28. Kampfgeist

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Revali flog noch ein Stück höher und entging somit der Wand aus Pfeilen, die auf ihn zu kam. Mit seinem mächtigen Bogen schoss er zurück. Die sollten ruhig sehen, wie geschickt er damit umgehen konnte.
Er traf die Krieger von untern, allerdings verwundete er sie nur und tötete sie nicht. Obwohl er solche Adleraugen hatte, konnte er aus der Höhe, in der er sich befand, nicht mehr genau sehen, wohin er schoss. Er musste also weiter runter.
Er setzte es in die Tat um und wie im Sturzflug bahnte er sich seinen Weg nach unten. Bevor er dem Boden zu nah kam, breitete er seine Flügel aus und fing sich somit selbst auf. Er zögerte nicht und erledigte weitere Krieger.

Den meisten Pfeilen konnte er zwar ausweichen, doch allen konnte er nicht entgehen. Ein paar streiften ihn, was für ihn aber ertragbar war. Zumindest konnte er so die Schützen besser ausschalten. Sie fielen, einer nach dem andern. Doch er unterschätzte seine Gegner mit den Zweihändern. Eine dieser starken Waffen flog auf ihn zu und grade im rechten Moment gelang es im noch auszuweichen. Und das blieb kein Einzelfall, die anderen taten es dem einen gleich. Die riesigen Waffen, die restlichen Pfeile. Beidem konnte er nicht ausweichen und Zeit dazu hatte er auch keine.
Ein Zweihänder verletzte ihn leicht an der Hüfte. Dieselbe Stelle, die einst Raisa traf. Zum Glück war der Schnitt nicht so schlimm wie der ihre. Es war ertragbar, beeinträchtigte ihn jedoch beim Fliegen.
Die letzten Bogenschützen fielen zu Boden. Dieser kleine Sieg machte ihn unvorsichtig. Von hinten hatte sich ein weiterer angeschlichen, ohne, dass er je gesehen wurde. Und da Revali seinen Blick auf die Krieger mit den Zweihändern richtete, blieb der letzte Bogenschütze unentdeckt.

Revali spürte kurze Zeit später ein unerträgliches Ziehen in seinem linken Flügel. Und ein Blick auf dieses verriete ihm, dass dort ein Pfeil seinen Weg hinein gefunden hatte. Er zog ihn hinaus, was dafür sorgte, dass der Flügel noch mehr schmerzte. Der wirklich letzte Bogenschütze erlag den Pfeilen Revali's. Doch dieser sah sich nicht weiter in der Lage dazu zu fliegen. Die Flügel eines Orni waren sehr empfindlich. Man brauchte sie nur dort verletzten und schon waren sie an den Boden gefesselt.

Ihm wurde somit bewusst, dass diese Krieger hier auf ihn gewartet hatten. Sie wussten seine Schwachstellen und waren auf ihn aus. Aber er wusste nicht warum. Diese Krieger waren keine Yiga, gesehen hatte er sie noch nie. Was könnte er verbrochen haben, dass sie ihn unbedingt tot sehen wollten?

Dafür hatte er keine Zeit zum Nachdenken. Er musste um sein Überleben kämpfen. Und das gestaltete sich nun deutlich schwieriger. Sie haben ihm die Fähigkeit zu Fliegen genommen, das war wie, als würde man einem Zora die Flossen weg nehmen, weshalb dieser nicht mehr schwimmen konnte.
Er versuchte die Krieger, welche ihn umzingelten, auszuschalten. Aber mit seiner Distanzwaffe war das beinahe unmöglich. Zudem musste er darauf achten nicht von den langen Klingen erwischt zu werden. Grade einmal zwei weitere hatte er erledigt und unzählige waren noch dort. Er sammelte Verletzungen, eine nach der anderen.
Außerdem konnte er langsam auch nicht mehr. Recke hin oder her, das waren einfach zu viele. Niemand könnte das alleine schaffen, langsam zweifelte auch er daran, dass er hier lebend raus kam. Er war erschöpft, sein Körper schmerzte und war mit Adrenalin vollgepumpt. Das war, als würde er die ganze Zeit eine Stimme in seinem Kopf hören. Die ganze Zeit dieselben Worte: Kämpfe! Überlebe!
Ohne Unterlass sagte sein Kopf ihm, dass er dies tun sollte. Doch der Körper ließ langsam nach. Dieser Gegenwehr konnte er nicht ewig standhalten. Sein Stolz, seine Selbstsicherheit, beides verließ ihn allmählich. Und während er fast schon verzweifelt versuchte seine Gegner zu bekämpfen, fing er an zu bereuen. Er bereute die gesamte Konversation mit Raisa am Morgen. Sie hatte recht gehabt, wieso hatte sie recht? Sie konnte doch wohl unmöglich die Zukunft gesehen haben. Aber doch, das war die Wahrheit, ob er es nun wahrhaben wollte oder nicht. Sie hatte ihn gewarnt und her hatte sie dafür verhöhnt. War dies nun seine gerechte Strafe? Vermutlich.

Er hatte den Kampfgeist schon fast verloren, aber die Tatsache, dass er nicht verlieren wollte, allein schon damit Raisa sich nicht allzu sehr im recht fühlte, spornte ihn an. Er sollte sein Schicksal nicht ändern können, dass er nicht lachte! Solange er noch nicht umfiel, kämpfte er weiter. Er würde bis zum bitteren Ende kämpfen!

Kaum hatte er wieder Kraft zum Kämpfen gefunden, fielen die nächsten Krieger. Bis zum letzten Mann. Den Schmerz seiner Wunden verdrängte er, denn er sah noch eine Chance. Er hatte nur noch einen Gegner vor sich. Den Anführer dieser Krieger. In seinen Händen hielt er einen Königszweihänder. Revali schaute ungläubig auf diese Waffe. Nur die Besten, der Besten bekamen solche Waffen vom König. Diese Krieger waren also Verräter! Daher wussten sie auch, dass er auf den Weg nach Akkala war. Sie haben es mit eigenen Ohren gehört und Hyrule dann den Rücken gekehrt.

Revali's Selbstvertrauen sank langsam. Diese Waffe war eine der besten in Hyrule. Mit seinem Bogen könnte er dieses mächtige Schwert nicht aufhalten und wenn er damit richtig getroffen wurde, ging das Metall durch seinen Körper wie durch Butter.
Aber eine Wahl hatte er nicht. Wenn er nichts tat, dann würde er auch sterben, somit sollte er alles geben und versuchen diesen letzten Mann zu erledigen.
Jedoch lief das Ganze sehr schlecht für ihn. Er wurde in die Enge getrieben. Normalerweise würde er nach oben fliehen, aber der Schmerz in seinem Flügel verhinderte dies. Der Krieger vor ihm holte aus und er konnte nicht weiter nach hinten ausweichen. War es das nun?

Durch Pfützen, durch Gewitter und Regen, egal was sich Raisa in den Weg stellte, nichts hielt sie auf. Selbst wenn jetzt vor ihr ein Leune auftauchen würde, sie würde ihn in Stücke reißen. Ihr Kampfgeist war erwacht und sie hatte sich in den Kopf gesetzt dem Federvieh zu helfen, also würde sie das auch machen! Selbst wenn die Götter jetzt Hand anlegen würden, sie würde das Schicksal des Federviehs verändern!

Sie konnte die orange-roten Bäume von Akkala bereits sehen. Es war nicht mehr weit, eigentlich nur noch wenige Minuten. Sie hoffte, dass sie nicht zu spät kam. Aber, sie hatte alles gegeben und war in Windeseile her gerast. Sie hatte das Pferd nicht eine Sekunde ruhen lassen. Das Tier sah somit aus, als würde es jeden Moment sterben.
Sie sah Pfeile im Boden stecken und stieg von ihrem Ross. Sie stand an der exakt selben Stelle wie in ihrem Traum, nur dieses Mal war es Realität. Dieses Mal würde sie auch keine Zeit damit verschwenden mit einem von den Kriegern zu reden, auch wenn diese ihr nun antworten würden.
Sie zückte ihr Schwert und machte ihren Titel als schnellste Schwertkämpferin erneut alle Ehre. Sie rannte, so schnell sie konnte, über die Wiese. Und sie sah die beiden, es war exakt so wie sie es vorausgesehen hatte. Nur das es dieses Mal anders sein würde. Ihr Schwert wird das seine aufhalten. Und sie wird diesen Bastard in die Hölle schicken. Und das Federvieh konnte ihm dann gleich folgen, weil sie ihn danach so anschreien wird, dass er nicht mehr leben will.
All die Strapazen musste sie auf sich nehmen, weil er zu Stur und zu Stolz war. Gnade ihm Hylia, dass sie sich vielleicht noch etwas zügelte. Ihre Wut und ihr Kampfgeist, das war eine tödliche Mischung für jeden, der sie abbekam.

Der Krieger holte mit seinem Schwert aus und Raisa stellte sich ihm entgegen. Doch das Schwert ging nicht durch sie hindurch, es wurde von ihrem pariert. Mit aller Kraft drückte sie ihres gegen den Zweihänder. Und sie schaffte es Kräfte zu entwickeln, wie noch nie. Der Zweihänder wurde von ihr zur Seite gedrückt, woraufhin der Krieger ein paar Schritte zurück ging.

„Von allen Recken Hyrules wärst du die einzige gewesen, die ich am Leben gelassen hätte. Weil du nicht so wie die hochwohlgeborenen Spinner bist. Du bist anders. Ob du diesen Titel trägst oder nicht, das ist dir egal, nicht wahr, Raisa? Das muss Ironie des Schicksals sein, dass grade du dich mir entgegen stellst. Verrate mir warum", forderte der Krieger. „Ich bin dir zur keiner Antwort verpflichtet. Meine Beweggründe behalte ich für mich. Du kannst es als eine meiner Launen ansehen", antwortete sie.

„Was...was in Hylia's Namen machst du hier!", fragte das Federvieh sie. Raisa drehte sich zu ihm um. „Du wolltest mir ja nicht glauben. Außerdem war ich dir noch eine Kleinigkeit schuldig. Und... Das Schicksal wollte es so. Ich wäre nicht gekommen, die Götter wollten es so." Sie tat die Sache damit ab und wand sich wieder ihren Gegner zu. „Halt jetzt deinen Schnabel und seh ' zu und lerne. Ich zeige dir jetzt die Qualitäten der schnellsten Schwertkämpferin Hyrules." Endlich konnte sie mal große Töne spucken. Allein dafür hatte es sich schon gelohnt hier her zu kommen.

„Du willst dich mir also wirklich in den Weg stellen?", fragte der Krieger sie. „Ich wollte sowieso trainieren. Das kommt mir ganz gelegen." Obwohl dies der Wahrheit entsprach, hatten ihre Worte noch einen weiteren Hintergedanken. Sie wollte den fast doppelt so großen Mann vor sich wütend machen. Die meisten können damit in einem Kampf nicht umgehen und zeigen einem dadurch, gewisse Lücken in der Verteidigung. Allerdings ging ihr Plan nicht auf, also musste sie diesen Kampf auf normalem Wege gewinnen. Sie hielt ihr Schwert vor sich, ebenso wie er.
Noch bevor er zucken konnte, war sie los gelaufen und hatte ihn attackiert. Er selbst kam nicht zum Angriff, nur zum Parieren. Mit seinem Zweihänder konnte er den schnellen Bewegungen Raisa's nicht folgen und schon gar nicht zum Gegenschlag zu ansetzten. Sie schaffte es ihn zu verletzten, aber auch sie machte Fehler. Sie unterschätzte die körperliche Kraft des Mannes vor ihr. Mit seinem Schwert konnte er ihr nicht folgen, aber mit seinen Fäusten. Sie erwartete ein Konter dieser Art nicht und kassierte somit einen Schlag in den Magen. Sie ging nicht in die Knie, krümmte sie aber. Ihr gesamter Magen war kurz davor sich zu entleeren. „Bastard", zischte sie. Er grinste überlegen. Die Schnittverletzungen, die sie ihm zufügte, schienen ihm gar nichts auszumachen. Dabei waren einige fast schon Lebensgefährlich.

Ihr Kampfgeist erlosch nicht, im Gegenteil, er wurde noch größer. Jetzt wollte sie diesen Mann erst recht umbringen. Ihre Klingen trafen aufeinander. Raisa setzte ihm weiter zu, aber er schien unbekümmert davon zu sein. Er setzte zum Gegenschlag an, mit voller Wucht. Egal was für eine gute Schwertkämpferin sie war, sie war immer noch eine Frau. Und das bedeutete, dass sie der körperlichen Kräfte vieler Männer unterlegen war.
Doch, die Götter schienen auf ihrer Seite zu sein. Dieser Moment, auf den sie gesetzt hatte, war gekommen. Es war wieder, als würde die Zeit anhalten und wie in Zeitlupe sah sie, wie der Krieger angreifen würde. Sie nutzte diese Erkenntnis und konterte. Ihr Schwert ging durch seine Brust und sie zog er wieder heraus.
Der Mann vor ihr ging auf die Knie und ließ seinen Zweihänder fallen. Sie hatte es geschafft. Sie hatte nicht nur diesen Mann besiegt, sie hatte auch das Schicksal von Revali verändert.

Zu eben jenem drehte sie sich um. Sie wollte etwas sagen, doch er kam ihr zuvor. „Raisa! Hinter dir!" Sie hatte nicht mal mehr Zeit diese Worte zu verarbeiten. Sie wurde an der Schulter gepackt und im nächsten Moment spürte sie den schlimmsten Schmerz, den sie je gespürt hatte. Dieser Schmerz, er war so gewaltig, dass sie weder denken noch atmen konnte. Sie sah in sich herunter, ahnte schon, was ihr widerfahren war. Das Schwert des Kriegers.... Durch ihren Körper.
Sie wusste nicht was sie denken oder tun sollte. Ihr Herz schlug immer schneller und der Schmerz wurde immer unerträglicher. Würde sie daran jetzt sterben?

„Du kehrst deinen Feinden zu früh den Rücken zu. Das war dein Fehler, aber darüber kannst du dir ja im Jenseits Gedanken machen." Raisa befreite sich selbst aus dem Griff und von dem Schwert, machte die Wunde dabei wahrscheinlich nur noch schlimmer. Doch in diesem Moment verabschiedete sich ihr gesunder Menschenverstand. Ihr Schwert, welches sie noch in Händen hielt, rammte sie ihm so oft in die Brust, bis ihr Schwert bereits vor Blut triefte. Sie spürte grade keinen Schmerz, sie wollte sich dafür einfach nur rächen. So übel rächen! Und mit dem was sie tat, hörte sie auch gar nicht mehr auf. Bis Revali zu ihr kam und sie festhielt. Anfangs werte sie sich gegen seinen Griff, doch mit der Zeit ließ die Stärke nach. Kraftlos sank sie zu Boden, in ihrer eigenen Blutlache.
Revali hielt sie weiter fest. Er wusste so selbst nicht, wie er mit all dem umgehen sollte. Sie würde sterben, sie würde ganz klar sterben, wenn er jetzt nichts tat. Die Wunde war zwar 'nur' an ihrer Seite, aber der Blutverlust war gewaltig. „Hey!", sagte er, doch er bekam keine Antwort. Sie lag Bewusstlos in seinem Flügel.

Schuldgefühle kamen in ihm auf. Oder war es Reue. Egal was es war, es musste warten! Er musste nachdenken, immerhin konnte sie ihm jetzt hier nicht wegsterben. Sie gab ihr Leben für seins? Nein so lief das hier nicht! Er nahm ihren Schal von ihren Schultern und wickelte ihn erstmal um die Wunde. Egal wie sehr sein Flügel schmerzte, er musste hier weg fliegen. Sonst gab es überhaupt keine Rettung mehr. Er hievte sie auf seinen Rücken und flog los. Egal wie groß der Schmerz war...er musste sich beeilen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt