89. Vollkommen unerwartet

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  Der Geruch von Feuer lag in der Luft, was Raisa auch schließlich zum Aufwachen bewege. Dumm, schließlich war sie neben einem Lagerfeuer eingeschlafen, warum also sollte sie dies zum Aufwachen bewegen? Sie öffnete die Augen und sah in einen düsteren Himmel, welcher von dunklen, lila Wolken überzogen war. „Revali?", fragte sie und sah neben sich. Doch Revali war nirgends zu sehen, auch das Lagerfeuer und ihr Pferd waren weg. Und sie... Sie lag nicht mehr auf einer Decke, sondern in Asche? Wo zum Teufel war sie überhaupt?!


Raisa richtete sich langsam auf, wobei ihr aber schwindelig wurde und sie schwankte. In ihrem Körper machte sich ein Gefühl breit, das keineswegs fremd war. Woher sie es allerdings kannte, kam ihr nicht in den Sinn. Je mehr sie darüber nachdachte, umso mehr Kopfschmerzen verursachte das.
Was in Hylia's Namen war passiert? Und warum konnte sie sich nicht erinnern? So einen Filmriss hatte sie noch nie gehabt. Allgemein... Sie hatte noch Gedächtnisschwund.
Wobei... Doch... Aber wo war das nochmal? Die Situation kam ihr vertraut vor. Sie versuchte sich zu erinnern, doch die Kopfschmerzen hinderten sie wie eine Blockade. Träumte sie grade? Eigentlich träumte sie nie und dafür war dies hier auch deutlich zu realistisch.


Da fiel ihr ein... Sie war doch wegen des Geruches von Feuer wach geworden...
Noch bevor Raisa zu Ende gedacht, drehte sie sich um und der Anblick, der sich ihr bot,...war Hyrule Stadt – vollkommen zerstört und am Niederbrennen. Aus dem Schloss traten diese dunklen Wolken und beim genaueren Betrachten fielen ihr riesige, rot leuchtende Säulen auf, die das Schloss umgaben. Eine böse Vermutung bahnte sich den Weg in ihrem Kopf. Aus dem lila Wolken heraus bildete sich das Abbild eines riesigen Monsters. Und ihr verdacht bestätigte sich, dass was sie hier sah, das war das Erwachen der Verheerung Ganon! Und dies war auch kein Traum, sondern eine weitere Vorhersehung! Doch warum jetzt und warum so? Das alles sah nach einer totalen Niederlage aus. Wo waren die Titanen, die Wächter? Die Recken, Link und Zelda? Was zur ist, nein, wird passieren, dass es so enden wird?


Raisa's Gedanken überschlugen sich und tatsächlich war sie mit all dem grade überfordert. Was sie da sah... War das der Untergang der Welt? Wenn dem so war, dann konnte sie jetzt nicht das geringste Ausrichten. Schließlich war sie auch beim letzten Mal wie ein Geist in der Zukunft umhergewandert. Aber...irgendwie fühlte sich dieses Mal ganz anders an, als das letzte.
In kam dennoch das Verlangen auf, etwas zu tun.


Inazuma... Sie musste zu ihrem Titanen, sehen, was aus diesem geworden ist. Egal, ob sie dafür über die gesamte Ebene von Hyrule laufen musste. Hauptsache, sie verschaffte sich Klarheit. Und was war überhaupt mit den anderen? Hatten sie versagt oder warum waren ihre Titanen nicht an den Positionen, an denen sie sein sollten? Und die Menschen und die Wächter? Warum war es so einsam?


Irgendwann, als sie ihren Löwen sehen konnte, hellte sich ihre Miene doch ein wenig auf. Die Titanen waren also doch nicht einfach verschwunden. Kaum war sie in Inazuma's innerem, suchte sie auch schon den Weg zu der Steuerungseinheit. Diese hatte nicht ihre gewöhnliche blaue Farbe, sondern leuchtete orange. Seltsam... Aber die Kontrollsiegel waren aktiviert.
Raisa ging zu dem orange leuchtenden Objekt. Beim letzten Mal konnte sie nur untätig zusehen... Konnte sie jetzt vielleicht etwas verändern? Sie legte ihre Hand auf das Podest, aus welchem sofort wieder dieser violette Rauch heraustrat. An ihren Seiten zogen weiße Strahlen vorbei, die sich schließlich zu einer Kugel bildeten. Aus dieser Kugel wurde ein riesiges, schwebendes Monster, mit einem blau leuchtenden Schwert. Dieses Monster erinnerte sie unwillkürlich an die Verheerung, warum wusste sie nicht.


Die Tatsache, dass dieses Monster sie eindeutig ansah, ließ sie dann aber doch stutzig werden. Beim letzten Mal sah man sie nicht. Schon wieder etwas, was anders als beim letzten Mal war. Und sie wusste nicht so recht, wie sie mit dieser neuen Situation umgehen sollte. Instinktiv griff sie nach ihrem Schwert. Und dieses Monster griff sie tatsächlich an, es konnte sie berühren!
Raisa wollte den Schlag parieren, doch verlor sie bei dieser Aktion das Schwert, welches ihr förmlich aus den Händen gerissen wurde. Der Angriff ihres Gegners war unglaublich schnell, schneller als ihre Fähigkeit reagieren konnte. Sie würde fast schon so weit gehen und sagen, dass dieses Monster IHREN Angriff vorausgesehen hatte. Und ebenso machtlos wie sie eben war, war sie auch jetzt.


Ohne dass sie es gesehen hatte, war die Klinge... Sie war in ihrem Körper... Durch ihren Körper. Und der unglaubliche Schmerz folgte. Ein Schmerz, der sie das Atmen vergessen ließ, der ihr jegliche Kraft ihres Körpers nahm, der sie um den Verstand brachte. Es war die reinste Hölle, viel schlimmer, als der Zweihänder, der einst durch ihre Seite stach. Das Blut lief nicht nur aus der Wunde. Ebenso aus ihrem Mund und ihren aufgeschnittenen Händen, denn sie versuchte mit diesen verzweifelt das Schwert aus ihren Körper zu bekommen. Langsam aber sicher verschwand der Schmerz und ihre Sicht wurde ungenauer. Dies... War also ihre Zukunft? Sie würde im Kampf gegen die Verheerung... Nein, im Kampf gegen dieses Monster sterben? Zu Verheerung würde sie es nicht einmal mehr schaffen? Wie erbärmlich das doch war. Wie erbärmlich sie doch war.


„Ja, du bist erbärmlich." Wer sagte das? Sie wusste es nicht. Obwohl sie diese Stimme doch schon einmal wahrgenommen hatte. „Du bist erbärmlich und schwach." Ihre Gedanken zuvor hatte sie nicht einmal ausgesprochen, also musste dieser jemand ihre Gedanken lesen können. Ihre erbärmlichen, letzten Gedanken im Angesicht ihres Todes. Ihres zukünftigen Todes, von welchem sie nun eine Kostprobe bekam. Eine qualvolle, schmerzliche Kostprobe.
„Du fragst dich, wer ich bin? Wie oft habe ich dich meine Worte schon verstehen lassen, ohne sie zu sagen? Und dennoch erkennst du mich nicht? Und jemand wie du bist meine Meisterin..." Meisterin?


Die Zeit, die sie hier in der Zukunft verbrachte, neigte sich dem Ende zu. Ihr Blick wurde immer unklarer, ihre Augenlider schwerer. Sie konnte kaum noch atmen, durch das Blut, welches immer noch hoch und schließlich aus ihrem Mund lief. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Die Stimme, die sie vernommen hatte, war Inazuma! Das ihr Titan wirklich mental zu ihr sprechen konnte... Aber was erwartete sie auch? Er war es, der ihr diese Fähigkeit erst gab... Ihr Titan.
„Richtig geraten, erbärmliche und schwache Meisterin." Sie war nicht schwach, nur unvorbereitet.


„Oh doch, du bist schwach. Und grade, weil du so schwach und erbärmlich bist, musst du stärker werden. Stärker... Körperlich und auch geistig nur dann kannst du dein volles Potenzial entfachen." Im Geiste stärker werden? An so einen Unsinn glaubte sie nicht. Um angeblich seinen Geist zu stärken, musste man die Quelle der Göttin besuchen, dort beten und sich reinigen... Als würde sie etwas Derartiges machen. „Dann bleib halt schwach, machtlos und erbärmlich, Recke." Zwar hatte sie keine Kraft mehr, doch langsam ging ihr das gegen den Strich. Sie war nicht schwach! „Doch das bist du!" Sie verzog das Gesicht, versuchte es zumindest. „Ich bin nicht schwach!", schrie sie Inazuma mit ihren letzten Kräften an. Den Tribut, den sie daraufhin zahlte, waren wieder diese wahnsinnigen Schmerzen.


„Raisa!"
„Verdammt, nein!"

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt