115. Eine dumme Idee jagt die Nächste

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In der folgenden Nacht konnte Raisa nicht schlafen. Dafür kreisten ihre Gedanken zu sehr umher. Der bevorstehende Kampf, was die Zukunft mit sich bringen würde, ein kleines bisschen dachte sie sogar über Revali nach, aber auch über den Vorfall, der sich erst ereignet hatte. Irgendjemand hatte diese Göre auf sie angesetzt... Und dabei bewusst darauf abgezielt, dass sie Seina ähnlich sah.
Wer außer Revali, Zelda und Raisa selbst, wusste von Seina? Ihr fiel niemand ein. Die, die ihr Leben damals auch auf der Straße verbracht hatten,...waren gegenwärtig alle schon verstorben. Und eine Yiga war die Göre mit Sicherheit nicht. Die ganze Sache war somit verzwickter, als sie jemals angenommen hätte. Hinzu kam, zu allem Überfluss, dass sie am morgigen Tag an dem Gerichtsverfahren teilnehmen musste.

Was für eine Ironie... Raisa hatte immer geglaubt, dass wenn sie eines Tages mal vor dem Gericht stehen würde, dann als jemand, der seine Todesstrafe empfangen sollte und nicht als 'Opfer'. Wie dem auch sei, aus unerklärlichen Gründen fand sie keine Ruhe. Allerdings hatte sie da dennoch eine Idee, wie sie ihr Gemüt beruhigen und letztlich doch noch zu Ruhe kommen könnte.

„Kein Zutritt", sagte der Soldat vor dem sie stand. Raisa hatte sich vor den Eingang zu dem Kerker begeben, um dort vielleicht noch einmal ein kleines Wörtchen mit dem Plagegeist zu wechseln. Doch wie immer standen ihr Hindernisse im Weg. „Und aus welchem Grund nicht?", wollte sie wissen. Der Soldat schien überrascht zu sein. „Weil der Zutritt zum einen nur mit Erlaubnis ihrer königlichen Majestät gewährleistet wird und zum anderen, da zu dieser späten Stunde kein Einlass mehr gewährt wird. Das...ist doch selbstverständlich." Raisa seufzte nur. Warum musste in Hyrule auch alles immer so kompliziert sein? Wäre sie in einem gewissen anderen Land mit einem gewissen anderen Prinzen, dann würde man ihr alles gewähren.
„Und wenn dies hier eine Ausnahme ist?" Raisa wollte ungern jetzt für Aufruhr sorgen. Sonst würde sie am morgigen Tag nur Probleme bekommen. Nicht, dass es sie groß kümmern würde, sie hatte schlichtweg keine Lust auf irgendwelches Theater. „Ich weiß nicht... Auch wenn Ihr ein ehrwürdiger Recke seid..."

Raisa erkannte in dem spärlichen Licht, dass die Fackeln neben dem Eingangstor spendeten, dass der Soldat ungefähr in ihrem Alter war. Also musste er doch leicht zu verunsichern sein...
„Gerade weil ich ein Recke bin, sollte man mich durchlassen. Ich genieße doch sonst überall Narrenfreiheit in diesem Land", sagte Raisa. „Nun, ich..." Raisa verdrehte genervt die Augen.
„Das wird doch sonst niemand erfahren", versuchte sie es weiter. „Sehr wohl! Die Wachen, die dort unten ihren Dienst leisten", erwiderte der junge Soldat. „Wen kümmert es?" Sie schnaubte und schloss genervt die Augen. „Nun gut... Aber bitte beeilt Euch und gebt niemanden davon Bescheid." Der Soldat trat zur Seite. „Morgen weiß es ganz Hyrule Stadt", sagte sie mit Sarkasmus, während sie die paar Stufen hinab ging.

Die Wachen, an denen sie vorbeiging, neigten ihre Häupter in ihrer Gegenwart. Raisa verkniff sich jegliche dummen Bemerkungen und ging weiter, bis sie schließlich bei den Zellen ankam und an diesen vorbei schritt. Es stank fürchterlich in diesem Loch da unten und die Insassen waren allesamt widerlich. Einige schliefen, andere betrachteten Raisa mit gierigen und lustvollen Blicken, und andere wieder... „Komm doch mal herüber, Kleine." Wäre sie selbst nicht in solchen Gegenden aufgewachsen, in denen sowas täglich gang und gäbe war, dann hätte sie jetzt sicherlich anders reagiert, als einfach mit emotionslosem Blick weiterzugehen. Sie hätte diese Bastarde elendig gequält.

Schließlich kam sie vor der Zelle an, in der das rothaarige Mädchen auf einem einzelnen Stuhl in der Mitte saß. Ihr Blick war zu Boden gerichtet. Raisa lehnte sich gegen die Wand neben der Zelle und daraufhin schaute auch die rothaarige Insassin auf. „Was in Hylia's Namen machst du denn hier?", fragte Taiga voller Schock und Überraschung. „Mit Antworten verschaffen", gab Raisa unbeeindruckt zurück. „Nur mal so am Rande erwähnt... Du hast ziemlich schlechte Karten und ich bin sogar bereit mich so weit aus dem Fenster zu lehnen und zu sagen, dass dein Urteil Hinrichtung lauten wird."
Taiga presste nach Raisa's Worten die Lippen zusammen. „Was soll es bringen, wenn ich dir irgendetwas sage?", fragte sie die Braunhaarige. „Oh, je nach dem werde ich mehr oder minder ehrlich vor dem Gericht sein", sagte Raisa und grinste süffisant.

„Lügen? Im Angesicht der Götter? Wenn das herauskommt, wird deine Strafe noch viel schlimmer ausfallen, als die meine", erwiderte die Rothaarige. „Glaubst du wirklich, ich, mit den anderen Idioten Hyrules einzige Hoffnung im Kampf gegen die Verheerung, würde eine Strafe bekommen, die mich einen Kopf kürzer macht? Wohl kaum." Taiga's Blick richtete sich zu Boden. „Ich wurde beauftragt, dich zu töten." Ja, soweit war Raisa auch schon von selbst gekommen.
„Du? Du siehst nicht so aus, als könntest du einer Fliege etwas zuleide tun", erwiderte Raisa.
„Sie sagten, dass ich das tun müsse, weil ich jemandem sehr ähnlich sehe, den du kanntest." Auch das war klar gewesen. „Sie?", hakte Raisa weiter nach. „Ich... Ich weiß nicht genau, wer sie sind. Sie haben sich mir nie direkt gezeigt. Doch ich habe Drohungen erhalten. Wenn die Recken nicht verschwinden, dann passiert meiner Familie etwas. Sie waren sogar schon einmal bei mir Zuhause und haben ihre Überlegenheit demonstriert. Was hätte ich denn anderes tun sollen? Ich durfte niemanden etwas sagen..."

Raisa seufzte, während sie das ein oder andere Schluchzen von der anderen Seite der Zelle hörte. Eine wirklich verzwickte Sache... „Los, du mächtiger Recke! Was hätte ich tun sollen?! Sag es mir!", fragte Taiga verzweifelt. „Ich habe keine Ahnung", gab Raisa preis.
„Ich habe keine Familie, um die ich mich sorgen müsste und im Grunde ist mir jeder egal", erzählte Raisa ihr. „Und in Wirklichkeit?", fragte Taiga nach und wischte sich die Tränen weg. Raisa seufzte erneut und fuhr sich durch ihr Gesicht. „Da ist dieses Federvieh, welches sich andauernd in meine Angelegenheiten einmischt,... Ich hasse ihn... Zumindest versuche ich mir das immer noch einzureden. Jedenfalls... Er und ich passen irgendwie immer aufeinander auf." Obwohl Raisa äußerlich vollkommen ruhig blieb, so spürte sie doch, dass ihr Herz nach diesen Worten ein wenig schneller schlug. Ein seltsames Gefühl...
„Kannst du bitte dafür sorgen, dass jemand hin und wieder ein Auge auf meine Familie wirft? Ich werde es nun nicht mehr tun können", bat Taiga leise. „Nein", antwortete Raisa. Stille herrschte. „Das wirst du selbst machen", fügte sie dann noch hinzu. „Ja, aber wie denn?", fragte Taiga.
„Ich gebe leider keine Versprechen mehr, von denen ich nicht weiß, dass ich sie einhundert prozentig einhalten werde... Aber ich werde morgen alle meine Überzeugungskünste anwenden und mit etwas überlegen", sagte Raisa dann, ehe sie den Kerker wieder verließ.

Leider hatte sie ihre Lektion über Versprechen schon vor einiger Zeit lernen müssen. Zumal sie es damals auch jemandem gegeben hatte, der kurz vor dem Tod stand. Aber gut, nun musste sie etwas austüfteln, um jemanden aus dem Todestrakt zu holen. Vielleicht... Konnte sie ihr Versagen nun wieder gut machen.

Number 6Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt