78. Ein neues, letztes Jahr?

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  Raisa steckte ihr Schwert wieder weg und sah zu Zelda. Eine halbe Stunde also noch, dann würde das neue Jahr beginnen? Vielleicht sogar das Jahr, welches das Schicksal dieser Welt verändern würde. Verrückt,... Diese heruntergekommene Welt machte überhaupt nicht den Eindruck, als würde sie kurz vor dem Untergang stehen. Die Bewohner Hyrules und auch darüber hinaus gingen tagtäglich ihrem gewohntem Leben nach, ohne sich wirkliche Sorgen zu machen.
Aber... Sie selbst würde sich auch nicht darum scheren, wäre sie nicht zum Recken ernannt worden. Wo sie jetzt wohl stände, wenn alles anders gekommen wäre? Am besten wäre es, wenn sie gar nicht weiter darüber nachdachte. Sie bereute fast keine ihrer Taten und alles musste schließlich so kommen, damit sie jetzt an diesem Ort stand.

„Sagt...", fing Zelda an. Der Blick der Prinzessin lag mit einem Hauch von Traurigkeit über Hyrule Stadt, während ihre Hände gefaltet auf der Brüstung lagen.
„Was denkt ihr, wird das kommende Jahr mit sich bringen? Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Verheerung wiederkehrt... Und ich bin noch immer nicht im Besitz meiner Siegelkraft. Zwar haben wir die Titanen auf unserer Seite, doch meine Angst ist groß. In den alten Legenden und Sagen von Hyrule heißt es immer, dass der Held mit dem heiligen Bannschwert und die Prinzessin mit der Siegelkraft Ganon bezwangen..."

Zelda's Worte klangen verzweifelt und auch traurig. Aber was das anging, konnte niemand Zelda helfen. Nicht, dass Raisa es je vorgehabt hätte...
„Ach Zelda, lass den Kopf nicht hängen. Du wirst schon sehen, es wird alles klappen. Wir verteidigen dich und Hyrule bis zum Ende, dazu wurden wir schließlich auserwählt. Und neben unserer Verteidigung hast du auch unsere Unterstützung", sagte Urbosa und legte eine ihrer Hände auf Zelda's Schulter.
„Du solltest aufhören, ihr falsche Hoffnungen zu machen, Urbosa. Wir sind alle sterblich, uns ist diese Schwäche mit in die Wiege gelegt worden. Uns sind diese Grenzen gesetzt worden und das ist nicht zu ändern. Sind wir tot, dann sind wir das auch und dann war's das. Für dich, Zelda, wäre es das Beste jede Sekunde vom Schlimmsten auszugehen", sagte Raisa und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Du bist einfach viel zu pessimistisch", merkte Revali an. „Ich bin realistisch", korrigierte sie ihn.
„Raisa hat Recht." Mit diesen Worten löste Zelda sich aus Urbosa's Griff.
„Hinzu kommt, dass wir nicht viel über unseren Feind wissen. Aber Ganon weiß alles über uns und diese Welt. Er..., die Verheerung ist seit Urzeiten immer das gleiche Wesen... Mit gleichen Erinnerungen." Wahre Worte. Es war ja fast schon absurd, dass sie alle planten, gegen ein solches Wesen zu kämpfen.

„Wisst ihr, ich habe von einer gewissen Person hier etwas Wertvolles gelernt. Manche Dinge können sehr kompliziert erscheinen, weil wir uns selbst sehr kompliziert machen. Aber deshalb darf man nicht aufgeben. Die Antwort ist meist sehr leicht und kann entdeckt werden, wenn man die Dinge aus einer anderen Perspektive betrachtet", erzählte Mipha mit einem Lächeln auf den Lippen.
Auch Urbosa fing an zu lächeln.
„Dieselbe Person zeigte mir, was ein Mensch mit bloßem Willen alles erreichen kann. Und wenn der Feind noch so groß ist, selbst wenn es der Teufel wäre... Diese Person würde nicht zurückweichen, auch wenn sie nur mit bloßen Fäusten kämpfen könnte. Sie würde sich stellen und ihren Willen nicht aufgeben." Raisa zog bei diesen Worten beide Augenbrauen zusammen. Was sollte das werden, wenn es fertig war?
„Die Person, von der ihr redet, hat auch mir etwas gezeigt. Meine Güte, sie hat's faustdick hinter den Ohren, ist stur und hartnäckig obendrein. Und mit diesen Eigenschaften schafft sie es letzten Endes an ihr Ziel. Weil sie sich selbst treu bleibt und an sich selbst glaubt, jede einzelne Sekunde."
Daruk schlug mit der Faust auf die flache Hand und unterstrich somit seinen Standpunkt noch einmal.
Raisa selbst wurde das alles langsam zu blöd. Sie hatte mit ihren Taten nie beabsichtigt, anderen etwas beizubringen oder ihnen etwas zu lehren. Wie Daruk bereits sagte, sie blieb immer nur sie selbst.

„Es ist fast schon komisch... Diese Person hat auch mir einst sehr geholfen...und mir gezeigt, wie ich an mich glauben kann, dass ich überhaupt an mich glauben kann", sagte nun auch Zelda. Link nickte bestätigend zu Zelda's Aussage. Ach ja, der war ja damals auch dabei gewesen, an der Quelle des Mutes.

Zwar zeigten die Recken es nicht so offensichtlich, doch sie spürte, dass jeder ihr einen Blick zuwarf. Außer Revali. Was in seinem Kopf vor sich ging, würde wohl nie einer in Erfahrung bringen können.
Und wenn Raisa ehrlich war, dann war ihr das auch egal. Sollte er doch denken, was er wollte.
„Es ist gleich soweit", sagte Zelda plötzlich. Wenige Minuten fehlten nur noch, dann würden sie das neue, vielleicht sogar letzte Jahr, begrüßen dürfen.

Leuchtend erstrahlte der Himmel von Hyrule, als die Raketen um Punkt null Uhr gezündet wurden. „Frohes neues Jahr", hörte sie die anderen untereinander sagen. Sie hingegen seufzte nur, etwas, was sie in letzter Zeit ziemlich häufig tat. Nur noch wenige Stunden, dann hatte sie es auch geschafft. Stunden, in denen sie die anderen noch weiter ertragen musste. Hoffentlich tranken sie sich alle die Birne weg und ließen sie in Ruhe. Und wenn nicht... Sie würde sich weiter an die Brüstung lehnen und darauf warten, dass die Zeit vergeht.

Die Stunden vergingen, allerdings unglaublich langsam. Die Uhr zeigte bereits nach vier Uhr an. In Schloss Hyrule, nein, vermutlich in ganz Hyrule rührte sich so gut wie niemand mehr. Sie wusste auch gar nicht, wohin die Recken entschwunden waren. Zumindest nicht alle. Urbosa saß auf einem Stuhl und den Oberkörper auf dem Tisch gelegt, Zelda hatte sich schon vor langem verabschiedet, doch der Rest? Die Schicksale der anderen, waren ihr unbekannt. Nun, dies war auch nicht weiter in ihrem Interesse.

Raisa ging durch die Korridore, auf der Suche nach der Bibliothek. Sie würde sich auf dem schnellsten Wege von diesem Schloss entfernen, wenn sie denn die Bücher hätte. Ein triumphierendes Grinsen schlich sich auf ihre Lippen, als sie die Wendeltreppe fand, die sie zu ihrem Ziel brachte.
Doch nirgends war jemand auszumachen, was sie skeptisch werden ließ. Sie blieb in der Mitte des großen Raumes stehen und suchte mit ihren goldenen Augen alle möglichen Regale ab. Nichts.
„Wehrte Dame?" Noch bevor die Worte verhallten, hatte sie sich umgedreht. Fast hätte sie sich erschrocken.

Vor ihr stand der junge Hylianer. So wie es aussah, hatte er nicht mehr, als ein einziges Buch mitgenommen. „Das ist alles, was ich finden konnte. Es gibt aus guten Gründen keine Aufzeichnungen, zu den Kräften ihrer Hoheit, doch irgendwie muss sich dieses Buch noch einige Jahrhunderte hier gehalten haben." Das entsprach nicht ganz ihrer Vorstellung. Ein einzelnes, altes Buch und mehr sollte es nicht geben? Was für eine Enttäuschung. Aber gut, eines war immer noch besser als keines. Sie zahlte den Hylianer für seine mehr oder minder guten Dienste aus und nahm dieses Buch an sich.

Damit gab es für sie keinen Grund noch weiter in Schloss Hyrule zu verweilen, weshalb sie sich auf schnellstem Wege davon machen wollte. Auf den Fluren begegnete sie, was zu dieser Uhrzeit auch kein Wunder war, niemanden. Deshalb sah sie sich auch schon fast außerhalb der Schlossmauern. Aber auch nur fast. Eine altbekannte Stimme holte sie wieder in die Realität zurück.
„Was geisterst du zu dieser Zeit hier herum?"  

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt