zog daraufhin nur eine Augenbraue nach oben.


„Die Meinung anderer ist mir genauso wichtig, wie das Wohlbefinden dieses Vogels."

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt