24. Gedanken

521 42 0
                                    

  Die Freude nach dem Lob des Königs währte allerdings nicht lange, wenn man das bei Raisa überhaupt Freude nennen konnte. Sie nahm die Worte des Königs hin und sah sie als einen Schritt an, der sie näher an das Einlösen ihres Versprechens brachte.
Wie auch immer.
Sie dachte, dass sie nun zu ihrem Titanen zurück und endlich wieder ihre Ruhe haben könnte, aber Pustekuchen. Es kam natürlich nicht so, wie sie es wollte. Kaum hatten sie und das Federvieh den Thronsaal verlassen, kamen auch schon die restlichen Recken und Zelda. Sie brauchte gar nicht erst überlegen, was kommen würde. Tausende Fragen, welche sie nicht beantworten wollte. Aber das würde Revali dann wahrscheinlich tun. Und dabei würde er sich auf seinen Lorbeeren ausruhen.

„Ihr wurdet vom König als Helden bezeichnet. Glückwunsch!" Daruk haute den beiden 'Helden' freundschaftlich auf den Rücken. Dabei musste Raisa aufpassen, dass sie vor allen anderen nicht den Boden küsste. Und wenn Blicke töten könnten, dann wäre Daruk bereits in der Hölle.
„Nun, ich habe auch eine Menge dafür getan", sagte das Federvieh. Raisa verdrehte nur die Augen. Sie wusste ja, dass er angeben würde. Er war so einfach gestrickt. „Leunen, Yiga und Soldaten, das waren keine Gegner!", prahlte er weiter. Sie musste sich zusammenreißen, um nicht preiszugeben, dass er dafür gegen sie verlor. Sie tat dies, weil er auch nichts über ihre Niederlage erzählt hatte und weil sie ja nicht einmal aus eigener Kraft gewonnen hatte.

„Ihr wurdet von den Yiga angegriffen?", fragte Zelda ungläubig. Ach ja, bislang waren die Yiga nur innerhalb von Hyrule aktiv gewesen. Dass sie auch außerhalb von Hyrule Angriffe starten, war noch gar nicht bekannt. „Ja wurden wir. Aber die Yigas, die uns angegriffen haben, werden dies nie wieder tun", sagte Raisa unbekümmert. Zumindest war ihr noch kein Weg bekannt, wie man Tote ins Leben zurückholte.
„Ihre Angriffe häufen sich in letzter Zeit. Und es sind nicht nur wir, die angegriffen werden. Selbst welche, die kaum mit uns Kontakt stehen, werden zu ihren Opfern. Und... Wir finden einfach nicht heraus, wo sie sich verstecken", sagte Zelda betrübt. Was machte sie sich einen Kopf darum? Das war doch alles die Schuld der Shiekah, also konnten sie die Sache auch wieder grade biegen, oder nicht?

„Immerhin haben wir einen Sieg errungen, Prinzessin. Wir sollten uns über das erfreuen, was wir erreicht haben und nicht dem hinterher trauern, was wir nicht erreicht haben." Mipha's aufmunternde Worte brachten Zelda leicht zum Lächeln. „Sie hat Recht, Zelda. Außerdem, wenn es keine Verheerung mehr gibt, die unser Land bedroht, haben auch die Yiga kein Grund mehr uns anzugreifen. Und wenn doch, dann kümmern wir uns als Nächstes um sie." Urbosa legte ihre Hände auf Zelda's Schultern. Ihr Lächeln blieb und das verdankte sie ihren Freunden, welche um sie herum waren.

„Kann ich jetzt gehen?", fragte Raisa. Sie hatte keine Lust mehr sich diese ganze Gefühlsduselei anzusehen. Zelda's Sorgen waren ihr egal. Es waren ja nicht ihre eigenen. Außerdem hatte sie die vergangenen Tage nur in Anwesenheit einer anderen Person verbracht und das reichte ihr. Sie wollte endlich weg und ihre Ruhe. Andernfalls würde sie sich noch an Gesellschaft gewöhnen und das wollte sie nicht.

„Wenn du möchtest", sagte Zelda. Sie war etwas verdutzt darüber, dass Raisa so rücksichtslos diese schöne Atmosphäre zerstörte. „Ja, das will ich", antworte Raisa und machte sich auf. Verabschieden wollte sie sich zu dem auch nicht. Das war einfach nicht ihre Art. Also ging sie ihres Weges mit dem Ziel ihren Titanen schnellstmöglich zu erreichen.

„Zelda, kannst du uns was über sie erzählen? Du kennst sie von uns allen doch am besten." Urbosa wand sich an Zelda, doch diese schüttelte den Kopf. „Ich weiß auch so gut wie nichts über sie. Jedenfalls war sie vor vier Jahren, als ich sie das erste Mal traf, noch nicht so kalt und unbarmherzig", erzählte Zelda. „Du willst uns allen Ernstes weismachen, dass es eine Zeit gab, wo sie offen und herzlich war?", fragte Revali ungläubig. „Na ja. Ganz so wie du dir das nun vorstellst nicht. Aber sie war auf jeden Fall anders." Für Revali war es unvorstellbar, dass Raisa mal ein fröhlicher Mensch gewesen sein sollte. „Fragt sie selbst, wenn ihr etwas wissen wollt. Ich bezweifle aber stark, dass sie euch etwas erzählt." Es gab da noch etwas, was Zelda über Raisa wusste. Sie vermutete auch, dass dies der Grund war, warum Raisa nun so anders war. Aber das konnte sie den Recken nicht erzählen.

Und wo man schon bei Raisa war, sie hatte grade Hyrule Stadt hinter sich gelassen. Mit ihrem Ziel vor Augen ging sie über die Ebene Hyrules. Da Zelda den Hengst zurück gefordert hatte, musste sie leider gehen. Sie hätte natürlich stehlen können, aber sie hatte dazu keine Lust. Somit hatte sie sich in den Kopf gesetzt pausenlos ihren Weg zu gehen. Und um sich dies etwas erträglicher zu machen, verschwendete sie keine Gedanken an die Recken, welche womöglich grade über sie redeten, sondern überlegte, für was sie ihren Wunsch opfern würde. Für sie kam eigentlich nur etwas Materielles in Frage, alles andere lag nicht in der Hand des Königs. Ein Pferd wäre schon eine schöne Sache, allerdings wieder überflüssig, wenn sie erstmal wieder in ihrem Titanen war.
Was das Federvieh sich wohl wünschte? Wahrscheinlich irgendetwas, was sie für total sinnlos hielt. Aber eigentlich brauchte sie das auch nicht zu interessieren.

Ihr Blick fiel über die Ebene und in der Ferne erkannte sie die Umrisse ihres Titanen. Endlich! Wenn sie erst einmal dort war, konnte sie ihre Einsamkeit voll und ganz genießen. Sie wollte keine Aufträge mehr erfüllen, ebenso wenig wie Zelda um sich herum haben und Orni wollte sie die nächsten Monate auch keine mehr sehen. Die nächste Zeit wollte sie sich voll und ganz ihrem Training hingeben. Immerhin war sie Hyrules schnellste Schwertkämpferin und das musste auch so bleiben, damit... Damit sie irgendwann ihr Versprechen einlösen konnte. Ihr Versprechen... Es war fast schon traurig, aber es war das Einzige, was sie an diese Welt band. Ihr gesamtes Leben, alles was sie getan hatte, es baute auf den Worten, welche sie jemanden vor vier Jahren gab. Die einzige Person, die ihr jemals etwas bedeutet hatte. Sie hoffte, dass diese Person in Frieden ruhte.

Raisa atmete tief ein und aus und schob diesen Gedanken wieder schnell beiseite. Sie konnte es sich nicht erlauben sentimental zu werden. Sie war kalt und grausam, genau wie diese Welt es war. Es war schon schlimm genug, dass sie durch das Federvieh hin und wieder ihre schwache Seite zeigte. Wenn auch nur für Sekunden! Würden er und seine dummen Bemerkungen nicht existierten, wäre ihr so viel erspart geblieben! Und sie wäre nicht mehr am Leben. Das war ebenfalls ein grausamer Gedanke. Sie verdankte es ihm, dass sie noch lebte.
So viel zum Thema, dass sie wieder ihre Ruhe kriegen würde. In ihrem Kopf geisterten die abscheulichsten Gedanken herum.

Somit versuchte sie auf ganz andere Gedanken zu kommen. Sie dachte wieder an ihr Training und wie sie dieses ausführen würde. Wahrscheinlich würde sie eine Sanduhr aufstellen und so schnell wie möglich Gegner besiegen. Und das konnte sie auch auf vielen Arten angehen. Entweder eine Menge schwache Gegner, wie Bokblins oder stärkere wie Echsalfos oder Moblins, dafür aber weniger. Sie könnte sich ja auch noch mal einem Leunen stellen. Das würde ein Spaß werden!

Wo sie schon beim Kämpfen war, da fiel ihr noch etwas ein, was sie zu erledigen hatte. Sie musste jemanden aufsuchen und fragen, was es mit dieser Vorhersehung auf sich hatte. Zu wen sie gehen sollte, wusste sie noch nicht. Wahrscheinlich würde sie jemand weises aufsuchen oder einen Propheten. Jedenfalls wollte sie diesbezüglich Gewissheit.

Ihr Blick war auf den riesigen Löwen vor ihr gerichtet. Zwei Tage hatte sie ihn nicht gesehen, doch es kam ihr wie eine Ewigkeit vor. Inazuma fixierte sie und erkannte sie natürlich. Augenblicklich ließ er sie eintreten. Raisa wartete nicht und ging in ihren Titanen. Das erste was sie aufsuchte, war die Steuerungseinheit. Es wurde Zeit, dass sich ihre Geister wieder miteinander verschmolzen, um das Band zwischen ihnen aufrecht zu erhalten. Raisa legte ihre Hand auf das kleine Podest und schloss ihre Augen. Mit ihren Gedanken steuerte sie Inazuma. Das Ziel war Tabanta. Oder zumindest dort in die Nähe. Dort liefen momentan einige Monster herum, die von ihr niedergestreckt werden wollten.

Raisa entfernte sich wieder von der Steuerungseinheit und ging in den Kopf ihres Titanen. Dort ließ sie sich nieder und lehnte sich gegen eine Wand. Sie schloss ihre Augen und gab ihrem Körper nun, was er seit zwei Tagen verlangte: Schlaf.  

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt