Der Schneefall hatte in Hyrule nicht im Geringsten nachgelassen. Raisa glaubte sogar, dass es die vergangenen drei Tage durch geschneit hatte. Die dicksten Flocken suchten ihren Weg von Himmel herab auf den Boden. Demzufolge war es wirklich schwierig voranzukommen, so hoch wie die weiße Pracht nun schon lag.
Zu schade aber auch, dass es momentan am Todesberg so gefährlich war. Über die Winterzeit ließ es sich dort sicherlich gut leben. Nun, leider war es für sie kaum möglich, an eine angenehme Zeit zu denken. Ihr Blick fiel auf den Blumenstrauß, den sie mit sich trug. In Hyrule Stadt bekam man alles, was man brauchte, egal zu welcher Jahreszeit. Und somit auch jene Mondblumen, welche sie mit sich trug. Sie waren auch nicht geklaut... Das wäre dem Grund, wofür sie diese brauchte, nicht gerecht.
Wenn es um Seina ging, dann war es dies Raisa wert.
Die Stadtmauern rund um Hyrule Stadt hatte sie grade verlassen. Nicht allzu weit entfernt, lag ein See, an welchem im Frühling die Kirschblüten in aller Pracht blühten. Mit Bäumen und Blumen kannte sich Raisa zwar nicht aus, denn ihrer Meinung nach kümmerten sich nur alte Leute, die auf ein richtiges Leben verzichteten, um dieses Pflanzenzeug. Doch wusste sie, dass Raisa Kirschblüten einst liebte. Deshalb war dort...ihre Ruhestätte.
Dann stellte sich nur noch die Frage, warum Raisa ihr Mondblumen brachte und nicht irgendetwas, was eher dem Geschmack von Seina entsprach. Nun, Seina's Name bedeutete 'Mondgöttin'. Und ihrem Namen gerecht bekam sie nun die richtigen Blumen.
Bereits vom Weiten erkannte sie den See, der von kahlen Bäumen umgeben war, die allesamt auf den Ästen Schnee trugen. Wie oft war sie wohl schon an diesen Ort gekommen? Unzählige Male. Doch seitdem sie zu einem Recken wurde, hatte dies nachgelassen. Sie war die letzten Monate nicht gekommen, zu viel war passiert und zu viel sollte noch passieren. Unglaublich, dass sie mal andere Gedanken haben würde. Ob das allerdings nun gut oder schlecht war, war wohl eine Frage der Perspektive.
Vor dem See kam sie zum Stehen. Das Wasser war gefroren und auch auf der Eisfläche lag eine dicke Schicht Schnee. Raisa kniete sich nieder in das kühle Nass und schob den Schnee an einer bestimmten Stelle zur Seite. Mit geröteten, kalten und vor allem zitternden Händen legte sie an jener Stelle die Blumen nieder. Es sollte genau dort sein...
Sie verspürte kaum Trauer oder Ähnliches. Es fühlte sich eher erleichtert an diesem Ort zu sein.
„Ich glaube nicht an so einen Quatsch, von wegen das du mich hören könntest", sagte sie.
„Und doch rede ich hier, wie dämlich", bemerkte sie zugleich. Es kam wohl unbewusst, dass sie anfing mit jemanden zu reden, der gar nicht mehr am Leben war.
Seina, die Mondgöttin... Passender hätte der Name ihrer einstigen Freundin auch nicht sein können. Seina war gutherzig und liebevoll, das perfekte Abbild einer Göttin. Nun, wo auch immer sie jetzt sein mochte, es war mit Sicherheit besser, als auf der Erde, auf der Raisa noch verweilte. Seina musste diese Grausamkeit nicht länger ertragen, genauso wenig wie sie die Wiederkehr der Verheerung Ganon befürchten musste.
Diese Worte waren schwer und hatten einen bitteren Nachgeschmack, doch waren sie einfach wahr.
Das Bedürfnis zu weinen, hatte sie jedoch nicht. Er recht, weil sie dies peinlicher weise schon vor dem Federvieh getan hatte. Und eine ebenso große Schmach war es, dass sie innerhalb weniger Monate zwei ihrer Schwüre gebrochen hatte. Vier Jahre lang hatte sie dies nicht in Erwägung gezogen und kam auch nicht annähernd in die Versuchung. Nun, einen hatte sie ja noch. Und sie glaubte beim besten Willen nicht, dass dieser jemals gebrochen wird. Niemals würde sie einer anderen Person ihre Gefühle schenken. Zumal, sie nicht einmal welche hatte oder besser gesagt: sie wollte einfach keine.
Obwohl es langsam begann dunkel zu werden, wollte sie diesen Ort nicht verlassen. Dass sie dort war, an dem Ort wo Seina ruhte, war bedeutungsvoller als alles andere. Seina... Sie war wirklich der wundervollste Mensch, den Raisa einst kannte. Was Raisa alles mit ihr erlebt hatte... Schon am ersten Tag, wo sie sich begegneten, hatten sie etwas ausgeheckt, um in die Kaserne der Soldaten von Hyrule Stadt zu kommen. Ein anderes Mal haben sie vorgegeben, vom Lande zu kommen, um Einlass in eine Bäckerei zu bekommen, um dort Süßspeisen zu stibitzen. Vom Äußerlichen gab es keinen allzu großen Unterschied zwischen einem Landmädel und einem Straßenkind. Worauf alle einfach immer nur achteten, war die Herkunft.
Raisa erinnerte sich auch noch genauso gut an den ersten Händler, den sie mit Seina zusammen ausgenommen hatte. Seina hatte sich so geschickt fallen lassen, dass es so aussah, als hätte besagter Händler sie geschubst. Während Seina dann mit besagtem Händler diskutiert hatte, hatte Raisa sich heimlich an den Rucksack zu schaffen gemacht.
Das waren Erinnerungen, die sie wohl nie vergessen würde. Nie vergessen durfte. Denn solange sie an Seina dachte, sich an sie erinnerte, war das Mädchen mit dem kupferblonden Haar nicht vollends aus der Welt. Seina würde in einer gewissen Art und Weise weiterleben. Und das war das Wichtigste, oder?
Wider ihren Willen musste sie diesen Ort langsam verlassen. Nicht nur, weil die Temperatur bei Nachttief ins Minus fiel, auch, weil sie sonst nicht mehr dort wegkommen würde.
„Früher oder später werden wir uns wiedersehen. Auch, wenn ich für meine Taten vermutlich in die Hölle kommen werde, doch dafür werde ich grade stehen müssen", waren ihre Worte, ehe sie sich umdrehte. Ein eiskalter Wind wehte ihr entgegen, sorgte dafür, dass sie sich doch noch einmal umdrehte. Ein paar Blüten der Mondblumen flogen mit dem Wind und leuchteten förmlich im Mondschein. Der Mond... War es Zufall, dass er grade in diesem Moment eine Lücke in der dicken Wolkendecke fand? Nein, das sollte so kommen. Als wäre es ein Zeichen.
Wäre Raisa nicht Raisa, dann hätte sie bei dieser Erkenntnis sicherlich gelächelt. Aber da sie nun mal von der Kälte vollkommen eingenommen war, schaute sie diesem fast schon magischen Ereignis zu, ohne den Mundwinkel zu verziehen.
Die Lebewesen dieser Welt hatten die Eigenschaft, sich 'Was wäre, wenn' zu fragen, wenn sie verzweifelten. Raisa fragte sich dies lediglich, weil es sie interessierte. Und vielleicht, weil es ihr gefiel, darüber zu philosophieren. Sie fragte sich, wo sie jetzt stehen würde, wie ihre Lebensumstände wären, ob sie jemand komplett anderes wäre, wenn alles anders gekommen wäre.
Auf diese Frage würde sie vermutlich niemals eine Antwort bekommen, weshalb es vermutlich besser wäre, wenn sie diese einfach wieder vergessen würde. Doch, interessant wäre die Antwort schon...
Sie wandte sich nun wirklich von Seina's Ruhestätte ab und machte sich auf den Weg zurück zu ihrem Titanen. Langsam aber sicher rief die Pflicht wieder. Die meisten Feierlichkeiten hatten nun ihr Ende gefunden, lediglich der Jahreswechsel stand noch an. Und wenn es dann wirklich nichts mehr zum Feiern gab, standen wohl wieder sinnlose und tödliche Aufträge an. Was wohl als Nächstes kam?
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Number 6
FanfictionDie Hylianer fanden einen weiteren Titanen, der gegen die Verheerung Ganon eingesetzt werden sollte. Kurzerhand entschloss sich Prinzessin Zelda noch einen weiteren Recken aufzunehmen. Doch wen? Alle Völker Hyrules waren bereits vertreten. Nach lang...