101. Zwischenmenschlich

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„Das meinte er doch nicht wirklich ernst, oder?", fragte Revali mit Spott in der Stimme.
„Ist mir relativ", antwortete Raisa. Sidon war bereits in das Dorf der Zoras zurückgekehrt, somit waren Raisa und Revali allein auf den Bergen von Ranelle. „Du sagst, dass Zelda nach mir sucht? Dann wird sie sich noch ein wenig gedulden müssen", sagte Raisa und lehnte weiter an den Felsen. Als Revali sie jedoch weiter mit stummen Blicken musterte, verdrehte sie genervt die Augen.
„Das bedeutet, dass du wieder abzwitschern kannst", erklärte sie. Doch Revali machte keine Anstalten zu gehen. Warum konnte nicht einmal etwas so reibungslos verlaufen, wie sie es wollte?

„Ich habe seit einiger Zeit das Gefühl...", er stoppte und trat näher an Raisa heran, „dass du etwas verschweigst", vollendete Revali seine Vermutung. Raisa wusste ja, dass er ein wenig den Braten gerochen hatte, doch das er immer noch nachforschen würde, überraschte sie. Raisa seufzte nur und ging von Revali weg. Hatte sie vorhin nicht noch mit sich selbst ausgemacht, dass sie jemanden von ihrer Vorhersehung erzählen sollte? Aber Revali? Er erschien ihr nicht derjenige für eine solche Konversation zu sein. Oder konnte sie einfach wirklich überhaupt nicht mit anderen umgehen?

„Vielleicht gibt es das ein oder andere, dass ich nicht für mich behalten sollte", offenbarte sie ihm. Revali grinste daraufhin triumphierend. Er hatte doch gewusst, dass da etwas nicht stimmte. Und wenn Raisa, die seltsamste Hylianerin, die er je getroffen hatte, ihm schon Recht gab, musste das etwas heißen. „Willst du nicht endlich mit der Sprache herausrücken? Du magst es vielleicht nicht glauben, aber ich habe auch ein Leben, dessen Zeit ich ungern mit dir verschwende." Eben noch stand sie mit dem Rücken zu ihm, doch drehte sie sich nach seiner Bemerkung um. Ihre Züge waren angespannt und ihr Blick gab eine gewisse Gereiztheit preis.

Nichtsdestotrotz war ihr Anblick für ihn in der untergehenden Sonne schon etwas Einzigartiges. Diese warmen Farben, die einen solchen Kontrast zu ihr bildeten, ließen sie ganz anders erscheinen. Würde er lügen, wenn er sagen würde, dass sie...sehr schön aussah? Nein, würde er nicht. Es war schwierig Persönliches vom Eigentlichen zu trennen, doch hin und wieder gelang ihm dies.
Wenn es nach seinem persönlichen Empfinden ging, dann war Raisa keine schöne Hylianerin, um die er sich auch nie scheren würde. Doch die Wahrheit sah da ganz anders aus. Nicht umsonst hatten bereits zwei Prinzen um Raisa's Hand gehalten. Die kannten Raisa kaum... Oder mussten an einer Geschmacksverirrung leiden. Das war zumindest sein empfinden.

„Wenn du damit fertig bist, mich anzustarren, könntest du ja deine letzten Hirnzellen dazu bringen, die Verbindung vom Gehör zum Kopf wiederherzustellen. Oder ist bei dir endgültig etwas kaputt?" Er schnaubte daraufhin nur. „Was aus deinem Munde kommt, kann nicht von Bedeutung sein", versuchte er sich herauszureden. „Redest du mit dir selbst?" Dieses Biest...
„Bitte, dann beweise mir das Gegenteil", verlangte er von ihr. Raisa seufzte genervt und verschränkte demonstrativ die Arme. Eben hatte sie sich durchgerungen, ihm zu sagen, was sie Tag ein Tag aus beschäftigte. Und nur weil er nicht zuhören konnte, musste sie es noch einmal tun. „Ich sagte, dass ich..." Sie stoppte und überlegte, wie sie ihm das sagen sollte. Wäre sie doch besser im Umgang mit Worten. „Ich muss mit dir reden." Das war zwar nicht das, was sie zuvor gesagt hatte, doch ging es wenigstens ein wenig in die Richtung. „Du willst freiwillig reden?", fragte er amüsiert.

Doch Raisa machte sich nichts weiter daraus. Um genau zu sein, hatte sie damit gerechnet, dass er sie nicht ernst nehmen würde. „Ja", war ihre knappe Antwort. Den Gefallen, sich jetzt dumm vorzukommen und dies zu zeigen, würde sie ihm nicht tun.
„Du meinst das wirklich ernst?" Es war wie immer ein toller Anblick, wie sein Grinsen verflog.
„Hast du mich je Späße machen sehen?", stellte sie die Gegenfrage.
Revali und Raisa sahen sich stumm an. Beide schienen von dem anderen etwas zu erwarten.
„Ja dann sprich!", forderte Revali sie nun auf. Der sowieso schon finstere Ausdruck in Raisa's Gesicht verfinsterte sich nur noch mehr. „Hier?" Raisa war ja eigentlich niemand, der große Ansprüche stellte, doch die Tatsache, dass es dunkel wurde und sie oben auf einem Berg war, brachte sie dazu, diese Eigenschaft ihrerseits kurz zu ignorieren. Schließlich wollte sie lebend dort unten ankommen. Außerdem hatte sie Bekanntschaft damit gemacht, wie schmerzhaft es doch war, wenn man eine Felswand herunterprasselte.

Revali seufzte genervt und legte seine Flügel über das Gesicht. Raisa deutete es so, wie als würde sie sich die Schläfen massieren. Ja, wenn die beiden aufeinander losgingen, egal in welcher Art und Weise, musste man Nerven wie Drahtseile haben. Insbesondere die beiden selbst.
„Und wo gedenkst du deine Gedanken frei aussprechen zu können?", fragte er. Raisa verschränkte die Arme hinter ihrem Kopf – die allseits bekannte Gestik, die so ungern zu sehen war.
„Mir egal wo, aber du solltest ebenso gut wie ich wissen, dass ich Freiflüge vermeide. Zumindest seit unserem Abenteuer in Hebra." Sie konnte sich noch daran erinnern, dass sie sich sehr über ihre Reise nach Epysa aufgeregt hatte. Doch diese Reise war im Vergleich zu den eiskalten Bergen des Todes namens Hebra eine Wohlfahrt gewesen.

Raisa hatte die Augen geschlossen, als sie daran zurückdachte. Als sie diese wieder öffnete, sah sie Revali vor sich knien. „Was wird das, wenn es fertig ist?", fragte sie.
„Ich bringe dich von hier weg, wonach sieht es denn deiner Meinung nach sonst aus?", antwortete er fast schon bissig. Ihre Augenbrauen zogen sich daraufhin zusammen und sie beäugte ihn skeptisch. Revali war nie nett – nie nett zu ihr. Es sei denn, er wollte irgendetwas. Gut, vielleicht war er auch schon so mal nett zu ihr, aber das verdrängte sie. „Was willst du von mir?", fragte Raisa ihre Gedanken geradewegs hinaus. „Wenn ich deine Worte, auf die man selten Wert geben kann, richtig verstanden habe, willst du doch etwas von mir? – Du willst mit mir reden, nicht umgekehrt."

Warum hatte sie nicht einfach Mipha um Gehör gebeten? Nun war es zu spät und es war nicht ihre Art zu kneifen. Sie hatte das Fass ins Rollen gebracht, jetzt musste sie es auch ausstehen. Ohne wirklich auf Revali's Befinden zu achten, kletterte sie auf seinen Rücken. Revali breitete unterdessen seine Schwingen aus und stieß sich mit einem kräftigen Stoß vom Boden ab. Raisa empfand kein Neid für andere, dennoch fragte sie sich, wie es wohl sein würde, wenn man jeden Tag einfach dorthin konnte, wohin man wollte. Mal im Ernst, im Grunde konnten nur die Orni sich dabei gegenseitig aufhalten, dem Blau des Firmaments entgegenzufliegen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt