90. Verwirrung

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  „Raisa!" Sie erwachte langsam aus ihrem Zustand, wie auch immer man es nennen wollte, und setzte sich ruckartig auf. Dabei stieß sie mit dem Federvieh, zumindest glaubte sie, dass er es war, zusammen. Zuerst sah sie ihn noch verschwommen, doch ihr Blick wurde allmählich klarer.
„Dein verdammter Dickschädel", murrte er und rieb sich den Kopf. Sie saß regungslos da. Ihr Herz schlug unnormal schnell und so laut, dass sie sich sicher war, dass Revali es hören konnte. Zudem zitterte sie und konnte sich selbst nicht beherrschen und es stoppen. Doch das schlimmste war, dass sie noch immer diese Schmerzen verspürte. Diese unglaublichen Schmerzen, die sie dazu brachten, dass sie die Arme um ihren Magen legte und sich krümmte.


„Du hast irgendetwas Seltsames gesagt und dich im Schlaf vor Schmerzen gekrümmt. Schlecht geträumt, was? Dein Herzschlag ist sogar so laut, dass ich ihn hören kann." Wie schön für ihn. Das interessierte sie grade absolut gar nicht. „Das war kein Traum", sagte zwischen zusammengepressten Zähnen. Langsam verschwand der Schmerz, auch ihr Herzschlag wurde ruhiger. Revali war ziemlich ruhig und anhand seines Blickes konnte sie erkennen, dass er nachdachte. „Du hast wieder die Zukunft gesehen", stellte er fast schon flüsternd fest. Er packte sie an den Schultern, vollkommen ignorierend, dass sie noch nicht ganz so fit wieder war.


„Was hast du gesehen?", verlangte er zu wissen. „Das geht dich überhaupt nichts an!", blockte sie ab und schubste ihn von sich weg. „Was auch immer du gesehen hast, es hat dich in einen solchen Zustand versetzt. Das kann nur bedeuten, dass es grausamer war, als alles was du bisher gesehen hast." Wie Recht er doch hatte. „Ja es war grausam. Es hat aber nichts mit dir zu tun, also lass mich jetzt endlich in Ruhe!" Doch Revali, stur und nervig wie er war, ließ nicht locker.


„Du kannst deine Fähigkeit noch immer nicht kontrollieren?", fragte er, wobei sie allerdings glaubte, dass es doch mehr eine Feststellung war. „Nein, kann ich nicht", gab sie genervt zu. Was wollte er jetzt machen? Sie auslachen? „Hast du den Kampf gegen den Leunen gesehen?" Der verdammte Leune ging ihr grade sowas von am Allerwertesten vorbei. Und seine naive Aussage machte sie nichts als wütend. „Verdammt, der Leune kann mir nichts! Ich weiß, dass er mir nichts antun wird, was mich töten könnte", fauchte sie ihn an.


„Ich glaube dir nicht." Er war gerissener, als er aussah. Da wollte er sie doch tatsächlich mit Worten in eine Situation bringen, in der sie ihm das erzählen musste. „Dann glaubst du es eben nicht. Meinst du, mich kümmert das?" Damit war das Thema, für sie zumindest, durch. Jetzt wo sich ihr Körper auch wieder beruhigt hatte, fing sie an ihre Umgebung zu mustern. Der Himmel war wolkenbedeckt und deutete wieder auf Regen hin. Wie spät es wohl sein mochte?


Als ihr Blick wieder auf Revali fiel, sah sie, dass er ihre Reaktion gar nicht schätzte. Aber Raisa wäre nun mal nicht Raisa, wenn sie dies nicht gekonnt ignorieren könnte. „Ich glaube, Zelda erfährt sehr gerne, dass du der Königsfamilie nun schon sehr lange Zeit deine Fähigkeit verheimlichst..." Wollte er sie jetzt erpressen? „Das wagst du nicht...", fing sie an zu drohen. „Oder was?", erwiderte er provozierend. Ja, was dann eigentlich? Für gewöhnlich löste sie derartige Probleme mit Gewalt, doch... Er und sie hatten eine Art Abkommen. Und so unehrenhaft war sie nicht, dass sie dieses brechen würde.


Raisa seufzte, fuhr sich durch die immer brauner werdenden Haare und blickte von Revali wieder zum Himmel. „Ich habe meinen eigenen Tod gesehen§, sagte sie. Ein eiskalter Wind wehte ihr durch das Haar, was ihre Aussage noch...absurder werden ließ. „Du hast was gesehen?", fragte Revali fassungslos. „Meinen Tod, zumindest glaube ich das." Sie runzelte die Stirn und versuchte ihre Vorhersehung noch einmal durchzulaufen, doch... „Was soll das heißen? 'Zumindest glaube ich das'? Glaubst du es oder weißt du es?"


Aus einem ihr unerfindlichen Grund hatte sie Schwierigkeiten damit, sich wieder zurückzuerinnern. „Ich kann dir nicht einmal mehr sagen unter welchen Umständen ich gestorben bin. Ich weiß nur noch, dass ich definitiv tot war." Was sollte das? Je mehr sie sich zu erinnern versuchte, desto weniger konnte sie es letztlich. Was das Ganze vielleicht doch keine Vorhersehung? Beim letzten Mal hatte sie die Ereignisse auch nicht vergessen, doch dieses Mal... Und Träume vergaß man schließlich nach einiger Zeit. „Du solltest endlich lernen sie zu kontrollieren. Mag ja vielleicht sein, dass deine Fähigkeit die am schwierigsten zu kontrollierende ist, aber du solltest es dennoch lernen", sagte Revali, der von der ihm gebotenen Situation verwirrt war.


„Beim letzten Mal warst du viel sicherer", merkte er noch an. „Ich weiß", gab sie gereizt zurück. Sie verstand einfach nicht, was los war. „Jedenfalls solltest du das nicht ganz so ernst nehmen. Allerdings solltest du auch nicht so blauäugig sein und es vollends ignorieren... Auch wenn es mir schwerfällt zu glauben, dass jemand deines Kalibers so einfach den Löffel abgibt." Was er sagte, war gar nicht mal so dumm. Vielleicht sollte sie sich wirklich danach richten. „Unkraut vergeht nicht", kommentierte sie seine letzte Aussage. „In deinem Fall glaube ich es sogar", erwiderte er lediglich.
Raisa seufzte erneut und machte alles für die weitere Reise fertig. Zumindest kümmerte sie sich um ihre Belange. Was er tat, war ihr im Moment nicht wichtig.


Mit Schwung setzte sie sich auf den Rücken des Pferdes und trieb das Tier Richtung Süden. Sollte der Leune dort nicht sein, würde sie die Suche beenden. Schließlich war das Ganze nur ein Gerücht. Und bevor sie sich eines Gerüchtes wegen wahnsinnig machte, hörte sie besser auf. Nicht viel später, als sie sich aufgemacht hatte, spürte sie die kalten Windstöße, die Revali beim Schwingen seiner Flügel von sich gab. Wenn er wüsste, wie sehr sie dies ärgerte. Aber auf die Nase binden, würde sie ihm dies sicherlich nicht.


Während die beiden auf dem Weg zum Zukaje-Plateau waren, war Raisa mit den Gedanken allerdings sehr weit weg. Sie grübelte, versuchte im Stillen herauszufinden, was die vergangene Nacht auf sich hatte. Sie suchte eine Lösung, versagte aber dabei eine zu finden. Wie so oft schon...
„Bei der Göttin, wenn du dich bei dem Kampf ebenfalls so verhältst, bist du unbrauchbarer, als ein verzogener Pfeil", sagte er, als er sie musterte.
Raisa's Blick war in die Ferne gerichtet, ihre Augen sprachen förmlich Bände, dass sie mit den Gedanken woanders war. „Was ein Vergleich", antwortete sie sarkastisch. Sollten sie dem goldenen Leunen tatsächlich begegnen, dann würde sie diese Gedanken beiseiteschieben und Prioritäten setzten müssen. Aber die Wahrscheinlichkeit war mittlerweile so gering, dass sie schon fast gar nicht mehr daran glaubte.


Das Plateau war von ihrer Position aus schon gut zu erkennen. Stellte sich nur die Frage, wie sie dort hinauf kommen sollte. Für Revali war das kein Problem, doch für sie würde sich das Ganze schon schwieriger darstellen. „Ich sehe nach, ob..." – „Du bleibst hier!", unterbrach sie ihn.
„Entweder wir sehen beide unseren Erfolg oder wie sehen beide unseren Misserfolg", sagte sie. Als würde sie es ihm gönnen den Anblick alleine zu genießen. Oder eben auch nicht.


Während sie hochkletterte, blieb er auf ihrer Höhe. In ihrem Kopf spielte sich unterdessen schon das Szenario ab, wie sie dieses dämliche Plateau hochgeklettert war, für nichts und wieder nichts. Und nun kam er, der Moment der Wahrheit. Die letzte Hürde war überwunden und sowohl Raisa als Revali befanden sich oben auf dem Plateau.


Gesucht, gefunden... Auf ihre Lippen schlich sich ein Grinsen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt