Nachdem sie durch die Korridore zurück zur Eingangshalle gegangen war, ging sie zu dem Geländer der Treppe und lehnte sich gegen dieses. Wie sie sehen konnte, waren die Recken bereits vollzählig, mit Ausnahme von ihrer Wenigkeit. Still und heimlich fragte sie sich, wie sie es bis zum morgigen Tag aushalten sollte. „Na sie mal einer an, unser Neuzugang ist auch hier. Da geht ja die Sonne auf", hörte sie Revali ironisch sagen. Die anderen schauten zu ihr auf, sie hingegen lehne weiterhin gegen das Treppengeländer und schaute hinunter. „Hast du ein Problem damit?", rief sie hinunter.
Er schien zu überlegen, was er sagen sollte. Ansonsten hätte er, so wie sie ihn kannte, schlagfertig gekontert. „Deine Antworten waren auch mal besser." So? Er wich ihr also aus.
„Möchtest du nicht zu uns herunterkommen?", fragte Mipha dann, auch, um einen möglichen Streit zwischen Raisa und Revali zu unterbinden. „Habe ich etwas davon?", fragte sie und musste dabei das Zucken ihres Mundwinkels unterbinden.
„Nun hab dich nicht so und komm herunter. Oder fürchtest du dich vor irgendetwas?", rief Urbosa grinsend hoch. Sie und Angst... So etwas gab es in dieser Welt nicht. Zumindest noch nicht.
„Du redest und wagst zu viel, bist du dir dessen bewusst?" Das Lachen der Gerudo Königin zeigte Raisa, dass es Urbosa nicht wirklich kümmerte. Aber wenn sie selbst etwas nicht wollte, dann versuchte sie auch, dem aus dem Weg gehen zu können. In diesem Fall versuchte sie es mit einfachen Worten.
Wider aller Erwartungen kam die nun Weiß-braunhaarige die Treppen hinunter. Der Grund für ihren fast schon anmutigen Gang offenbarte sich allerdings schnell. Die Prinzessin. Zelda kam grade ebenfalls und bevor sie diskutieren musste, ging sie doch lieber freiwillig. Und natürlich, wie Raisa auch vermutete, lag sie im Visier der Prinzessin.
„Ist...etwas?" Sie mäßigte sich, um nicht so gereizt zu klingen. „Ich hatte nur nicht damit gerechnet, dass du noch immer hier verweilst", gab Zelda monoton von sich. Ach wie schön, dass sie von allen Seiten Misstrauen, Sticheleien und niedrige Erwartungen entgegennehmen durfte. Aber, darüber wollte sie sich nicht beschweren. Schließlich...bekam ja jeder, was er verdiente.
„Ich hatte auch nicht damit gerechnet", stimmte Revali der Prinzessin zu.
Und es war ihr eigener Wille, von außen her so gesehen zu werden, dass man sie so behandelte.
Kurz herrschte Schweigen zwischen den Recken, bis Urbosa wieder das Wort ergriff.
„Du sagst ja gar nichts", bemerkte sie. „Warum sollte ich etwas sagen", wollte Raisa wissen.
„Na, weil du...nun...", fing Daruk an, welcher sich zuvor herausgehalten hatte.
„Sagen wir es so. Für gewöhnlich würdest du dir nichts von...", erzählte Mipha weiter, stoppte aber ebenfalls. „Du würdest nie etwas von Revali unkommentiert lassen, das gegen dich gerichtet ist", sprach nun Link, wider aller Erwartungen, die Gedanken der anderen aus.
„Ach Kinder, habt ihr euch jetzt doch in den Griff bekommen?", fragte Daruk.
Beide, Revali und Raisa, schwiegen. Wie erklärte man das denn jetzt am besten? Sollte sie es überhaupt erklären?
„Ich bin niemanden eine Rechtfertigung schuldig", sagte Raisa und wollte das Thema abschließen. „Dann könnt ihr euch leiden?", fragte Urbosa. „Nein", antwortete Raisa. „Ihr beleidigt euch nicht mehr?", fragte nun Zelda. „Doch", antwortete nun Revali.
„Geht ihr vielleicht doch miteinander au..." – „Verdammt nein!" Hatte die Urbosa nicht vor etwa einer halben Stunde gewarnt, sich nicht in alles einzumischen? Und, dass hier war alles andere als ein klassisches Sich-Nicht-Einmischen! „Bevor ihr euch jetzt hier gegenseitig...umbringt, sollten wir woanders hingehen. Findet ihr nicht?", fragte Zelda. Am liebsten würde sie jetzt einigen Personen hier ihre Meinung sagen, doch sie musste die Zähne zusammenbeißen und bis zum morgigen Tag durchhalten. Und Streit, also richtig großer Streit, wäre sehr kontraproduktiv.
Somit folgten die Recken, Raisa mit eingeschlossen, der Prinzessin hinaus auf eine der Mauern von Schloss Hyrule, von der aus man ganz Hyrule Stadt sehen konnte. Wahrlich eine große Stadt... Größer als Kakariko und Hateno zusammen. Und der Schnee, der im Dunkeln glitzernd auf die Stadt niederfiel, ließ sie noch prächtiger aussehen.
„Was ein Anblick. Hyrule Stadt prächtig wie eh und je", sagte Dark und sprach Raisa's Gedanken aus. „Es muss bestimmt furchtbar aufregend sein, in der Hauptstadt aufzuwachsen", antwortete Mipha euphorisch. „Es ist grauenhaft", sagte Raisa knapp. Mipha's Euphorie zuvor war fast wie ein Schlag für sie gewesen. Raisa hätte es um Längen besser gefunden, in einem kleinen und bescheidenen Dorf aufzuwachsen. Aber gut, es war zu spät, sich um Derartiges zu beklagen.
Nach Raisa's kurzer Antwort zu dem Thema lag Revali's Blick auf ihr. Er ließ es unauffällig wirken, vor allem wegen der Situation eben drinnen. Mochte ja sein, dass ihr Leben in der Hauptstadt grauenhaft war, aber das sprach ja nicht gleich für alle. Er gab ihr dabei kein Recht.
Außerdem... Seine grünen Augen fixierten den Gegenstand, der an ihrer Hüfte befestigt war. Raisa's Schwert war in Hebra zerbrochen, warum sollte sie dies noch immer mit sich herum tragen? Bei genauerem Hinsehen fiel ihm auf, dass der Schwertgriff ein ganz anderer war. Er war edel, zeigte keine Gebrauchsspuren und ja, funkelte regelrecht. Er hatte bei ihrem letzten Treffen gar nicht wirklich darauf geachtet. Schließlich lief Raisa immer mit einem Schwert herum, deshalb hatte er gar nicht darüber nachgedacht.
„Hast du dich wieder an den Sachen anderer Leute bedient?", fragte er sie. „Was unterstellst du mir", antwortete sie bissig. „Nun, ich bin der Meinung, dass du kein Budget für, sagen wir, ein solch kostbares Exemplar eines Schwertes hast", stellte er klar.
„Beruhige dich Revali, dieses Schwert war ein Geschenk von mir", entschärfte Daruk die Situation. Ach ja, hatte er selbst nicht noch Raisa geraten, Daruk aufzusuchen? Das hatte er schon wieder vergessen.
„Lass mal sehen", forderte Urbosa Raisa auf. „Ich halte das für keine gute Idee, wenn...", fing Zelda an, stoppte aber, als sie das Geräusch einer gezogenen Klinge wahrnahm. So wie die anderen hatte auch Revali den Blick auf die glänzende Klinge in Raisa's Hand gerichtet. Von Schwertern verstand er nicht so viel, wie von Bögen, aber es war nicht zu übersehen, dass sie da ein Meisterwerk in Händen hielt. Ob ihre Fähigkeiten diesem Schwert überhaupt gerecht wurden? Nun, wenn sie nicht dafür geeignet war, es zu führen, dann vermutlich keiner. Ja, das musste selbst er sich eingestehen.
„Ich dachte schon, du würdest mit einem Stein an einem Griff wieder zurückkommen, aber das...", sagte Mipha und lächelte. Die Zora schien sich sehr für die Hylianerin zu freuen.
„Unser bester Schmied hat es für Raisa angefertigt. Ist doch selbstverständlich, dass es all eure Erwartungen übertrifft", sagte Daruk stolz. Ja, das er stolz darauf war, dass aus seinem Volk ein solches Schwert stammt, war auch nur verständlich.
Revali lehnte sich gegen die Brüstung und beobachtete das weitere Geschehen mit verschränkten Flügeln. Eine interessante Frage wäre, was wohl passieren würde, wenn Raisa und Link mal einen richtigen Kampf austragen würden. Wer wohl gewinnen würde. Link war unangefochten bester Schwertkämpfer Hyrules, führte das alte Bannschwert. Aber auch Raisa war zu einer starken und guten Schwertkämpferin geworden. Mit ihrer Fähigkeit und sowieso schon blitzschnellen Bewegungen würde das ein interessantes Schauspiel werden.
Doch den Sieg würde der Orni keinen von beiden gönnen.
„Wie lange dauert es eigentlich noch?", fragte Zelda. Diese nahm daraufhin eine Taschenuhr in die Hand. „So ziemlich genau eine halbe Stunde."
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Number 6
FanfictionDie Hylianer fanden einen weiteren Titanen, der gegen die Verheerung Ganon eingesetzt werden sollte. Kurzerhand entschloss sich Prinzessin Zelda noch einen weiteren Recken aufzunehmen. Doch wen? Alle Völker Hyrules waren bereits vertreten. Nach lang...