Obwohl Raisa jedes erdenkliche Argument aufgebracht hatte, hatte Federvieh Revali sich nicht davon abbringen lassen, sie bis zu ihrem Titanen zu bringen. Normalerweise hätte sie so eine Angelegenheit mit Gewalt gelöst, doch sie hatten ja eine Waffenruhe. Sie fühlte sich, als wäre sie verweichlicht. Ob andere das mittlerweile auch so sahen? Wer wusste das schon so genau, vielleicht gab es auch schon die einen oder anderen, die sich darüber lustig machten. Vor nicht allzu langer Zeit hätte sie sich ja furchtbar darüber aufgeregt, doch nun da sie wusste, dass ihr die Zeit davon lief, sah sie es gelassener.
Raisa konnte nicht genau sagen, wie lange es noch dauern würde, doch sie schätzte, dass ihr noch ein paar Monate blieben. Nicht nur ihr... Mipha, Urbosa, Daruk und Revali... Sie alle werden wie Raisa von einem Monster niedergestreckt...getötet werden. So wie sie das gesehen hatte, konnten diese Monster den Reckenfähigkeiten trotzen. Was aus Zelda und Link werden würde, wusste sie nicht. Jedenfalls noch nicht. Nun ja, das Ganze war ziemlich verwirrend und ohne Zusammenhang vonstattengegangen, doch was sie gesehen hatte, hatte sie nun mal gesehen.
Hyrule's Untergang.
Das Dreckigste an all dem war, dass sie sich entscheiden musste. Entweder sie erzählte den anderen alles oder sie verschwieg es. Angenommen sie entschied sich für die erste Variante, dann würde die Möglichkeit bestehen, dass die anderen Recken nicht mehr kämpfen wollen würden. Das würde sie zwar zu ziemlichen Feiglingen machen, aber Raisa könnte es verstehen. Warum auch sein Leben für etwas opfern, wenn man bereits wusste, dass es nichts bringen würde?
Entschied sie sich für die zweite Variante, würde alles genau so kommen, wie sie es vorhergesehen hatte. Die Chance auf einen Sieg wäre verloren, sie alle würden sterben, doch... Zumindest würden die anderen ohne böse Vorahnung noch ein wenig ihr Leben genießen können, ohne Angst..., ohne Zweifel.
Für gewöhnlich würde sie sich so entscheiden, wie es ihr am besten passte, doch dies hatte nichts mehr mit dem eigenen Wohlergehen zu tun. Sie würde schlichtweg über die Zukunft anderer entscheiden. Was für eine Ironie... Das grade Raisa eine solche Entscheidung zu treffen hatte. Für so etwas war sie doch überhaupt nicht geschaffen.
Raisa saß in einem der Fenster ihres Titanen und lehnte sich nach hinten. Diese Sache entwickelte sich ziemlich schlecht. Das Wissen, das ihr eigenes Leben und das der anderen sich dem Ende neigten, nagte an ihr. Es wäre besser gewesen, wenn sie es nie erfahren hätte. Zu wissen, dass man bald sterben würde... Dies machte sie ähnlich fertig, wie das Ereignis am Neujahresbeginn. Nur dort dachte sie, sie hätte nur noch wenige Stunden.
Ach ja, um zu erläutern, was sie glauben ließ, dass sie nur noch ein paar Monate hatte:
In ihrer Vorhersehung konnte sie keinen Schnee sehen, ebenso wenig kahle Bäume oder welche, die grade ihre Blätter verloren. Folglich musste der Kampf im Frühjahr oder Sommer stattfinden. Und das war so ungemein wenig Zeit! Selbst wenn sie noch ein halbes Jahr hätte, das würde niemals ausreichen, um dem was sie gesehen hatte, etwas entgegensetzen zu können!
Da sie also kein Freund der Methode des Totschweigens war, musste sie sich unbedingt Rat von jemandem einholen. Nur von wem? Eigentlich gab es niemanden, der in dieser Sache etwas Hilfreiches beitragen konnte. Zumindest... Keine Person, die noch am Leben war. Und was das Ganze noch erschwerte: außer Revali wusste niemand von ihrer Fähigkeit. Mit Ausnahme von dem Deku Baum, doch sie zog es vor nicht noch ein weiteres Mal durch die Verlorenen Wälder zu irren. Sie war bereits einmal lebend, unbeschadet und ohne sonstige Beschwerden aus diesen Wäldern zurückgekehrt. Sie wollte ihr Glück nicht noch weiter herausfordern.
Erneut verließ ein Seufzen ihre Lippen, dieses Mal aber, weil eine Erkenntnis sie traf, die Raisa weniger erfreute. Die einzige Person, mit der sie wohl darüber reden konnte, ohne ihre Gabe zu verraten, war Revali. Doch wie sollte das laufen? Sie konnte nicht einfach ins Dorf der Orni reisen und hoffen, dass er dort anzutreffen war. Außerdem... Raisa hatte noch nie mit ihm ein so ernstes Gespräch geführt, schon gar nicht unter diesen Umständen. Allein der Gedanke war ihr zu wider, nicht wegen Revali, sondern der Situation, in der sie sich befinden würde.
Sie würde sich wohl oder übel noch ein wenig Zeit nehmen müssen, um eine Entscheidung zu treffen. Und obwohl sie grade zu genüge Zeit hatte, würde sie auf keine gut durchdachte Lösung kommen. Aus diesem Grund versuchte sie diese Gedanken erst einmal beiseite zu schieben. Sie versuchte es zumindest und stand von der Fensterbank auf. Obwohl sie wohl eine längere Zeit bei dem Quacksalber geschlafen hatte, fühlte sie sich noch nicht wieder richtig fit. Ein wenig erkältet war sie scheinbar immer noch. Ein wenig Ruhe würde ihr von daher nicht schaden.
Ruhe im Sinne von Schlafen.
Sie ließ sich auf die am Boden ausgebreiteten Pelzen nieder. Wo sie diese her hatte? Nun, es gab Dinge, über die sprach man nicht. Jedenfalls ließ es sich auf ihnen gut schlafen.
Raisa streifte sich den schweren, schwarzen Mantel von den Schultern, den sie den gesamten Winter über schon trug, und ließ sich nach hinten fallen. Ihr Schwert mitsamt Schwertscheide landete bei dem Mantel.
Sie atmete tief ein und aus und schloss die Augen. Doch... Selbst nach einiger Zeit kam der erwartete Schlaf nicht. Dafür war sie innerlich wohl einfach zu aufgewühlt. Was für eine Ironie, schon wieder, dass grade sie von Gefühlen beeinflusst wurde. Das war eigentlich genauso abwegig, wie ein Zora, der in der Gerudo Wüste Urlaub machte.
Hätte ihr jemand vor vier Monaten erzählt, dass sie heute hier liegen würde, hätte sie diese Person vermutlich fertig gemacht. Doch die Dinge hatten sich geändert – Raisa hatte sich geändert. Ihr altes Ich widerte sie mittlerweile schon an. Ob das nun positiv war oder negativ, sei mal dahingestellt. Wer wusste es schon, vielleicht erfuhr sie die Antwort darauf noch in ihrer verbliebenen Lebenszeit? Schließlich hatte sie selbst erlebt, was vier Monate, ein Drittel des Jahres, einhundertzweiundzwanzig Tage aus einem machen konnten. Was also in einem halben Jahr wohl war? Sicherlich Dinge, die sie sich nie ausmalen würde. Aber das Leben war ja unberechenbar, wie sie schon früh feststellen musste. Alles könnte passieren, wirklich alles.
Schon seltsam, wenn sie daran zurückdachte, wie sie die Recken zum ersten Mal getroffen hatte. Sie hatte ihre hasserfüllte Natur weitestgehend unterdrückt. Zumindest hatte sie es versucht, auf Zelda's Befehl hin. Und dann kam Revali – bei Hylia war das seltsam daran zurückzudenken – und sorgte dafür, dass sie ihre ungenierte Art doch ein wenig zeigte. Und nun waren so viele Dinge anders... Ihr Weltbild war mittlerweile anders. Ob sie dies alles hier wohl missen würde, wenn man einfach alles zurücksetzen würde, auf den Tag, bevor sie Recke wurde? Vielleicht. Aber Raisa war eine Person, die sich bei so etwas nur sicher war, wenn sie es auch wirklich erlebte.
Auf was für seltsame Gedanken man kommen konnte, wenn man nicht weiter wusste...
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Number 6
FanfictionDie Hylianer fanden einen weiteren Titanen, der gegen die Verheerung Ganon eingesetzt werden sollte. Kurzerhand entschloss sich Prinzessin Zelda noch einen weiteren Recken aufzunehmen. Doch wen? Alle Völker Hyrules waren bereits vertreten. Nach lang...