Kapitel 86

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Jisung POV:

Nervös trat ich mit den beiden mir noch immer recht fremden Kerlen aus dem Spiegel. Alleine schon die Tatsache, dass ich gerade durch eben jenen gelaufen war, machte mich innerlich verrückt ohne Ende. Welche vernünftige Person würde einem auch sowas abkaufen? Nun ja... Ich auf jeden fall nicht. Kontakt zu Magiern oder Hexern hatte ich schließlich bis jetzt noch keine gehabt. Das Licht von der anderen Seite blendete mich und ich kniff mir überfordert die Augen zusammen. Stimmen waren zu hören, doch gehörten sie nicht zu dem Alpha und dessen Hexerfreund. Eine von ihnen war tief. Sehr tief. Nervös sah ich zu dem Hexer auf, welcher sich in den letzten Tagen um mich und Felix gekümmert hatte.

„Ah, er ist da! Aber er scheint Besucht zu haben...", grummelte der Lilaschopf und runzelte überrascht die Stirn. Er zog mich und den Alpha des Exorudels mit sich. „Hyung?", rief er nun etwas lauter was mich zusammen zucken ließ. Warte mal. Wenn er doch Besuch hatte, sollten wir sie nicht lieber in Ruhe lassen? Mit großen Augen sah ich mich aufmerksam um und bemerkte erst jetzt wie die Umgebung um uns herum aussah. Es wirkte alles ziemlich schlicht und ein Kopfdrehen nach hinten verriet mir, dass wir anscheinend durch einen Ebenholzspiegel getreten waren. Wandhoch, mit alten Silberfragmenten geschmückt und verschnörkelt ohne Ende. Dieser Spiegel stach einfach total von der restlichen modernen Inneneinrichtung hervor, so alt und klobig wie er aussah. Trotz dessen hatte er seinen eigenen Flair.

„Hyuuuung!" Ich wurde aus meinen Beobachtungen gerissen als ich den Hexer straight auf eine Tür zulaufen sah. Wir befanden uns wahrscheinlich in einem Schlafzimmer, da hier ein kleines, schwarzes Einmannbett stand, kombiniert mit einem ebenso schwarzen Schrank. Dann wurde plötzlich die Tür aufgerissen, was mich zurückweichen ließ. Chanyeol der Alpha hatte sich hinter mich gestellt und mir seine Hände auf die Schultern gelegt. Im ersten Moment gingen die negativen Gedanken mit mir durch und ich erwartete schon einen stechenden Schmerz, erzeugt von dem Alphatier hinter mir, dann aber verstand ich, dass mich der Größere eigentlich nur beruhigen wollte.

Seine Alphaaura umgab mich und ich fing an mich langsam etwas zu entspannen. Es war nicht bedrohlich. Nein, eher Schutz bietend. Meistens benutzen die Alphas diese Technik gegenüber Gammas, oder Omegas um sie in stressigen Situation etwas zu besänftigen. Doch das er, als Alpha eines anderen Rudels sowas mir gegenüber, einem vollkommenen fremden Beta machen würde... Alleine schon die Tatsache das er und sein gesamtes Rudel uns geholfen hatte, war eigentlich schon zu viel verlangt. Wir könnten es ihnen niemals zurückzahlen. All den Stress durch den sie gegangen waren um uns am leben zu halten.

Nun etwas beruhigter sah ich auf. Ich müsste einen guten ersten Eindruck bei Namjoon Hyungs Freund machen, sonst könnte es sich schlecht auf dessen Kooperation mit dem Exorudel auswirken. Meine Augen suchten den Blick meines Gegenübers. Wie er wohl war? Wahrscheinlich ein großer und starker Mann. Vielleicht auch ein Hexer? Oder vielleicht ganz was anderes? Ich hatte noch nie in meinem Leben andere Fabelwesen außer Wölfe, Hexer und Menschen gesehen, konnte also sehr gut sein das ich nicht mal erkennen konnte was er war.

Mein Blick streifte den meines Gegenübers. Ich hatte mit allem gerechnet. Wirklich allem... aber nicht damit! Meine Augen weiteten sich. Ein dunkelbraunes, beinahe schon schwarzes Augenpaar starrte mich vollkommen entgeistert an. Blonde, nackenlange Haare die durch ein Bandana nach hinten geschoben wurden, mir allzu bekannte, ansehnliche Gesichtszüge und nicht zu vergessen das prägende Muttermal unter dem linken Auge. „Ji... Jisungie?" Dann überkam es mich. All die zuvor verspürte Anspannung und Angst die mich seit mehreren Jahren begleitet hatte fiel von mir ab und ich stürzte mich, ohne groß auf meine Umgebung zu achten in die Arme des Jungen vor mir. Es war aus reinem Reflex.

„Jisungie..." Sofort schlang mein Gegenüber seine Arme um mich. Es war eine warme Berührung die mich in eine unvorstellbare Nostalgie fallen ließ. Eine Umarmung die nach meiner Familie schrie, etwas das ich in den letzten Tagen nur bei Felix verspürt hatte. All die Bilder von vor wenigen Monaten strömten zurück in mein Gedächtnis. Ich und Stray Kids. Ich und meine Familie gemeinsam in dem kleinen Zimmer. Bang Chan kam uns jeden Tag besuchen und ließ immer etwas von seinem Essen für uns mitgehen. Changbin der Seungmin beim Küchendienst dazu anstiftete mit ihm Vorräte zu klauen, oder die Anderen mit denen ich abends vor dem schlafen gehen immer redete. Wir hatten immer darüber diskutiert wie unsere Zukunft wohl aussehen würde. Ob wir es aus der Hölle schaffen konnten, oder wie schön das Leben wohl sein könnte. Bilder von Minho überkamen mich, wie er sich immer an mich klammerte und mir zu jammerte wie langweilig ihm war. Wie anstrengend sein Tag bei den Arbeitern war.

Lonely Wolf [bxb]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt